Die Erneuerbaren sollen bis 2030 einen Anteil von 80 Prozent im deutschen Strommix haben – so Bundeskanzler Olaf Scholz auf dem Sommerfest des Bundesverbands Erneuerbare Energien (BEE) in Berlin. „Das bleibt der Plan und das war der Plan“, betonte er – und fügte mit Blick auf den Krieg in der Ukraine an: „Das müssen wir noch schneller und entschlossener umsetzen.“ Energiepolitik sei Sicherheitspolitik. „Deutschland hat sich zu einseitig auf russisches Gas verlassen“, erklärte er vor hunderten Gästen aus der Regenerativbranche.
Die meisten Branchenvertreter hatten in den vergangenen Jahren beim traditionellen Neujahresempfang des BEE viele Politiker kommen und gehen sehen. Zuletzt einen Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier, der heute deutlicher denn je mit seiner Union als katastrophaler Bremser der energetischen Modernisierung anzusehen ist. Jetzt endlich stehen die Zeichen auf Wachstum beim Ausbau der Erneuerbaren. Das EEG 2023 wird derzeit verabschiedet und Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck hat mit seinem Team zumindest ein Teil der zahlreichen Hürden beseitigt. Noch nicht alle, keine Frage. Aber fest steht, dass die Ampelregierung den beschleunigten Ausbau der Erneuerbaren will. Das war in der Vergangenheit unter Schwarz-Rot unterm Strich eher nicht der Fall.
Und nun? Jetzt hat Deutschland eine Regierung, die den Regenerativausbau beschleunigen will und muss. Doch nun tun sich Abgründe auf der anderen Seite auf. Die Branche ist heute so schlecht aufgestellt, wie nie. Es mangelt an allem: Fast alle Windturbinenhersteller kämpfen ums Überleben. Rote Zahlen, Fabrikschließungen, staatliche Hilfen. Hinzu kommen Engpässe bei Zulieferern. Lange Wartezeiten bei Herstellern von Transformatoren, bei Turmbauern und Netztechnik. Außerdem enorme Preissteigerungen bei den Rohstoffen. Der Stahlpreis schießt seit dem Ukrainekrieg durch die Decke. Bei anderen Rohstoffen sieht es ähnlich aus. Turbinen werden mit zahlreichen Variablen im Vertrag an Planer verkauft, weil der Endpreis inklusive Rohstoffpreise erst bei Lieferung feststeht. Fest steht aber schon jetzt, dass Windkraftanlagen jetzt teuer werden.
Auch in der Photovoltaik stehen alle Zeichen auf Wachstum – zumindest wenn man sich die Entwicklung der Nachfrage und der Rahmenbedingungen inklusive der politischen Unterstützung in den wichtigsten Märkten anschaut. Doch auch hier bleiben die Lieferketten unsicher. Immerhin sorgt diese Unsicherheit laut Online-Modulmarkt PV Xchange derzeit nicht zu steigenden, sondern zu stagnierenden Modulpreisen.
Ein weiterer fataler Mangel kommt hinzu, wenn es um den beschleunigten Regenerativausbau geht: Es fehlt an geschulten Mitarbeitern. Fachkräftemangel wird in den nächsten Jahren zum Flaschenhals für die Regenerativbranche. Längst klafft im Handwerk eine Lücke. Und dort wiederum gibt es viel zu wenig Fachkräfte, die sich mit der Montage von Wärmepumpe, Solarmodulen oder mit der Wartung von Windkraftanlagen auskennen. Über Jahre war sogar das Studium im Bereich der erneuerbaren Energien für junge Leute keine attraktive Option, weil die Branche tausende Stellen abbauen musste.
Deutlich wird: Von Null auf Hundert – das wird bei Regenerativausbau in Deutschland nicht funktionieren, auch wenn es jetzt ausdrücklich gewünscht ist. Und das ist wohl so. Jedenfalls erntete Scholz Applaus, als er beim Sommerfest sagte: „Klimaschutz geht nur mit erneuerbaren Energien – wir müssen jetzt einen Turbogang bei den erneuerbaren Energien einlegen.“ In dem Zusammenhang stellte er auch klar, dass der beschleunigte Ausbau, für den die Regierung jetzt die gesetzliche Grundlage geschaffen habe, nicht nur für Strom gebraucht werde. „Es geht um industrielle Prozesse“, so Scholz. Dafür brauche man grünen Wasserstoff aus Erneuerbaren. Er stellte fest, dass auch die Akzeptanz vor Ort gebraucht werde. In dem Zusammenhang versprach er, im Herbst würden gesetzliche Regelungen folgen, die weitere Beschleunigungen bei Genehmigungen brächten. Der Ausbau der Erneuerbaren sei im überragenden öffentlichen Interesse. Er stellte aber auch klar, Erneuerbare seien jetzt „Big Business, die Art, wie wir Energie erzeugen – kein Geschäftsmodell, das wir subventionieren.“
Die frisch wiedergewählte BEE-Präsidentin Simone Peter betonte in ihrer Begrüßungsrede dem gegenüber, ein Förderaussteig dürfe nicht jetzt erfolgen. „Wir brauchen jetzt jede Kilowattstunde und ein Signal dazu.“ Allerdings stellte sie auch klar, was nicht dazu gehören kann: Eine Laufzeitverlängerung von Atomkraftwerken sei nicht der richtige Weg, um russisches Gas zu ersetzen. „Risikotechnologie können wir nicht mehr gebrauchen.“ Sie fügte an, Deutschland habe jetzt „ein großes Reformpaket, auf das wir Jahre warten mussten.“ Sie bedauerte aber, dass bei den Reformen keine Zubauchancen für Biogas eröffnet wurden, um russisches Erdgas zu ersetzen. „Das trifft uns hart.“ Sie verwies auf die Klimakrise, die in Norditalien derzeit in ihrer dramatischen Zuspitzung zu beobachten ist. Abschließend sagte sie, „nach Jahren der Stagnation hat die Regierung das Ruder jetzt herumgerissen.“ Die Aufgaben sind gewaltig. Sie verlangen ein hohes Tempo und den Mut zu neuen Wegen.