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Wahljahr und Chancenplus

Tilman Weber

Komplexe zeitnahe Entwicklungen lassen sich manchmal wohl besser durch Perspektivenwechsel einschätzen. Statt sofort auf die vielfältigen großen Trends des neuen Windenergiegeschäftsjahres zu blicken, die von ERNEUERBARE ENERGIEN befragte Branchenakteure nennen, dürfte für 2025 ein Blick aus dem Innersten eines Windparks heraus die aufschlussreichere Startperspektive bieten.

Diese gewähren die Sensorik- und Digitalisierungspläne von Bachmann Electronic. Das österreichische Unternehmen will als Entwicklungsschwerpunkt unterschiedlichste Betriebsdaten einzelner Anlagen, ganzer Windparks und auch verstreut gelegener Windpark-Flotten in Grafiken oder Tabellen in Fast-Echtzeit sichtbar machen – nur 100 Mikrosekunden zeitverzögert. Die Bildschirmdarstellungen sollen nicht nur der Effizienzüberwachung der Windverstromung dienen, sondern auch fürs Planen neuer Windparks gute Hinweise geben. Zudem will Bachmann die Überwachung der Baustrukturen der immer größeren Turbinenkomponenten mittels Sensorik fürs Structural-Health-Monitoring voranbringen. Diese Last- und Überlastungsmessung soll besonders den Übergang zwischen Beton- und Stahlhälfte der für sehr hohe Nabenhöhen üblichen Hybridtürme kontrollieren.

Auch eine Lastfernüberwachung für Ü20-Anlagen steht für 2025 auf dem Bachmann-Electronic-Entwicklungsprogramm. Windturbinen, die nach über 20 Jahren (Ü20) eine verlängerte Betriebsgenehmigung brauchen, erhielten sie bisher aufgrund Schätzungen von Gutachtern für eher kurze Zeit. Denn die Gutachter vergleichen nur die herstellerseitigen Lastauslegungen der Komponenten mit realen Betriebslasten, die sie aus dem üblichen Betriebsdaten-Erfassungssystem Scada sowie aus Windmessungen plus großzügigen Sicherheitzuschlägen kalkulieren. Durch elektronische Lastüberwachung mit sogenannten Cantilever-Sensoren im Turm will Bachmann präzisere Daten liefern. Der Anlagen-Elektronik-Zulieferer verweist auf zwei Fälle, in denen die Laufzeitverlängerung dank einer besseren Prognose für die Nabe um mehr als ein halbes Jahr auf fast vier Jahre, im anderen Fall um vier Jahre auf elf ansteigen würde.

Herausforderung für 2025 wird sicherlich die Verfügbarkeit von Ressourcen externer Partner. Hier wird UKA den Weg langfristiger Partnerschaften weiter beschreiten.

Gernot Gauglitz, geschäftsführender Gesellschafter, UKA

Das österreichische Zulieferunternehmen visiert damit drei sehr unterschiedliche Bedarfe für den deutschen Markt an. Tatsächlich treiben die Windenergieunternehmen für 2025 wohl noch größere Vorhaben als im Vorjahr, eine noch weiter reichende Bandbreite an Projekten und noch mehr an den Interessen verschiedenster Kooperationspartner orientierte Konzepte voran. Das Dresdner Erneuerbare-Energien-Projektierungsunternehmen VSB zum Beispiel sieht Greenfield-Projekte mit Photovoltaik- oder Windkraftanlagen auf bisher nicht für die Energiewende erschlossenen Flächen genauso vor wie großformatiges Repowering und die Zusammenarbeit mit Stadtwerken. So wird 2025 der VSB-Repowering-Windparks Elster in Sachsen-Anhalt mit 105 Megawatt (MW) in Betrieb gehen. Die Genehmigung einer Erweiterung um zwei 6,6-MW-Anlagen hat VSB im Oktober schon beantragt. In einer Kooperation mit dem in Berlin und London ansässigen Kapitalunternehmen Nextwind, das durch Kauf von Repowering-Windparks ein führender Stromerzeuger werden will, betreibt VSB im selben Bundesland noch das 115-MW-Repowering Zörbig mit 16 Anlagen des an Landstandorten aktuell leistungsstärksten Windturbinentyps V172 mit 7,2 MW.

Wichtige Rolle kommunaler Energieparks

Nach jüngsten Vertragsabschlüssen mit den Stadtwerken im bayerischen Amberg über ein Windpark- und im sachsen-anhaltinischen Bitterfeld-Wolfen über ein 19-MW-Photovoltaikprojekt will VSB das kommende Jahr auch für den Entwicklungsstart kommunaler Erneuerbare-Energien-Anlagenparks nutzen. Die Stadtwerke Amberg haben die genaue Windparkgröße noch nicht festgelegt, stellen für den Windpark aber 200 Millionen Euro als Investitionssumme in Aussicht – was der Dimension der VSB-Repowering-Vorzeigeprojekte nahe käme. Schlüsselfertige Elektromobilitäts-Projekte hat sich VSB ebenfalls für 2025 vorgenommen.

Das Potenzial für Windparkzubau ist sehr groß. Doch die Unwägbarkeiten sind es auch. Dazu gehören internationale Wirtschaftskonflikte oder die im November für Februar angekündigte Neuwahl der Bundesregierung. Was würde beispielsweise eine neue Regierung unter dem möglichen Kanzler Friedrich Merz von der CDU bewirken, der erklärtermaßen Windräder hässlich findet und als später abzubauende Übergangstechnologie wertet?

Das Meißener Windenergieunternehmen UKA will sich angesichts seiner drei Gigawatt großen Projektpipeline aufs Bauen einstellen. Dafür werde UKA die Projektierer-Teams „selektiv mit erfahrenen Köpfen aus der Branche besetzen“, teilt Sprecher Benjamin Laubert mit. So will sich das Unternehmen effektiv auf die Turbinenerrichtungen vorbereiten, sie aber notfalls verschieben können, ohne unnötig Personal bezahlen zu müssen. Sollte der Windparkbau sich beschleunigen, will UKA bei Windturbinenbauer Nordex zum zweiten Mal 500 MW durch einen Rahmenvertrag bestellen. Durch einen früheren Rahmenvertrag mit Nordex sind bereits erste 500 MW Turbinennennleistung gesichert.

Beim Bundesverband Windenergie (BWE) steht der Start der Ausbauwelle im vierten Quartal des kommenden Jahres wie ein Kalendereintrag fest. Rechnerisch leitet es BWE-Geschäftsführer Wolfram Axthelm aus den 2023 und 2024 angehäuften „Rekordvolumen bei Neugenehmigungen für die Windenergie an Land sowie Rekorde bei Zuschlägen in den Ausschreibungen“ ab. Nachdem die Behörden alleine in den ersten drei Quartalen dieses Jahres 9.200 MW freigegeben hatten und dies nach etwa 5.400 MW im selben Zeitraum des Vorjahres, sollten nun die Turbinenerrichtungen anziehen. Ausgehend von der zuletzt üblichen Realisierungsdauer von 25 Monaten zwischen Genehmigung und Windparkbau werden fünfeinhalb GW spätestens Ende kommenden Jahres ans Netz gelangt sein: fast 60 Prozent mehr als beim in der Branche für 2024 prognostizierten Jahreszubau von 3,5 GW.

Allerdings erwartet der Lobbyverband nach dem Abarbeiten der stark aufgefüllten Projektpipeline noch keinen ausreichend sich selbst tragenden deutschen Windenergiemarkt. Eine künftige Bundesregierung müsse den Windenergieunternehmen insbesondere noch den „Zugang in den Markt, in Speicher und Sektorenkopplung und zum industriellen Mittelstand“ erleichtern, betont Axthelm.

Dennoch ist der Impuls stark: Auch der Bremer Projektierer WPD sieht nun die Zeit gekommen, „diesen positiven Trend in die Umsetzung zu bringen und die Projekte zu realisieren“. Das Unternehmen kann für 2023 auf neu erreichte Genehmigungen für 62 Turbinen und 320 MW Nennleistung allein in Deutschland verweisen. Zudem hatte es Genehmigungen für neue Windparkprojekte mit einem Ein-Gigawatt-Volumen beantragt.

Sektorenkopplung bleibt gebremst

Abo Energy aus Wiesbaden wertet bereits 2024 als „bisher unser mit Abstand erfolgreichstes Jahr in der deutschen Windkraftentwicklung“, wie der für die deutsche Windparkplanung zuständige Bereichsleiter der Hessen, Kristof Frank, im September erklärte: 121 MW werde Abo Energy Ende 2024 voraussichtlich neu ans Netz gebracht haben. Mit bezuschlagten 137 MW vor der bis Redaktionsschluss noch nicht entschiedenen letzten Windpark-an-Land-Ausschreibung des Jahres hat das Unternehmen für 2025 aber schon deutlich mehr Windkraftentwicklungspotenzial angesammelt. Einen besonderen Wert legt Abo Energy allerdings seit 2022 nach Einführung sogenannter Innovationsausschreibungen für mit Speichern ausgestattete Wind- oder Solarparks auf Projekte, die das Einspeisen des wetterabhängig erzeugten Stroms verstetigen. Hier will sich das Unternehmen in den Ausschreibungen erklärtermaßen nun auf Photovoltaik-Batterie-Projekte konzentrieren, die infolge einer Anhebung des Höchsttarifes in diesem Jahr wieder finanziell attraktiv seien. 2025 wird Abo Energy indes auch eine Kombination einer 4,8-MW-Windenergieanlage mit einem von deren Strom zu speisenden Fünf-MW-Elektrolyseur zur Herstellung von grünem Wasserstoff (H2) kombinieren und mit einer H2-Tankstelle, die Fahrzeuge emissionsfrei antreiben lässt. Doch die Hessen sehen mit den zuletzt überarbeiteten Anforderungen der Wasserstoffausschreibung kein tragfähiges Geschäftsmodell mehr und werden sich im kommenden Jahr nicht mehr an ihr beteiligen.

Marktberater wie beim Ingenieurberatungsdienst Recase beobachten ein grundsätzlich hohes Interesse von Branchenakteuren an Sektorenkopplungsprojekten, die überschüssigen Grünstrom statt nur im Strom- auch im Verkehrssektor nutzen lassen. Doch zu Investitionen komme es nicht. Die im freien Stromhandel erzielbaren Preise seien „für Energieerzeuger so niedrig oder schwankend, dass nur wenige Investitionsentscheidungen getroffen werden“, sagt der Recase-Bereichsleiter für Energiesysteme Ole Dammann. Dagegen nimmt der Berater „ein erhöhtes Interesse an Eigenstromversorgungssystemen“ wahr.

5.400 Megawatt im vergangenen Jahr in den ersten neun Monaten genehmigte Windstromerzeugungskapazität sollten weitgehend entsprechend der durchschnittlichen Realisierungsdauer von Windparks bis Ende 2025 neu ans Netz gehen.

Wenn es einen klaren Trend im Windenergiemarkt 2025 gibt, scheint es der zu sein, dass Windparks projektierende und bauende Unternehmen sobald für sie möglich bauen wollen und viele Optionen zugleich prüfen. So verzeichnet das Standortgutachtenbüro Anemos eine „starke Nachfrage nach schnellen, qualitativ guten Aussagen zu den Windbedingungen … zum Beispiel für Standortsicherheitsgutachten“, genauso aber auch gestiegenen „Bedarf nach provisorischen Gutachten zum Beispiel für Repoweringprojekte oder Layoutvergleiche“ möglicher Windparks mit Turbinen verschiedener Hersteller. Häufig bestellten die Projektentwickler bereits Berechnungen der Verluste, die sich aufgrund betrieblicher Einschränkungen etwa wegen möglicher Genehmigungsauflagen für den Vogelschutz oder zur Lärmvermeidung zugunsten von Anwohnern ergeben.

Das ebenfalls Standortgutachten anbietende Büro Anemos-Jacob wiederum nimmt speziell für süddeutsche Standorte nun Aufträge zur Prüfung von Eigenversorgungsprojekten für Industrieanlagen in windschwachen Gebieten, für „umfassendes Repowering“ ebenso wie für kleine bis sehr große neue Windparks mit bis zu 50 Anlagen entgegen. Auch die höheren Anlagen zeichnen sich in den Aufträgen ab: So gehen bei den Gutachtern zunehmend mehr Aufträge für Sodar- oder Lidar-Messungen der Windschichtungen in sehr große Höhen von teils sogar bis zu 300 Meter ein. Die auf einer Schallabtastung der Luft beruhende Sodartechnik oder auch die Lidar genannte Laserstrahlabtastung werde dort notwendig, wo bisher noch für Windkraft ungenutzte Landschaften nun auf den Projektiererkarten stehen. Hier stehen schlicht keine noch keine Referenzwindturbinen.

Direktvermarktung als neuer Treiber?

Windenergieunternehmen weiten auch ihre wirtschaftlichen Felder aus – wie die niedersächsische Dean-Gruppe. Das Erneuerbare-Energien-Unternehmen meldete im September die Kooperation mit der 2018 eröffneten Plattform Renewable Exchange zur Anbahnung direkter Stromlieferverträge. Um diese sogenannten Power Purchase Agreements (PPA) auch für Betreiberunternehmen von Einzelwindparks zu ermöglichen, erlaubt die digitale Plattform transparente Ausschreibungsprozesse für Stromlieferungen auch an mittelständische Unternehmen. Sie bieten diesen Unternehmen eine teils wenige Jahre währende oder auch längerfristige Versorgung mit grünem Strom zu stabilen Preisen und den Windparkbetreibenden verlässliche Einnahmen.

Die Dean-Gruppe sei nun „mehr denn je mit verschiedenen Direktvermarktern und PPA-Plattformen im Austausch, um für die von uns betreuten Betreiber die beste Vermarktung des erzeugten Stroms sicherzustellen“, sagt Dean-Geschäftsführer Julian Bloh mit Verweis auf die Kunden des eigenen Betriebsführungsdienstes.

Auch bei Stadtwerken gewinnen die Lieferverträge an Bedeutung. Das kommunale Nürnberger Versorgungsunternehmen N-Ergie begann 2024 die Energieversorgung für Industrieunternehmen als Option über PPA zu organisieren. Für 2025 kündigt N-Ergie nun „die Entwicklung von Belieferungsmodellen für kleinere Geschäfts- und Kommunalkunden mit Erneuerbaren-Erzeugungsanlagen“ an.

Auch klassische Stromdirektvermarkter erhöhen ihr Interesse am Windstrom. So sichert sich der Düsseldorfer Ökostromhändler Naturstrom schon seit Jahren zur Belieferung der Haushaltskunden einen großen Pool an Altanlagen mittels PPA. Zum Jahreswechsel kündigt Naturstrom nun „ein erstes Industrie-PPA mit elf ausgeförderten Windenergieanlagen“ an. Zudem nimmt das Unternehmen nun strategisch auch „gerade für Mittelständler“ langfristig das Potenzial wahr, diese über Windstrom-PPA zu versorgen und dies mit der Erzeugung unternehmenseigener Photovoltaikanlagen auf dem jeweiligen Firmengelände zu kombinieren.

Um die Offshore-Ziele zu erreichen, muss die Regierung den Fokus aber von der Maximierung der Einnahmen auf die Realisierung von Projekten verlagern.

Sulai Fahimi, Vice President Sales Central Europe, Vestas

Der Bereichsleiter Dezentrale Energiesysteme beim Stadtwerke-Dienstleistungsunternehmen Trianel, Bastian Wurm, beobachtet die „hohe Nachfrage nach Power Purchase Agreements“ auch aufgrund des wachsenden Bedarfs der Industrie an grünem Strom.“ Mit einer 2024 eingerichteten Vermittlungsplattform will Trianel nun Grünstromerzeuger und Abnehmer des Stroms ihren Liefervertrag ohne Zwischenhändler abwickeln lassen. Trianel übernimmt dabei alle energiewirtschaftlichen Aufgaben für Windkraft- und Photovoltaikanlagen.

BKW aus Bern war gemäß einem Branchenranking zu Jahresbeginn mit 2.500 MW an betreuter Erzeugungskapazität schon zehntgrößter Wind-Direktstromvermarkter hierzulande und will die Windstromvermarktung 2025 ausbauen. Das Unternehmen werde neues spezialisiertes Personal einstellen, um die Stromerzeugung der Windparkportfolios gemäß neuen Flexibilitätsoptionen des Erneuerbare-Energien-Gesetzes im Markt am besten vertreiben zu können.

Die Direktvermarktungssparte des Energieversorgers Vattenfall plant ihr Windkraftportfolio über die bisherigen vier Gigawatt hinaus auszubauen. Als zukünftigen Schwerpunkt wolle das Unternehmen außerdem Batterien im Stromhandel des Vortags-Marktes Day-Ahead, im kurzfristigen Innertageshandel Intraday und für die Primärregelreserve einsetzen – die Stromaufnahme oder Stromabgabe binnen 30 Sekunden und für mindestens 15 Minuten zum Ausgleich einer nicht mit dem Verbrauch übereinstimmenden Stromerzeugung. Auch bei Industriestrompartnerschaften mit Corporate PPAs will Vattenfall Energy Trading weiter zulegen.

Baywa RE will bei 4.500 MW betreuter Nennleistung aus Onshore- und Offshore-Windparks vor allem die Vermarktung des Stroms aus steuerbaren Kraftwerken vorantreiben wie Bioenergie- oder Kraft-Wärme-Kopplungs-Anlagen oder Batterien. Für den Weiterbetrieb von Altwindenergieanlagen will das Unternehmen 2025 ebenfalls PPA anbieten. Und der erst 2022 neu in den europäischen Strommarkt eingetretene Dienstleister CF Flexpower will als Plattform zur Anbahnung von PPA seine Windstromvermarktung stärken.

Bei so vielen unterschiedlichen Akteuren und Betriebskonzepten kommt auch den Serviceunternehmen besondere Bedeutung zu. Windpark-Instandhaltungsunternehmen wie Deutsche Windtechnik müssen auf ein 2025 „weiter steigendes Bewusstsein der Windparkbetreiber für Qualität“ eingehen, wie Deutsche-Windtechnik-Vorstand Matthias Brandt erklärt. Die Betreiberunternehmen der Windparks schlössen wieder längerfristige Wartungsverträge ab, mit denen sie den Wartungsdienstleistern mehr Verantwortung übertrügen. Die Sparte für Rotorblattreparaturen des Energieversorgers EnBW macht derweil deutlich, dass die immer längeren Komponenten durch „deutlich komplexere Materialpaarungen“ größere Herausforderungen mit sich bringen. Das Unternehmen nutze deshalb nun mehr elektrische Sensorik in den Rotorblättern, um frühzeitiger erste Schadensentwicklungen in den Blättern aufzuspüren. Um mit den besonders langen Rotorblättern tatsächlich Mehrerträge zu gewinnen, müssten die Wartungskräfte künftig kleinere Strukturveränderungen schneller beseitigen.

Meereswindkraft: Start für Wertschöpfung

Bleibt noch der Blick auf die deutsche See: EnBW selbst wird 2025 den vorerst größten deutschen Offshore-Windpark in der Nordsee mit 960 MW errichten. Im Sommer gewann das baden-württembergische Unternehmen zudem mit dem Ölkonzern Total die zwei Zuschläge der Ausschreibung eines Drei-Gigawatt-Entwicklungspotenzials, wobei sich EnBW 1 und Total 1,5 GW sicherte. Beide Windparks sollen 2031 in Betrieb gehen.

Total hat sich in den vergangenen beiden Jahren indes so viele Kapazitäten gesichert, wie kein anderes Unternehmen. Schon 2023 sammelte es Zuschläge für ein Zwei-Gigawatt-Projekt in der Nordsee und ein Ein-Gigawatt-Vorhaben in der Ostsee, die bis 2030 ans Netz sollen. Dieses Jahr kamen 1,5 GW hinzu. Gemäß den neuen Ausschreibungsregeln musste der Konzern dafür Lizenzpreise von sieben Milliarden Euro in Kauf nehmen. Im Oktober hatte Total zudem 50-Prozent-Beteiligungen an zwei RWE-Nordsee-Windparks zu jeweils einem Gigawatt besiegelt. Für 2025 stünden nun zunächst einmal die Flächenuntersuchungen auf den Arealen an. Ein weiteres Ziel sei nun der Aufbau eines integrierten Stromgeschäfts als Elektrizitätsversorger in Deutschland, erklärt Antoine Becker, der Geschäftsführer der Offshore-Windkraftsparte.

Auch die Investmentgesellschaft Luxcara gehört zu den siegreichen Unternehmen jüngster Offshore-Windparkausschreibungen mit zwei Projekten zu 1,5 GW und 270 MW für 2029 und 2031. Luxcara hat ebenfalls Zahlungen angeboten. Das Unternehmen gab bereits eine Liefervereinbarung über Windturbinen von Mingyang aus China bekannt. Indirekt ließ die Bundesregierung dagegen verlauten, dass die Kritis-Verordnung zum Schutz sogenannter kritischer Infrastruktur vor einem ausländischen Zugriff den Einsatz chinesischer Technologie als unvereinbar erscheinen lassen könnte. Die Bundesnetzagentur könne den Mingyang-Deal noch untersagen. Nun mahnt Luxcara, dass die Behörde zwischen sicherheitskritischen Komponenten wie problematischer Steuerungstechnik und nicht sicherheitskritischen Großkomponenten wie Rotorblätter unterscheiden müsse. „Diese Differenzierung sollte im Kritis-Dachgesetz und im Katalog der Bundesnetzagentur festgehalten werden“, erklärt der Luxcara-Projektdirektor Holger Matthiesen.

Unser Leuchtturmprojekt ist die gleitgelagerte Rotorwelle einer realen Turbine. Wir sehen Aktivitäten zum Industrialisieren von Gleithauptlagern.

Ralf Schelenz, Geschäftsführer, Center for Wind Power Drives – RWTH Aachen

Mit rund zwei Gigawatt wird der Offshore-Windkraftausbau in Deutschland 2025 vorerst stärker ausfallen, 2026 aber auf wenige 100 MW zurückgehen und erst 2028 wieder auf mehrfache Gigawattgröße neu zunehmen. Weil die unstete Bautätigkeit keine stabile Lieferkette entstehen lässt, ringen europäische Politiker um neue Wettbewerbsregeln zum Schutz vor Billigimporten insbesondere aus China. So führen Länder der Europäischen Union erstmals Qualitätskriterien in die Ausschreibungen ein. Allerdings verweist Luxcara auch auf eine von Mingyang zugesagte CO2-freie Produktion der gesamten Anlage. Klimaschutz durch vermiedene Emissionen des Treibhausgases Kohlendioxid (CO2) sind Teil neuer qualitativer Ausschreibungsregeln.

Die Wirtschaftsverbände VDMA Power Systems und BWO fordern zum Schutz der deutschen und europäischen Wertschöpfung rasche Entscheidungen der kommenden Bundesregierung. So verlangt Power-Systems-Chef Dennis Rendschmidt für den Windparkbau den schnellen Abbau von Hürden bei Großraum- und Schwerlasttransporten oder Netzanschlüssen. Zudem müsse die Politik die Sicherheitsanforderungen für die Turbinen-Elektronik als verbindlich durchsetzen. Damit Hersteller und Zulieferer in Europa ihre Lieferkapazitäten erhöhen können, müsse der Bund außerdem Verkehrswege, Brücken, Häfen und Netze ausbauen.

Die Forschung an den Hochschulen spiegelt die komplexen Anforderungen an die Windenergiewirtschaft wider. Nach einer Zuwendung von 16,8 Millionen Euro für das „Reallabor 70 GW Offshore Wind“ durch das Land Niedersachsen und der Volkswagenstiftung im Oktober bleibt die gemeinsame Windenergieplattform Forwind der Universitäten Hannover, Bremen und Oldenburg 2025 beim Schwerpunkt des Vorjahres: Indem die neuesten Flächenausschreibungen für Meereswindparks auf mehr Nennleistung pro Fläche und in neue Höhen bis zu 300 Meter ausgreifende Rotoren setzen, bekommt es die Anlagentechnik mit neuen Zonen und Turbulenzen der aufgewirbelten Luftströmungen zu tun. Die im Forwind-Verbund Forschenden wollen den Einfluss dieser neuen Strömungseigenschaften auf den Betrieb der Anlagen und auf ihre technische Lebensdauer analysieren.

Das Windenergieforschungsinstitut Fraunhofer Iwes werde 2025 Projekte zur Entwicklung neuer Turbinen begleiten, kündigt Institutsleiter Andreas Reuter in Hannover an. Als Schwerpunkt werden sich die Iwes-Wissenschaftler um die Netzintegration von Anlagen mit bis sogar 30 MW Nennleistung kümmern: Wie können zunehmend erzeugungsstärkere und größere Windturbinen auch noch bis zur doppelten der heute in Europa erreichten Turbinennennleistung den Strom so ins Netz einspeisen, dass sich darin stabil und gut getaktet Spannung, Frequenzen und elektrische Sinuskurven aufbauen? Das Fraunhofer Iwes werde im kommenden Jahr sein Testlabor Dynalab zur Prüfung elektrischer Eigenschaften für Tests solcher Nennleistungen erweitern. So will das Iwes die Testanordnung auch mittels einer Vielzahl an Containern voller Leistungselektronik an Prototypen im Freien einsetzen. Diese Teststandstruktur soll dann ein komplett virtuelles Stromnetz aufbauen.

Forschung an neuen Betriebsmodi

Am Stiftungslehrstuhl Windenergie der Universität Stuttgart fokussiert sich das Team um Professor Po Wen Chang umgekehrt darauf, Windparks stärker an die Anforderungen der Stromnetze anzupassen. Die Forscher analysieren deren Betrieb in Modi, für die Windenergieanlagen noch nicht designt sind. Ebenso zielen die Stuttgarter als Neuheit auf das künftige Verhalten von Anlagen bei zunehmenden Extremwetterereignissen, sowie auf Technik oder Betriebskonzepte, um die Turbinen bei Starkwind länger am Netz belassen zu können.

Die Aachener RWTH hat sich insbesondere Forschungsprojekte in den Kalender geschrieben, die auf ein Ausweiten der Gleitlagertechnik zielen. Rotationskörper, zum Beispiel Wellen, drehen sich hierbei ohne Metallrollen in besonders gehärteten und beschichteten Laufbahnen. Das reduziert im Vergleich zu Rollenlagern den Bauraum. Und es umgeht sich abnutzende Metallrollen. Noch kommen Gleitlager nur für schnell drehende kleine Zahnräder oder Wellen zum Einsatz. In einem Leuchtturmprojekt arbeiten die Aachener aber auch an der gleitgelagerten Rotorwelle. Außerdem wollen sie die Modularisierung des Antriebsstrangs erhöhen, um die Bauteile in immer größeren Anlagen weiter zu vereinheitlichen. Auch Lagerüberwachung mit künstlicher Intelligenz und integrierter energieautarker Sensorik stehen auf dem Programm.

Die Wertschöpfungskette muss sich darauf verlassen können, dass die Politik auf dem eingeschlagenen Ausbaukurs bleibt.

Stefan Thimm, Geschäftsführer, Bundesverband Windenergie Offshore

Die Windturbinenbauer selbst haben sich für 2025 dagegen offenbar wenige Kernvorhaben vorgenommen. So will das kleinste Turbinenbauunternehmen Eno Energy bis zum Jahresende den Prototyp Eno 175 für die Flaggschiff-Anlage dieser neuen Leistungsklasse mit 175 Meter Rotordurchmesser errichten. Zuvor aber sollen die Ingenieure die Erkenntnisse aus dem Prototypbetrieb der Eno 152 und Eno 160 in Anpassungen der Serienfertigung einfließen lassen und die Plattform zur Leistungserhöhung auf 6,4 MW ein wenig umdesignen. Wettbewerber GE will seine „Workhorse-Strategie fortsetzen“, wie Klaus Rogge gemäß der Unternehmenssprachregelung formuliert. Der Verkaufsdirektor für Zentraleuropa bei GE im Onshore-Windbereich verweist auf die Strategie, auf wenige Anlagenvarianten zu setzen, wodurch die Plattform angeblich die bislang höchsten Stückzahlen an errichteten Anlagen in der Sechs-MW-Leistungsklasse erreicht hat.

Siemens Gamesa wiederum verweist darauf, das Servicegeschäft nun für Deutschland mit dem Neuanlagengeschäft verbunden zu haben. Dadurch will das Unternehmen „mit weniger Ansprechpartnern“ mehr Nähe zum Kunden erreichen. Folgerichtig gehört der sogenannte After Market-Sales zu einem der Schwerpunkte im neuen Jahr. Ingenieure bieten Innovationen an schon in Betrieb befindlichen Anlagen an, die zu höheren Energieerträgen führen sollen. Oder sie bauen faseroptische Sensoren in die Rotorblätter ein. Die Turbinen sollen damit früher bei Eisablagerungen anhalten und automatisch neu anfahren. Weil der Klimawandel zu feuchteren Wintern führt, gehen die Entwickler von mehr Vereisungen aus. Im Betrieb könnten sich Eisbrocken lösen und Menschen oder Dinge treffen.

Die USA und einige Märkte in Europa mit zuvorderst Deutschland dürften gemäß übereinstimmenden Erwartungen die Kernmärkte des Jahres werden. Darauf stellen sich Siemens Gamesa, Vestas und Nordex ein. Nordex kündigt den Start der Produktion von Anlagen des Noch-Flaggschiffmodells N163 in seinem wieder eröffneten Werk West Branch in Iowa an. Die Produktion der speziell für US-Standorte mit schwachen Stromnetzen ausgelegten N169 soll hier ab 2026 erfolgen.

Die USA dürften auch unter dem neuen US-Präsidenten Donald Trump trotz dessen Vorliebe für Energieerzeugung mit fossilen Brennstoffen wichtig bleiben, so kalkuliert es das Unternehmen. Denn die zunehmende Ausbreitung künstlicher Intelligenz in der Datenverarbeitung vor allem der US-Internet-Konzerne werde für sehr hohen Energieverbrauch mit viel Bedarf auch an Windstrom sorgen. 

Foto: BWE

Wir erwarten ab dem vierten Quartal den deutlichen Boom beim Zubau. Die Windenergie schwenkt damit absehbar auf den Zubaupfad des EEG ein.

Wolfram Axthelm, Geschäftsführer Bundesverband Windenergie

Foto: ABO Energy

In Hünfeld-Michelsrombach bauen wir unser Pilotprojekt aus Windturbine, Wasserstofferzeugung und Wasserstofftankstelle mit Trailer-Abfüllanlage.

Katja Burger, Abo Energy

Forschung an Lagerprüfstand im Leibniz-Institut für werkstofforientierte Technologien in Bremen: Montage eines Dehnungsmessstreifens, der Belastungen im Blattlager misst.

Foto: Jens Lehmkühler - U Bremen Research Alliance

Forschung an Lagerprüfstand im Leibniz-Institut für werkstofforientierte Technologien in Bremen: Montage eines Dehnungsmessstreifens, der Belastungen im Blattlager misst.

Foto: Fotostudio Keller - wpd

Wir sehen deutlich mehr Genehmigungen, dank der Kommunalabgabe eine hohe Akzeptanz vor Ort, eine Vielzahl an prozessualen Vereinfachungen und wachsende Volumina in den Ausschreibungen.

Hartmut Brösamle, Vorstand, WPD

Foto: JOANNA NOTTEBROCK - deanGruppe

Volatile Strompreise durch geopolitische Spannungen und mangelnde Speicher in Zeiten hoher Produktion erneuerbarer Energie erfordern genaues Beobachten des Marktes, um auf Preissignale zu reagieren.

Julian Bloh, Geschäftsführer, Dean-Gruppe

Rotorblattprüfstand 115m+ des Fraunhofer Iwes in Bremerhaven

Foto: Fraunhofer IWES

Rotorblattprüfstand 115m+ des Fraunhofer Iwes in Bremerhaven

Foto: Trianel

Ohne den Zwischenhändler entfällt dessen Marge, was es für Anlagenbetreiber wirtschaftlicher macht.

Bastian Wurm, Leiter Dezentrale Energiesysteme, Trianel

Foto: Vattenfall

Schwerpunkte werden die Einbindung von Batterien mit verschiedenen Vermarktungskonzepten – Day ahead, Intraday, Primärregelreserve – am EE-Standort sein sowie das Generieren zusätzlicher Erlösmöglichkeiten durch Teilnahme am Regelenergie-Minutenreservemarkt für die von uns vermarkteten Offshore-Parks.

Hanno Mieth, Senior Renewables Originator, Vattenfall

Foto: Luxcara

Für uns bei Luxcara ist es zentral, unsere beiden Projekte Waterkant und Water-ekke weiter umzusetzen.

Holger Matthiesen, Projektdirektor, Luxcara

Forschungswindpark Wivaldi an der Elbe

Foto: DLR

Forschungswindpark Wivaldi an der Elbe

Foto: Timo Lutz-Fraunhofer IWES

Das Iwes begleitet auch 2025 die Entwicklung neuer Windenergieanlagen. Ein Schwerpunkt liegt auf dem Thema Netzintegration und Netzverträglichkeit.

Andreas Reuter, Institutsleiter, Fraunhofer Iwes