Es ist ein paar Jahre her, als die Kanzlerin die Idee hatte, doch den Solarstrom in Griechenland zu produzieren und nach Deutschland zu importieren, statt ihn hierzulande zu erzeugen. Die Rechnung war, dass in Griechenland die Sonne viel öfter scheint als in Deutschland und deshalb dort der Strom aus Photovoltaikanlagen viel billiger wäre. Unabhängig von dieser Idee haben Forscher des Fraunhofer Instituts für Solare Energiesysteme (ISE) zusammen mit Kollegen von der Technischen Universität Athen untersucht, welche Potenziale tatsächlich eine direkte Stromverbindung zwischen Deutschland und Griechenland hätte und vor allem, wie viel das – im Vergleich zum Ausbau der Ökostromerzeugung in beiden Ländern – hätte.
Das Ergebnis: Es gibt tatsächlich einen riesigen Vorteil, wenn die beiden Länder direkt mit einer Stromtrasse verbunden wären. Dieser Vorteil ergibt sich vor allem im Ausgleich und in der Umverteilung der volatilen Erzeugungskapazitäten. Vor allem aber weil entlang der Trasse noch einen Reihe von weiteren Staaten liegen, die ebenfalls Strom in die Leitung einspeisen oder daraus entnehmen könnten.
Überschüsse verteilen
Das funktioniert aber nur, wenn die Erzeugung von Strom aus Wind- und Solaranlagen in beiden Ländern unterschiedlich ist. Die Analyse der Forscher hat aber gezeigt, dass in Deutschland und in Griechenland sehr oft gleich viel Ökostrom produziert würde. Das hat die Auswirkung, dass dann ein Überschuss im gesamten Netz herrscht. Vor allem Griechenland bekäme dann Probleme. Denn der deutsche Strommarkt ist viel größer und Deutschland ist mit viel mehr Nachbarn verbunden, so dass es leichter wird, für die Überschüsse einen Abnehmer zu finden.
Projekt wäre wirtschaftlich durchaus rentabel
Aus wirtschaftlicher Sicht halten die Forscher den Bau einer solchen Stromautobahn zwischen Deutschland und Griechenland durchaus für machbar. Denn die Auslastung der Leitung wäre hoch genug, um bei einem Strompreis von 0,6 Cent pro Kilowattstunde eine Rendite von sechs Prozent zu erzielen. Das geht aber auch nur, wenn der Strommarkt in allen Ländern, die an der Route liegen, auch ohne Hürden funktioniert. Das sei aber in der Regel nicht der Fall, betonen die Forscher in ihrem Abschlussbericht zum Projekt RES-Degree, in dem sie die Option einer direkten Verbindung zwischen Deutschland und Griechenland untersucht haben. Sie verweisen unter anderem auf Verzerrungen unter anderem durch die administrative Zuweisung von Netzzugängen, die in den Ländern sehr unterschiedlich gehandhabt werden, was die Integration von Ökostromerzeugern in das Netz erschwert. Wenn man die Option einer solchen Leitung tatsächlich umsetzen wollte, müsste die Politik in allen Ländern zwischen Deutschland und Griechenland diese Hürden erst beseitigen, damit sich ein solches Projekt rechnet.
Verteilnetze müssen ausgebaut werden
Dazu kommt noch, dass der Bau einer Stromautobahn zwischen Nordsee und Ägäis nicht ausreicht. Denn die Trasse rechnet sich nur, wenn die Erzeugungskapazitäten dezentral aufgebaut werden. Das erfordert wiederum den Ausbau der gesamten Verteilnetze in allen Ländern, die Anteil an einer solchen Leitung hätten. Das wird nicht billig. „Zwar lassen sich aufgrund derartiger Berechnungen die Netzausbaukosten auf nationaler Ebene optimieren“, erklärt Christoph Kost, Projektleiter am Fraunhofer ISE, mit Blick auf die gemeinsame Analyse mit der TU Athen. „Doch ist im europäischen Verbund und damit auch im deutschen Stromsystem trotzdem ein Ausbau erforderlich, der über die derzeitigen Planungen des Netzentwicklungsplans hinausgeht. Insbesondere die Verbindungen zwischen Deutschland und seinen Nachbarländern sind davon betroffen.“
Solaranlagen auch im Norden bauen
Zudem zeigen die Szenarien der Stromerzeugung aus volatilen Quellen wie Sonne und Wind, dass es durchaus besser ist, auch in Norddeutschland Solaranlagen zu bauen, obwohl das Angebot an Sonneneinstrahlung dort viel geringer ist als auf dem Peloponnes oder im Epirus, statt nur auf die Windkraft zu setzen. In Griechenland würde es sich im Gegenzug rechnen, Windkraftanlagen zu errichten, auch wenn nicht die Vollaststunden erreicht werden wie in Schleswig-Holstein oder Niedersachsen. Der Grund: Je variabler die Erzeugungskapazitäten sind, desto geringer wird der notwendige Netzausbau, vor allem wenn der Anteil von Sonne und Wind im Gesamtsystem in Deutschland höher wird.
Nationale Energiepolitik gemeinsam koordinieren
Die Forscher ziehen das Fazit, dass sowohl Südeuropa als auch Mitteleuropa von einer stärkeren Vernetzung profitieren würde. Das gilt nicht nur für die Stromtrasse nach Griechenland, sondern auch für eine Trasse beispielsweise nach Italien. Grundsätzlich kann durchaus Solarstrom nach Norden und Windstrom nach Süden transportiert werden, unter der Voraussetzung der regionalen Vielfalt der Erzeugungstechnologien. Das Fraunhofer ISE empfiehlt auf Basis der Ergebnisse aus dem deutsch-griechischen Forschungsprojekt eine zusätzliche, stärkere Vernetzung und einen erhöhten Austausch zwischen den europäischen Strommärkten sowie eine intensivere Koordinierung nationaler Energiepolitik und Infrastrukturmaßnahmen. (Sven Ullrich)