Mit dem Einmarsch von russischen Truppen in die Ukraine hat man in Deutschland endlich erkannt, dass die Abhängigkeit von Energieimporten eine Sackgasse ist. Im Mittelpunkt steht hier jetzt vor allem die Wärmeversorgung in Gebäude und in der Industrie. Denn in Gebäuden wird – noch vor der Industrie – das meiste Erdgas verbrannt. Das muss nicht so bleiben. Bis 2035 kann die gesamte Wärmeversorgung von Gebäuden auf erneuerbare Energien umgestellt werden. Das ist das Ergebnis einer Studie des Wuppertal Instituts für Klima, Umwelt, Energie im Auftrag von Greenpeace.
Versorgungsrisiken minimieren
Voraussetzung sind entsprechende Rahmenbedingungen und ein Mix aus Fördern und Fordern. „Die kurzfristigen Alternativen zu Erdgas bei der Beheizung der Gebäude sind zwar begrenzt, mittelfristig sind die Möglichkeiten der Umsteuerung aber groß”, erklärt Manfred Fischedick, wissenschaftlicher Geschäftsführer des Wuppertal Instituts. „Mit einer klugen auf Effizienzsteigerung und den Ausbau erneuerbarer Energien ausgerichteten Strategie reduzieren sich nicht nur die Versorgungsrisiken. Die beschleunigte Wärmewende ist für Haushalte, Unternehmen und öffentliche Einrichtungen auch wirtschaftlich höchst attraktiv.”
Investitionen amortisieren sich schnell
Denn der Umstieg erfordert zwar zunächst einmal hohe Investitionen. Die Autoren der Studie gehen von 50 Milliarden Euro pro Jahr an privaten Investitionsmitteln aus, die mit zusätzlichen 22 Milliarden Euro an Fördergeldern angereizt werden sollten. Doch diese Investitionen würden sich in Form von geringeren Betriebskosten schnell amortisieren. Allein für das Jahr 2035 haben die Autoren der Studie eine Einsparung in Höhe von 11,5 Milliarden Euro ausgerechnet. Dazu kommen noch die volkswirtschaftlichen Effekte etwa in Form von einer halben Million zusätzlicher Arbeitsplätze. Als Nebeneffekt erreicht Deutschland sogar noch die Klimaziele. Denn der Umstieg auf erneuerbare Wärme spart jedes Jahr 168 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente ein.
Fordern und Fördern
Dazu muss aber ein Mix an verschiedenen Maßnahmen her. „Hierfür müsste in drei zentralen Bereichen jeweils eine ordnungsrechtliche Maßnahme mit einer spezifischen, dazu passenden finanziellen Fördermaßnahme kombiniert werden”, erklärt Stefan Thomas, Leiter der Abteilung Energie-, Verkehrs- und Klimapolitik am Wuppertal Institut und Hauptautor der Studie. „Die Vorschriften würden Verbindlichkeit schaffen und die Wärmewende beschleunigen. Die Förderung macht die Investition für die Verpflichteten wirtschaftlich attraktiv”, beschreibt er den Vorteil des Zusammenspiels von Fördern und Fordern.
Investitionsprogamm für zwölf Millionen Wärmepumpen
Als ordnungspolitische Maßnahme müsste zunächst ein Verbot von neuen Gas- und Ölheizungen erlassen werden. Ab 2024 müsste dann auch schrittweise bis 2035 der Betrieb von bestehenden Öl- und Gasheizungen untersagt werden. Um den Umstieg abzufedern, sollte ein Förderprogramm für zwölf Millionen Wärmepumpen und 70 Millionen Quadratmeter Solarthermieanlagen aufgelegt werden. Zusätzlich dazu müssten auch die Nah- und Fernwärmenetze ausgebaut und bis 2035 konsequent auf erneuerbare Energien umgestellt werden.
Sanierungsstau auflösen
Der Umstieg muss aber auch mit mehr Energieeffizienz einhergehen. Dazu muss dringend der Sanierungsstau aufgelöst und die Eigentümer von ineffizienten Gebäuden zur energetischen Sanierung verpflichtet werden. Das Ziel: Bis 2040 müssen alle Gebäude in Deutschland die Effizienzklasse B erreichen. Das ist ein Haus mit dem Gebäudestandard KfW 60. Es benötigt also 60 Prozent weniger Energie als ein im Gebäudeenergiegesetz beschriebenes Referenzgebäude. Der Grenzwert des Energieverbrauchs liegt dann bei 75 Kilowattstunden pro Quadratmeter und Jahr.
Schneller und qualitativ hochwertig sanieren
Um ein solches Sanierungsprogramm zu stemmen – immerhin müssten drei Prozent der Bestandsgebäude jedes Jahr saniert werden – ist die rasche Einführung von kostengünstigen und schnelle Fertigungs- und Sanierungstechnologien notwendig. Dazu gehört unter anderem das serielle Bauen, bei dem beispielsweise ganze Fassadenelemente vor Ort hergestellt werden und die bestehenden Fassaden ersetzen. Es müssen aber auch lokale Informationsangebote wie die Energieberatung, aber auch die Baubegleitung und – ganz wichtig – die Qualitätskontrolle ausgebaut werden.
Flächen effizienter nutzen
Zusätzlich dazu ist eine Qualifizierungsoffensive notwendig, um mehr Handwerker auszubilden. Es sollte aber auch die Flächennutzung effizienter werden. Dazu können sich die Autoren der Studie Wohntauschprogramme und eine Förderung von Umbauten vorstellen. Dadurch kann der notwendige Neubau reduziert werden, was wiederum einerseits die CO2-Emissionen im Bausektor senkt und andererseits nicht allzu viele Handwerker im Neubau bindet, die dann für eine schnellere Sanierung von Bestandsgebäuden frei werden.
Die Studie „Heizen ohne Öl und Gas bis 2035” steht zum kostenlosen Download auf der Internetseite des Wuppertal Instituts zur Verfügung.
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