Bundesumweltminister Peter Altmaier (CDU) hat in Berlin das alljährliche Herbstforum der Solarbranche mit einer Rede eröffnet. Darin wandte er sich an die Energiebranche insgesamt, die er zum Dialog über die Zukunft des Erneuerbare-Energien-Gesetzes aufrief. Er habe keinen Zweifel daran, dass die Energiewende richtig sei, sagte der Minister. Dafür werde er kämpfen und sein politisches Schicksal daran knüpfen. „Bei der Umsetzung der schwierigen Aufgabe Energiewende kommt es auf eine stärkere Vernetzung der Beteiligten an“, unterstrich er. „Denn wir wollen das EEG so schnell wie möglich reformieren. Aber dies soll auch gut gemacht werden.“ Um die bestmögliche Lösung zu finden, will Altmaier mit allen Akteuren der Energiewirtschaft sprechen. Um die Eiszeit mit der Photovoltaik zu beenden, lud er Vertreter der Solarbranche zu einer ersten Gesprächsrunde in der kommenden Woche in sein Ministerium ein.
Zubau der Sonnengeneratoren hält an
Denn die schnelle Absenkung der Photovoltaikförderung im Frühjahr dieses Jahres war ein schwerer Schlag für die deutschen Hersteller von Solartechnik, was die Zahl der Insolvenzen belegt. Seitdem ist das Verhältnis der Branche zur Koalition angespannt. Altmaiers neuer Schmusekurs hat aber noch andere Ursachen: Die sinkenden Tarife haben die solare Energiewende in Deutschland nicht gestoppt. Der Zubau neuer Sonnengeneratoren geht munter weiter, nun getrieben vom Eigenverbrauch des Solarstroms vor Ort. Immer mehr Bürger, Kommunen und Unternehmer investieren in Solarenergie oder Windräder zu Lande. Jede Woche entstehen bundesweit drei neue Genossenschaften, die erneuerbare Kraftwerke betreiben. Die Zahl der Bürgerfonds für Onshore-Windkraft und Sonnenstrom ist sprunghaft gestiegen.
Mit dem Rücken zur Wand
Damit gerät das Geschäftsmodell der großen Energiekonzerne weiter unter Druck. Bisher hatte die Bundesregierung den Energiekonzernen mit großzügigen Einspeisetarifen für Offshore-Windkraft unter die Arme gegriffen. Auch sollen die finanziellen Risiken aus dem Geschäft mit den Windrädern vor den Küsten auf die Bürger abgewälzt werden. Damit stützt die Regierung offen die Preistreiberei der Großkonzerne und festigt ihre Oligopole in der Stromversorgung. Nun steht Altmaier mit dem Rücken zur Wand. Denn der offensichtliche Lobbyismus der christlich-liberalen Regierung rächt sich: Die Energiewende und die Strompreise sind eines der beherrschenden Themen im bevorstehenden Bundestagswahlkampf. In den USA hatte sich in der vorigen Woche gezeigt, dass der demokratische Präsident Barak Obama mit dem Slogan „New Energy for America“ punkten konnte. Sein konservativer Herausforderer wurde abgestraft. Er hatte ähnlich argumentiert wie Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) und Bundesumweltminister Altmaier (CDU).
Flucht nach vorn
Altmaier tritt die Flucht nach vorn auch deshalb an, weil er aus der Offshore-Windkraft kein politisches Kapital mehr schlagen kann. Denn mittlerweile herrscht Flaute: Einst hochfliegende Pläne werden beerdigt. So hatte der Stadtwerkeverbund Südweststrom gestern gemeldet, aus dem Offshore-Windpark „Bard 1“ auszusteigen. Aufgrund diverser Pannen beim Bau und nicht absehbarer Risiken zog die Investorengruppe die Reißleine. Der erste Vertrag über einen Kauf des Windparks war bereits 2010 ausgehandelt worden, im November 2011 sollte er fertig sein. Die geplante Investitionssumme belief sich anfangs auf 1,5 Milliarden Euro, der Windpark sollte Strom für rund 400.000 Haushalte liefern. Doch der Bau schleppt sich dahin, die Inbetriebnahme steht noch immer aus. Auch die Unterzeichnung der Verkaufsverträge wurde immer wieder aufgeschoben. Nach Angaben der italienischen UniCredit-Bankengruppe wird der Windpark rund 2,9 Milliarden Euro verschlingen. UniCredit hat das Großprojekt vorfinanziert. Nach Auskunft von Bettina Morlok, der Geschäftsführerin von Südweststrom, seien aber bereits zwei Milliarden Euro als Kaufpreis indiskutabel. Nun stellten die Stadtwerke in Aussicht, das vorgehaltene Geld in regionale Projekte in Süddeutschland zu stecken.
EnBW steigt aus
Auch EnBW kündigte an, sich aus der Offshore-Windkraft zurückzuziehen. Mitte November meldete der baden-württembergische Großversorger, das Offshore-Windkraftwerk „Hohe See“ auf Eis zu legen. Bereits seit 2006 liegt die Genehmigung vor, rund 90 Meilen nördlich von Borkum 80 Windräder ins Meer zu stellen. Bisher gibt es aber keine Netzanbindung, also will EnBW nun die 1,5 Milliarden Euro anderswo investieren. Schon Ende Oktober hatte der dänische Energiekonzern Dong seine Pläne für den Windpark „Riffgrund 2“ bei Borkum begraben. Und Eon stellte in Aussicht, beim Bau der Windparks auf See auf die Kostenbremse zu drücken. Denn im Vergleich zur Onshore-Windkraft oder zur Photovoltaik sind die Windräder auf See nach wie vor sehr kostenintensiv. Ganz abgesehen vom Aufwand, sie ans Netz anzuschließen. (Heiko Schwarzburger)