An den Hängen ziehen kleine Gamsherden, ein Bach plätschert durch das Tal, über allem thront Deutschlands höchster Berg, die Zugspitze. In dieser idyllischen Lage auf 1.387 Metern über dem Meeresspiegel lädt die Höllentalangerhütte Wanderer und Bergsteiger zur Rast. Viele übernachten auch, bevor sie sich am nächsten Tag auf den anstrengenden Weg auf die Zugspitze machen.
Doch im Herbst ist mit der Idylle erst mal Schluss. Dann rückt das Abrisskommando an. Die jetzige Hütte muss einem Neubau weichen. Geht es nach dem Deutschen Alpenverein (DAV), dem die Hütte gehört, wird das neue Gebäude CO2-neutral.
Seit Jahren spielen erneuerbare Energien bei der Versorgung von Berghütten eine wichtige Rolle. Meistens befinden sich die Hütten in einer Insellage, weitab von Strom- und Wassernetzen. Meist handelte es sich dabei bislang um Ergänzungen. Dass eine Hütte samt Stromversorgung komplett ersetzt wird, kommt selten vor. Im bayerischen Alpenraum ist es das erste Mal. 1893 war die ursprüngliche Hütte errichtet und im Lauf der Jahre immer wieder ergänzt worden. Weitere An- und Umbauten, um künftigen Anforderungen an den Hüttenbetrieb gerecht zu werden, lässt die Bausubstanz jedoch nicht mehr zu. 4,5 Millionen Euro kostet der Neubau, weitere 500.000 sind für die Ver- und Entsorgungsanlagen veranschlagt.
Wichtigster Stromlieferant soll ein Wasserkraftwerk werden. Die Bedingungen sind gut. „Das Wasser fließt bei niedrigem Wasserstand mit einem Volumen von durchschnittlich 300 Litern pro Sekunde, das entspricht drei Badewannen“, erklärt Thomas Gesell, Hüttenbetreuer der für den Standort zuständigen Sektion München des Alpenvereins. Rund ein Zehntel davon benötigt das Kraftwerk zu den mittäglichen Spitzenzeiten, bei geringerem Bedarf wird dem Bach weniger Wasser entnommen. Ein 540 Meter langes Rohr mit einem Durchmesser von 250 Millimetern soll einen Höhenunterschied von 146 Metern überwinden. „Das Kraftwerk hat dann eine Leistung von 70 Kilowatt“, sagt Gesell.
Allerdings gab es seitens der zuständigen Behörden Bedenken, vor allem wegen Umwelt- und Naturschutz. Lange wurde verhandelt. „Mit dem DAV wurde in Vorgesprächen bereits erörtert, die Entnahmestrecke für das Wasser – und damit die Fallhöhe – ein Stück zu verlängern, um dadurch bei verringerter Wasserentnahme die gleiche Strommenge produzieren zu können“, heißt es dazu beim Landratsamt Garmisch-Partenkirchen. Die Gespräche haben sich laut Gesell über drei Jahre hingezogen: „Jetzt planen wir mit 40 Metern mehr Fallhöhe als ursprünglich vorgesehen, um durch den größeren Höhenunterschied den Wasserbedarf für das Kraftwerk reduzieren zu können, und sind sehr optimistisch, auf dieser Grundlage eine Genehmigung zu erhalten.“
Brennmaterial von der alten Hütte
Der Strom ist wichtig, denn er soll auch die Heizung betreiben – oder zumindest das Heizsystem unterstützen. „Weitere Wärme sollen Kachelöfen beisteuern sowie die Abwärme aus der Küche“, erläutert Architekt Stephan Zehl vom Architekturbüro Homann-Zehl, der das Projekt betreut. Das Brennmaterial soll in der Anfangsphase auch von der alten Hütte stammen. Teile davon kommen ins Alpine Museum in München, ein Teil muss entsorgt werden. Einige Elemente verbaut Zehl in der neuen Hütte – einige Teile des Holzbaus werden vor Ort in Scheite für die Kachelöfen zersägt. Das ist billiger und umweltfreundlicher als der Transport ins Tal. In der Küche kommen aber auch Gasgeräte zum Einsatz.
Sollte das Wasserkraftwerk wider Erwarten ausfallen oder gewartet werden, springt eine Batterie ein. Deren Kapazität soll für 48 Stunden ausreichen, in Spitzenzeiten unterstützen und im Ernstfall einen Notbetrieb ermöglichen. Im Winter wird eine kleine Photovoltaikanlage dafür sorgen, dass sich die Batterie nicht vollständig entlädt. Denn dann ist die Hütte geschlossen. Das Tal ist stark lawinengefährdet.
Die Lawinen sind auch ein Grund, warum die Hütte nicht so wie manche andere ihre Grundversorgung durch Solarmodule sicherstellt. Zudem ist das Tal schlicht zu schattig.
Dieselgenerator wird abgeschaltet
Wenn Hüttenwirt Thomas Auer am 15. September die letzten Gäste verabschiedet hat, muss er noch auf- und ausräumen. Danach schaltet er auch den Dieselgenerator ab. Der soll auf jeden Fall aus der Bergwelt verschwinden. „Wir haben jedes Jahr zwischen 15.000 und 17.000 Liter Diesel verbraucht, für nur fünf Monate Betrieb“, weiß Gesell. Auf Biodiesel umstellen geht nicht, auch nicht mit einem neuen Generator. Die Anlage würde in der Winterpause verharzen. Ein anderer Ansatz scheidet ebenfalls aus. „Den Plan, ein gasbetriebenes Blockheizkraftwerk zu installieren, haben wir wieder verworfen“, sagt Zehl.
Dennoch wird in der Anfangsphase der neuen Hütte wohl der modernere der beiden noch vorhandenen Generatoren seinen Dienst wieder aufnehmen. Unter Umständen ist das Wasserkraftwerk zu diesem Zeitpunkt noch nicht betriebsbereit. Für das Gebäude liegen zwar alle Genehmigungen vor. Für das Wasserkraftwerk hingegen wurde noch kein Genehmigungsantrag gestellt. Das soll diesen Herbst nachgeholt werden in der Hoffnung, dass in den zahlreichen Gesprächen mit den Fachstellen eine für alle Seiten zufriedenstellende Lösung gefunden wurde.
Vielen Gästen, die nach der Eröffnung der neuen Höllentalangerhütte 2015 erscheinen, wird die Stromerzeugung gleich sein, solange der Kühlschrank und die Kaffeemaschine funktionieren. Immerhin haben sie zwei bis zweieinhalb Stunden Aufstieg hinter sich, davon eine gute Stunde in der spektakulären Höllentalklamm, rund 630 Höhenmeter überwunden und freuen sich auf ein kaltes oder warmes Getränk. Und wenn sie dann von der Terrasse der Hütte auf die gegenüberliegende Talseite schauen, sehen sie eine kleine Kapelle. Die hat ein Einheimischer in den Resten eines alten Wasserkraftwerks eingerichtet, das hier vor Jahrzehnten Strom erzeugt hat.
(Jochen Bettzieche)