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Stadtwerkestudie

Versorger haben zu wenig Mut

Trotz üppiger Angebote bleiben die Stadtwerke skeptisch, was die Energiewende im eigenen Haus angeht. Zwar sehen zwei Drittel der Stadtwerke in den erneuerbaren Energien ein Geschäftsfeld mit hohem Innovationspotenzial. Doch nur die Hälfte der Versorger auf diese Weise an der Energiewende teilnehmen. Dies ist eines der zentralen Ergebnisse eine Studie von Ernest amp; Young in Zusammenarbeit mit dem Bundesverbrand der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW).

Die Ergebnisse sind ernüchternd. Da arbeiten viele kleine und große Unternehmen an Lösungen und liefern den Stadtwerken eine Steilvorlage. Doch die Stadtwerke sind sehr zögerlich, diese Angebote auch selbst umzusetzen. Die Innovationen sind schon üppig. Die Analysten von Ernest amp; Young haben immerhin schon für Geschäftsmodelle identifiziert, mit denen die Stadtwerke ihre Kunden an sich binden können. Denn zunehmend verliert die klassische Belieferung der Verbraucher mit Strom für die Stadtwerke an Bedeutung. Millionen von kleinen Solaranlagen führen dazu, dass die vor allem Eigenheimbesitzer immer mehr Strom selbst produzieren und als Kunden der Versorger sich nicht mehr vollständig mit Strom beliefern lassen. „Die Zeit drängt. Die Einnahmen in den klassischen Geschäftsfeldern schrumpfen und der Wettbewerb wird größer“, warnt Helmut Edelmann von Ernest amp; Young und Autor der Studie. „Sowohl etablierte als auch neue Wettbewerber verschärfen die Gangart im Markt. Digitale Technologien gewinnen an Boden. Damit verändern sich Strukturen und Geschäftsprozesse.“ Selbst der sonst so vorsichtige BDEW, wenn es um die Energiewende geht, warnt die Stadtwerke davor, einfach so weiterzumachen wie bisher. „Dies wird auf Dauer nicht möglich sein“, warnt Hildegard Müller, Vorsitzende der Hauptgeschäftsführung des BDEW. „Nur diejenigen Unternehmen, die sich über neue Geschäftsmodelle, über Kooperationen und auch Auslagerungen von Tätigkeiten Gedanken machen, werden Treiber und nicht Getriebene ihrer unternehmerischen Entwicklung sein.“

Einnahmeverluste kompensieren

Die Einbußen auf der Einnahmeseite können die Stadtwerke nur durch den Auf- und Ausbau neuer Geschäftsfelder kompensieren, erklärt Edelmann. Diese Erkenntnis sei bei den Stadtwerken immerhin schon angekommen. Doch bei der Durchsetzung hapert es noch. Innovative Geschäftsmodelle im Bereich erneuerbare Energien setzen nur die wenigsten um. Wenn sich die Stadtwerke mit erneuerbaren Energien beschäftigen, dann meist, indem sie eigene Solar- oder Windparks bauen und diesen Strom dann im besten Falle an die Kunden vermarkten. Im schlechtesten Falle kassieren sie die Einspeisevergütung und der Strom wird über die Börse vermarktet.

Dabei hätten die Stadtwerke viel bessere Möglichkeiten, ihre Kunden an sich selbst zu binden. Nach Aussage der Studie immerhin eines der wichtigsten Themenfelder, mit denen sich die Stadtwerke in den kommenden Jahren beschäftigen werden. Die Autoren der Studie zeigen den Versorgern, welche Modelle schon existieren. Dabei warnt Edelmann aber vor blindem Aktionismus. „Die Stadtwerke sollten sich auf wenige Bereiche konzentrieren, weil sie sonst Gefahr laufen, vieles zu machen, aber nichts davon richtig“, betont er. „Nur eine Strategie erscheint wenig erfolgversprechend: abwarten und an den alten Strukturen festhalten.

Die Kunden an sich binden

So könnten die Stadtwerke mit den Eigenverbrauchern nicht nur Kunden verlieren, sondern diese sogar an sich binden, wenn sie den Anlagenbetreiber mit Solarenergieanalysen oder kompletten Dienstleistungspaketen unterstützen. Zudem könnten sie statt Strom vermehrt Anlagen verkaufen oder verpachten. Dies hat nicht nur den Vorteil, dass die Stadtwerke damit direkt an der dezentralen Energiewende teilnehmen, sondern auch den Kunden an sich binden. Hier stehe Partner wie Trianel und Greenergetic in den Startlöchern, den regionalen Versorgern den Aufwand bei der Umsetzung solcher Geschäftsmodelle abzunehmen. Außerdem könnten die Versorger Dachflächen von Industrieunternehmen mieten und darauf Anlagen errichten. Das Stadtwerk liefert dann dem Unternehmen statt Strom von der Börse dann Solarstrom vom eigenen Dach. Die Modelle gehen bis zu einem Mieterstrommodell, bei dem hundert Prozent des gelieferten Stroms aus erneuerbaren Energien stammen, der zu einem großen Teil vor Ort erzeugt wird. Dass dies durchaus funktioniert, zeigt Lumenaza. Das Berliner Unternehmen hat sich darauf spezialisiert, viele kleine und dezentrale Anlagen und Verbraucher zu steuern. Damit erreichen sie, dass die Erzeugung und der Lastgang in einer gesamten Region allein mit erneuerbaren Energien komplett übereinstimmen.

Regionalstromtarif in Bayern

Eine weitere Möglichkeit setzen gerade Bürgerenergie Bayern zusammen mit Naturstrom um. Die beiden Partner bieten für ganz Bayern einen Regionalstromtarif an. Der Strom stammt dabei komplett aus Ökokraftwerken im Freistaat, zu einem Viertel sogar aus regionaler Erzeugung, zu einem großen Teil aus Wind- und Solaranlagen. „Dadurch wird die dezentrale Bürger-Energiewende offen für alle: für Genossenschaftsmitglieder, Anwohner von Bürger-Wind- und –Solarparks und nicht zuletzt auch für all jene Stromkunden, die nicht in eine eigene Solaranlage investieren oder sich an einer Genossenschaft beteiligen können“, erklärt Markus Käser, Vorstandsvorsitzender von Bürgerenergie Bayern. „Mit dem gemeinsamen Produkt bieten wir eine transparente und glaubwürdige Alternative zur überwiegenden Mehrzahl der Ökostromtarife, die auf Herkunftsnachweisen für norwegischen Wasserkraftstrom basieren“, ergänzt Thomas E. Banning, Vorstandsvorsitzender von Naturstrom. Die Kundenbetreuung läuft dabei über das Grünstromwerk, das inzwischen ein Tochterunternehmen von Naturstrom ist. Diese Direktvermarktung von Ökostrom in der Region wäre auch für die Stadtwerke ein mögliches Geschäftskonzept, um Kunden zu binden, die keine eigene Solaranlage haben.

Innovative Geschäftsmodelle umsetzen

Doch die Stadtwerke sehen solche Möglichkeiten, an der Energiewende teilzuhaben, zu wenige Erfolgsaussichten. Immerhin sehen zwei Drittel der Stadtwerke Speicherprodukte als erfolgversprechend an. Doch selbst aktiv sind die meisten Stadtwerke vor allem mit dem Thema Energiedienstleistungen für den Kunden. Dabei geht es vor allem um Energiesparberatung. Hohen Stellenwert haben aber auch die Themen neue Stromprodukte. Dabei geht es um neue Tarife, Internet- und Discountprodukte. Auch das Anlagencontracting für Heizungsanlagen steht weit oben auf der Agenda der Stadtwerke. Geschäftsmodelle mit Photovoltaikanlagen für Kunden, Mieterstrommodelle oder Regionalstromtarife stehen weit unten auf der Agenda der Stadtwerke, um sich auch in Zukunft behaupten zu können.

Dabei sehen sich die Stadtwerke technisch, personell und finanziell gut aufgestellt, innovative Geschäftsmodelle auch umzusetzen. Allein es fehlt die Unterstützung aus der Politik. In Berlin ist die Gangart immer noch zu sehr auf die Einbahnstraße vom Versorger zum Kunden geeicht. Zu wenig setzt die Bundesregierung auf den Kunden als aktiven Teil des Strommarktes. Dadurch stellt sie riesige Hürden für die Stadtwerke auf, Geschäftsmodelle mit erneuerbaren Energien auch umzusetzen. Deshalb sehen 71 Prozent der Stadtwerke politischen Rahmenbedingungen als eines der hauptsächlichen Hemmnisse bei der Umsetzung innovativer Geschäftsmodelle an. Die EEG-Novelle im vergangenen Jahr hat Mieterstrommodelle ebenso schwierig gemacht wie die Direktbelieferung von Unternehmen mit Strom.

Mit den Widrigkeiten auseinandersetzen

Aber die Stadtwerke müssen sich mit diesen Widrigkeiten auseinandersetzen. Die Autoren der Studie empfehlen dazu, die politischen und regulatorischen Trends zu nutzen. „Kreativität ist gefragt, nicht nur in technischer Hinsicht, sondern auch in der Neugestaltung der Organisation, des Vertriebs und des Umgangs mit Kunden und Geschäftspartnern“, erklärt Edelmann. Doch um die Innovationsfähigkeit der Stadtwerke ist es offensichtlich nicht gut bestellt, wie die Umfrage ergeben hat. „Jeder dritte befragte Vorstand oder Geschäftsführer eines Stadtwerks hält die fehlende Innovationsfähigkeit für ein generelles Hemmnis bei der Erschließung neuer Geschäftsfelder“, fasst Edelmann das Dilemma zusammen. Nur ein Drittel der Versorger haben ein e ausgeprägte Innovationskultur oder eine Innovationsstrategie. Dabei haben gerade die Stadtwerke einen riesigen Vorteil. Sie sind vor Ort verankert und kennen die Kunden. Sie haben eigentlich auch den Zugang zum Kunden. Nur nutzen sie diesen immer noch zu zögerlich. „Ohne echte Innovationen – ob bei Geschäftsmodellen, Geschäftsprozessen oder Produkten und Services – wird es aber schwierig, die neue Energiewelt zu meistern“, warnt Edelmann. (Sven Ullrich)