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Mensch und Maschine

Sven Ullrich

Es ist längst kein Geheimnis mehr: In vielen Ländern Europas fehlen Fachkräfte. Der Personalmangel geht natürlich auch an der Solarbranche nicht vorbei. Diese steht damit gleich vor zwei Herausforderungen, die sie bewältigen muss und die sich eigentlich widersprechen.

So muss einerseits der Ausbau der Photovoltaik schneller gehen. Andererseits soll dies mit immer weniger Personal möglich sein. Allein die Projektentwicklung und der Bau der Anlagen stellen die Branche vor große personelle Herausforderungen. „Was machen wir mit den restlichen Jahren, in denen die Anlage Strom produziert, in denen sich jemand darum kümmern muss?“, fragt Marion Krassnig, Vertriebsleiterin von Encome, in die Runde der Teilnehmer an der diesjährigen Speicher- und Photovoltaikkonferenz von PV Austria in Wien.

Wir versuchen, mit dem Einsatz von Technologien Zeit und damit Personal ­einzusparen.

Marion Krassnig, Encome Energy ­Performance

Technik muss fehlende Mitarbeiter ersetzen

Encome spürt eine immer größere Nachfrage nach Wartungsdienstleistungen. „Wir haben inzwischen zwei Gigawatt an Anlagenleistung in Europa und Australien im Portfolio, die wir betreuen“, sagt Marion Krassnig. „Dies stellt uns vor sehr große Herausforderungen. Wir brauchen Mitarbeiter:innen, Feldtechniker:innen, Solar-Asset-Manager:innen bis hin zu Unterstützung im Vertrieb und im Marketing.“

Für diese Herausforderung gibt es zwei Strategien, die Marion Krassnig in Wien vorgestellt hat. Einerseits ist es möglich, mehr Mitarbeiter:innen zu suchen. „Aber wir versuchen es andererseits auch mit dem Einsatz von Technologien, um Zeit und damit Personal einzusparen“, sagt die Encome-Vertriebsleiterin.

Roboter übernehmen Sichtprüfung

Dazu arbeitet das Unternehmen aus Klagenfurt schon längst mit einem automatisierten Monitoring. Es sitzen nicht mehr jede Menge Mitarbeiter in der Leitzentrale in Kärnten. Vielmehr liefern die Anlagen ihre Daten, und eine automatisierte Software übernimmt die Auswertung. Nur wenn wirklich etwas an der Anlage nicht stimmt, gibt sie einen Alarm aus. Dann kann ein Mitarbeiter diesem nachgehen. Dazu hat er auch die Möglichkeit des Fernzugriffs. So kann er einige Probleme aus der Zentrale lösen und damit die Einsätze von Handwerkern vor Ort reduzieren.

Das Unternehmen führt inzwischen auch seine Inspektionen mit üppiger technischer Unterstützung durch. Drohnen mit Thermografiekameras scannen Solarmodule der betreuten Anlagen aus der Luft und finden Defekte. Das geht schneller und spart viel Personal. „Wir arbeiten aber auch an neuen Technologien“, erklärt Marion Krassnig. „Dazu gehört auch die Robotik, die bei der Sichtprüfung unterstützen kann. Die künstliche Intelligenz bei der Fehleranalyse und Augmented Reality – AR – zur Fehlerbehebung sind dann die nächsten Schritte.“

Digitale Signale für Komponententausch

Denn einerseits ist es wichtig, eventuelle Fehler mit so wenig Aufwand wie möglich zu finden. Andererseits müssen diese anschließend aber auch behoben werden. „Wir können Techniker beispielsweise mit AR-Brillen zur Anlage schicken und sie aus der Ferne durch einen Spezialisten anleiten“, erklärt Marion Krassnig. „Nicht zuletzt hilft uns in Zukunft vorausschauende Wartung – sogenannte Predictive Maintenance – dabei, bestimmte Fehlermuster frühzeitig zu erkennen und die Wartung entsprechend zu planen.“

Mit solchen Ansätzen wird es beispielsweise möglich, den Ausfall eines Wechselrichters anhand seiner Performance frühzeitig zu erkennen. Dann ist das Austauschgerät schon am Lager, wenn der Inverter ausfallen sollte. Dies ist nur ein Beispiel für neue Technologien, die schon verfügbar sind und sich jetzt auch in der Photovoltaik nach und nach durchsetzen.

Elektrolumineszenzaufnahmen

So arbeitet Andreas Fladung mit seinem Unternehmen Aerial PV Inspection schon seit vielen Jahren daran, die Fehlersuche zu automatisieren und damit den personellen und finanziellen Aufwand zu minimieren. Er hat gleich zwei Möglichkeiten entwickelt, direkt vor Ort Elektrolumineszenzaufnahmen von Modulen anzufertigen, ohne diese abbauen zu müssen. Bei einer Variante arbeitet er mit Drohnen, die speziell für die Elektrolumineszenz umgebaute Kameras tragen.

Die andere Variante ist ein Stativ, das wie eine Hülle über gleich vier Module der Anlage gesetzt wird. Damit kann Andreas Fladung ebenfalls Elektrolumineszenzaufnahmen machen. Sind die Aufnahmen dieser Module im Kasten, wird das Air Slide One wie ein Schlitten über die nächsten Module in der Reihe geschoben. Um die notwendige Licht­emission durch die Module zu erreichen, bestromt Andreas Fladung die jeweiligen Strings mit einem speziell entwickelten Gerät.

Messung mit digitalem Zwilling

Mit dem Anfertigen der Aufnahmen ist es jedoch nicht getan. Ebenfalls aufwendig ist das Auswerten der Bilder. Diese Aufgabe und die Kategorisierung der Modulfehler übernimmt bei Andreas Fladung längst die künstliche Intelligenz. Inzwischen arbeitet er an der Nutzung von digitalen dreidimensionalen Zwillingen, um verschiedene bildgebende Messverfahren übersichtlich für Solaranlagen aller Größen nutzen zu können. Denn bisher sind sein Feld große Solarparks auf der freien Fläche und große Dachanlagen im Gewerbe.

Mit dem digitalen Zwilling kann Fladung einzelne System- und Moduldaten sammeln und zusammenführen, die bisher meist umständlich selektiert, abgeglichen und analysiert wurden. Mit dem digitalen Nachbau der Solaranlage kann sogar der Anlagenbetreiber mittels interaktiver Begehung die Module jederzeit selbst untersuchen. Dabei muss die Visualisierung hochauflösend, grafisch ansprechend und ohne Vorkenntnisse bedienbar sein, steht im Lastenheft der Entwicklung bei Andreas Fladung. Zudem sollte es möglich sein, verschiedene Bereiche und Ebenen der Anlage während der virtuellen Inspektion interaktiv ein- und auszublenden.

Für größere Objekte nutzen wir eine weitere Technologie, die Echtzeit­kinematik, um noch deutlich genauere Modelle zu erstellen.

Thomas Bücheler, Airteam

Aufmaß in fünf Minuten

Mit der Drohne ist auch das Airteam beziehungsweise seine Kunden unterwegs, um die Planung einer Anlage zu beschleunigen. Die an den Fluggeräten angebrachten Kameras nehmen die zu planenden Flächen detailgenau und aus unterschiedlichen Perspektiven auf. „Das dauert bei einem Einfamilienhaus nicht länger als fünf Minuten“, sagt Thomas Bücheler, Geschäftsführer von Airteam.

Aus den aufgenommenen Daten entsteht danach am Computer ein dreidimensionales Modell des Daches und des Gebäudes. Da die Bilder mit GPS-Daten verknüpft sind, kennt der Computer die Abstände der einzelnen Bilder zueinander und die Position im Raum.

Daraus kann er das gesamte Gebäude konstruieren. „Zur Erstellung des 3D-Modells, nach der Aufnahme der Bilder mit der Drohne, haben wir Computeralgorithmen entwickelt, die auf dem Dach alle Stör- und Verschattungselemente wie Schornsteine, Lüftungsrohre, Dachfenster genauso erkennen wie Dachkanten“, erklärt Thomas Bücheler. Auf diese Weise bekommt der Planer sehr präzise Informationen, in welchen Bereichen er ein Photovoltaikmodul einplanen kann – inklusive Verschattungsanalyse.

Genaue Gebäudemodelle erstellen

Photogrammetrie nennt sich das Prinzip, das für die Erstellung des dreidimensionalen Modells genutzt wird. Dabei werden zeitversetzt Bilder aufgenommen und diese später am Computer überlappend zusammengefügt. „Für größere Objekte nutzen wir eine weitere Technologie, die Echtzeitkinematik, um noch deutlich genauere Modelle zu erstellen. Damit erreichen wir eine Datengenauigkeit von bis zu einem Zentimeter“, erklärt Thomas Bücheler.

Es ist aber vor allem der Automatisierungsgrad, der solche Technologien für die Solarbranche interessant macht. Denn er spart nicht nur viel Geld, sondern bindet auch weniger Personal, das dann nicht gesucht werden muss.

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