Ob Image-fördernde Absicht oder nicht: Das Internetportal des Konsortiums Elican (Elisa) zeigt die selbstinstallierende Fünf-Megawatt-Turbine im Mittelmeer in einer grafischen Darstellung zunächst in der Anmutung einer griechischen Tempelsäule. Doch was dort vor dem gezeichneten Panorama einer typischen gebirgigen Mittelmeerküste so verspielt antikisierend aus dem virtuellen Meer ragt ist eine technologische Revolution. Die vom Forschungsprogramm Horizon 2020 der Europäischen Union (EU) geförderte Windturbinen-Unterwasserfundament-Kombination bekommt Mittel aus einem Budget von 17 Millionen Euro. Denn sie soll nicht weniger, als die gewohnte Gründung von Offshore-Windenergieanlagen auf in den Boden gerammten Mono-Stahlzylindern, Monopiles, möglicherweise über den Haufen werfen. Äußerlich ist davon nur einer von mehreren Aspekten zu erkennen: So steht der jetzt im Hafen Arinaga der spanischen Atlantik-Insel Gran Canaria vertäute Prototyp auf einem eckigen Betonturm statt wie in der herkömmlichen Windkraft gewohnt auf einem runden Stahlzylinder.
Darüber hinaus aber handelt es sich beim Elican-Turm um ein dreigliedriges Teleskop. Drei Turmteile stecken ineinander auf einer schwimmenden Plattform, die Schiffe Ende Mai mitsamt Turbinen-Konstrukt ins Meer hinausziehen sollen. Am geplanten Standort etwas weiter vor der Insel wird sich zunächst die eckige Fußsäule mitsamt der Schwimmplattform auf den Meeresboden hinabschieben und ein oberhalb der Meeresoberfläche verbleibendes Turmsegment im Wortsinne freischälen. Flutkammern in der vormaligen Schwimm-Plattform laufen dort mit Wasser voll und lassen aus ihr ein Schwerlastfundament werden. Danach schiebt sich der bisher verborgene zylinderförmige runde Mittelteil des Betonturms aus dem untersten Turmsegment in die Höhe. Darüber heben sich das oberste Teleskopteil sowie das Windturbinen-Maschinenhaus mitsamt Rotor ebenfalls in ihre finale Höhe.
Acht Jahre lang hatte das hinter der Innovation stehende spanische Ingenieurunternehmen Esteyeco die Technologie vorausentwickelt. Dem zwischenzeitlich entstandenen Konsortium gehören das deutsche Ingenieurberatungsunternehmen Dewi, ein Schwerlast-Dienstleister und das zu Siemens Gamesa gehörende ehemalige deutsch-spanische Joint-Venture Adwen an.
Ausgerechnet im bisher in der Branche in Sachen Windenergie-Technologie gewissermaßen unsichtbaren Inselstaat Malta wollen derweil Forscher die Speicherkosten für Strom aus Offshore-Windparks drastisch senken. In der Bucht Grand Harbour im Nordosten der Insel errichtete ein Team der Universität des kleinen Landes zusammen mit einem mit der Fertigung beauftragten örtlichen Unternehmen schon Ende 2017 einen Prototyp. Die für schwimmende Windparks geplante Speichereinheit besteht aus einem am Meeresboden zu verankernden Speicherbehälter und einer schwimmenden Steuerungseinheit. Der Speicher wiederum ist ein Zweikammern-System, in dem sich Druckluft und zusammengepresstes Meerwasser ausbalancieren. Die Druckluft soll den sonst in herkömmlichen Meerwasserpresssystemen von der Meerestiefe abhängigen Druck als Gegenkraft regulieren. Mit überschüssigem Strom kann die Turbine den Druck im Speicher aufrechterhalten oder neu auffüllen. Weht im Offshore-Windfeld dagegen zu wenig Wind für die Stromproduktion, lässt der Speicher das unter Druck stehende Wasser durch eine Turbine schießen und diese dabei Strom für den Export an Land erzeugen.
Die maltekischen Erfinder der Flasc genannten Technologie rechnen im Vergleich zu einem traditionellen Konzept in Gestalt von Lithium-Ionen-Batterien mit einer zehnprozentigen Kostensenkung. 12,6 Cent pro Kilowattstunde (kWh) kostet die Stromproduktion der Speichereinheit gerechnet auf ihre Laufzeit laut den Entwicklern, die ansonsten nicht gebrauchten Meereswindstrom für die Stromversorgung nutzbar macht.
Derweil wollen die dänisch-britischen Ingenieure des Unternehmens LIC den bisher kostenintensiven Korrosionsschutz der Unterkonstruktionen der Meereswindturbinen mit Anoden durch eine wesentlich billigere und umweltfreundlichere Spray-Schutzschicht ersetzen. Prinzip ist eine thermische Spray-Technologie für eine Aluminiumschutzschicht der Unterwasserfundamente mit dem Kürzel TSA.
Die bisherige Rostschutzvorrichtung für die in den Seeboden gerammten Fundamente der Windenergieanlagen im Meer setzt nämlich wesentlich auf eine sogenannte Opfer-Anode aus beispielsweise Aluminium. Solche Anoden nehmen dabei die Elektronen auf, die infolge einer chemischen Reaktion zwischen Meerwasser und dem Stahl der Fundamente entstehen und das Rosten der Unterwasserkonstruktionen in Gang setzen oder beschleunigen. Ersatzweise löst sich die aus einem Metallklumpen – oft: Aluminiumklumpen – bestehende Anode dabei anstelle des Fundamentstahls auf – und opfert sich im wörtlichen Sinne anstelle des Fundamentmaterials.
Die neue Spray-Technologie soll stattdessen das gesamte Fundament zu einer Riesen-Anode werden lassen, die Elektronen somit aufnimmt und eine Selbstheilung des Oberflächenschutzes der Fundamente gewährleistet. Wie das genau funktioniert, darüber geben LIC und die mit den Ingenieuren in einem Konsortium namens Crown für das Projekt zusammengeschlossenen Unternehmen bisher keine exakte Auskunft. Als Ziel geben die Entwickler jedoch an, die Kosten für den aufwändigen, weil oft nur durch Taucher instand zu haltenden elektrischen Kontakt der Anode zum Stahlfundament zu sparen. Außerdem wollen sie die Zersetzung von Aluminium und dessen für die Natur möglicherweise schädliche Freisetzung in das Ökosystem des Meeres reduzieren.
(Tilman Weber)