Das „Klimaschutz-Sofortprogramm“, für das die beiden Grünen-Vorsitzenden Annalena Baerbock, zugleich Kanzlerkandidatin ihre Partei, und Robert Habeck verantwortlich zeichnen, haben Autorin und Autor selbst in zehn zentrale Forderungen gegliedert: Erneuerbare Energien schneller ausbauen, Kohlausstieg auf 2030 vorziehen, Wirtschaft und Industrie auf Klimaneutralität ausrichten, Klimaoffensive bei Gebäuden und im Bausektor starten, Mobilitätswende beschleunigen, Grünen Wasserstoff stärken, Klimaschutz, Natur und Landwirtschaft zusammenbringen, Klimaschutz sozial gerecht gestalten, den Haushalt zum Klimahaushalt machen – und die EU zur Klimavorreiterin machen – Klimaaußenpolitik vorantreiben.
Die auf sechs Textseiten untergebrachten zehn Punkte sind teils sehr konkret, teils weniger, und zielen darauf ab, die gesamte Klimapolitik abzudecken.
Aus Sicht der Energiewende und der Erneuerbare-Energien-Branche wäre allerdings eine andere Gliederung aufschlussreicher dafür, was das Programm ihr bringt:
1.) Veto-Recht und Task-Force: Maximale Dominanz
Gleich vom Start der neuen Regierung weg, vor allem auch in den ersten 100 Tagen einer neuen Regierung nach der Bundestagswahl soll maximaler Druck auf die Handelnden zu einer entschiedenen Klimaschutz- und Energiewendepolitik entstehen. So soll eine Task-Force der Regierung im Wochenrhythmus tagen, wobei das neu zu schaffende Klimaschutzministerium den Hut aufhaben soll. Diess soll zudem zu jedem Gesetzentwurf, der nicht „Paris-konform“, also konform mit dem Ziel einer Begrenzung der Erderwärmung auf weniger als zwei Grad Celsius und so nah wie möglich an 1,5 Grad Celsius. Welche Zuständigkeiten außer dem Klima dieses Ministerium haben soll und welches Ministerium für die Energiewende zuständig sein wird, definiert das Programm nicht. Auf jeden Fall soll die neue Regierung „im Kabinett das größte Klimaschutzpaket beschließen, das es jemals gegeben hat“.
2.) Wesentlich höhere Ausbauziele für Windkraft und Photovoltaik
Die Ausbauziele für Photovoltaik (PV) und Windenergie an Land sowie Windenergie auf See müssen gemäß diesem Programmpunkt massiv höher liegen. Schon 2022 peilt das Programm für die PV ein Jahresziel von 12 und für Onshore-Wind von 6 Gigawatt (GW) an. Ob damit schon ein Ausbau in diesem Volumen oder zunächst die Ausschreibungsmenge gemeint sind, lässt das Programm noch offen., die Offshore-Windenergie im Meer bis 2035 schon auf 35 GW ausbauen im Vergleich zu jetzt von der Regierung geplanten 40 GW bis 2040, ein Vorziehen der Netzausbauvorhaben auf 2030 statt der bisherigen Frist 2035 und schließlich
3.) Blockaden beim Windenergieausbau abbauen
Beschleunigen sollen auch ein eigenes Windenergiegenehmigungsrecht mit beschleunigten Verfahren, ein vereinfachtes und bundesweit einheitliches Naturschutzrecht – bei gleichzeitigem Vogel- und Fledermausschutzprogramm, eine Auflösung der Blockade durch Flug- und Radareinrichtungen in kooperativem Austausch mit Bundeswehr und Deutschem Wetterdienst, sowie ein Fonds zur Begleichung der „anfänglichen Kosten für die kleinen Akteure“ und Bürgerinnen und Bürger, um für mehr Akzeptanz der Installationen zu sorgen. Zu den in der Branche besonders heiß und negativ diskutierten Mindestabständen für Projekte zu Siedlungen enthält sich das Programm einer Aussage.
4.) Mindestmaß an Ausbauflächen
Damit der stockende Windenergieausbau an Land wieder in die Gänge kommt, greifen die Grünen die schon vom Bundeswirtschaftsministerium in Aussicht gestellte, dann wieder zurückgenommene Pflicht für die Bundesländer wieder auf, zwei Prozent der Landesfläche für Windparknutzung auszuweisen. Bundesländer können nur davon abweichen, wenn sie ein anderes Bundesland dazu bringen, umso mehr Fläche zusätzlich bei sich auszuweisen.
5.) PV-Pflicht
Eine Solardachpflicht im Gebäudeenergiegesetz soll PV auf Neubauten und auf Gebäuden nach umfangreichen Sanierungen vorschreiben.
6.) Marktwirtschaft
Die Grünen wollen marktwirtschaftliche Regeln dafür wirken lassen, dass die Wirtschaft und die Menschen den Klimaschutz und mit ihr wohl die Energiewende vorantreiben. So soll ein Energiesteuergesetz einen Mindestpreis beim Emissionsrechtehandel ETS in der Europäischen Union von 60 Euro pro Tonne einführen. Heute beträgt dieser zuletzt stark im Handel angestiegene Preis 50 Euro und für nicht im ETS gehandelte CO2-Rechte aus anderen Sektoren als der Stromversorgung 25 Euro. Außerdem ist ein Klimaschutzvertrag mit der Methode Contract for Differences ein gesetzlich neu einzuführendes Instrument. Es soll Firmen dafür bezahlen, dass diese sich auf einen Abbau von Emissionen verpflichten und diesen auch erreichen. Auch Steuererleichterungen Klimaschutzinvestitionen gehören zum Instrumentarium. Außerdem soll es Förderungen für klimafreundliche Baustoffe und für Wärmepumpen geben. Und die CO2-Kosten beim Wohnen soll der Hauseigentümer tragen.
7.) Fossile Energien, gegen alle?
Den Kohleausstieg wollen die Grünen von 2038 auf 2030 vorziehen. Ölheizungen sollen nicht mehr neu in Häuser kommen. Insgesamt erwähnt das Programm Kohle, Öl wie auch Erdgas als fossile Brennstoffe, die gänzlich zu verdrängen seien, jeweils drei Mal. Nukleare Brennstoffe beziehungsweise Atomkraftwerke erwähnt das Programm hingegen nicht – offenbar, weil sie nicht als klimarelevant zu behandeln sein sollen. Daher fehlt auch ein Hinweis, wie künftig mit dem Druck gleich mehrerer EU-Ländern auf die Europäische Union (EU) umzugehen ist, die Atomkraftnutzung als Klimaschutz zu fördern.
8.) Mehr Elektromobilität
Eine Dienstwagenregelung im Einkommenssteuergesetz sowie eine KFZ-Steuer sollen am CO2-Verbrauch orientiert sein, ein Masterplan Ladeinfrastruktur soll den Ausbau der Ladesäulen antreiben.
9.) Wasserstoff, Wasserstoff, Wasserstoff …
Wasserstoff, Wasserstoff, Wasserstoff, Wasserstoff, Wasserstoff, Wasserstoff. So oft kommt das klimaneutrale Energiespeicher- und Treibstoff-Mittel im Programm vor. Autorin und Autor wollen die Zielgröße für die Wasserstoffelektrolyse als Mittel für die Sektorenkopplung von fünf GW auf zehn GW verdoppeln.
10.) Stärkung europäischer Wind- und Solarindustrie – in Allianz mit USA
Die Stärkung europäischer Wind- und Solarindustrie soll ein wichtiges Ziel der Politik in der Europäischen Union (EU) sein, ebenso wie das Verbinden der europäischen Offshore-Windparks mit Stromtransportkabeln. EU, USA und China sollen beim Abbau von CO2-Emissionen weltweit vorangehen, weil sie die größten Emittenten sind. Doch die mit der Energiewende angestrebte wirtschaftliche Neuorientierung soll die EU nur in transatlantischer Partnerschaft erreichen. Die Allianz mit den USA soll zu einem gemeinsamen C02-Emissionsrechthandel und einem Grenzausgleich führen. Wie eine gemeinsame Verpflichtung aller drei größten Emittenten auf den Abbau von Emissionen erfolgen und das gemeinsame Profitieren von dieser Energie- und Klimawende auf nur zwei Akteure beschränkt bleiben kann, erklärt das Programm nicht.
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