Die Energiewende wird nie funktionieren, wenn nicht der Wärme- und Kühlbedarf, der immerhin den größten Teil der Primärenergie verschlingt, nicht erneuerbar abgedeckt wird. Dies kann sowohl durch den direkten Einsatz von erneuerbaren Wärmetechnologien geschehen. Mit dem Einstieg in die Wärme- und Kälteversorgung mit Ökostrom können aber gleich zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen werden: Auf der einen Seite wird die Bereitstellung von Wärme und Kälte erneuerbar. Auf der anderen Seite kann die Umwandlung von Ökostrom in Wärme und Kälte für die Integration immer größerer Mengen an volatil erzeugten Photovoltaik- und Windstrom sorgen. Technologien wie elektrisch betriebene Wärmepumpen, Geothermieanlagen, Elektroheizstäbe oder Elektrodenkessel, aber auch Elektrolyseure zur Herstellung von Wasserstoff, der dann in Brennstoffzellen bei Bedarf wieder in Strom und Wärme umgewandelt wird, werden so zu den größten Flexibilitätsoptionen, um das Gesamtsystem auf erneuerbare Energien umzustellen.
Strom in Form von Wärme speichern
Aus diesem Grund haben sich die Analysten von der Agentur für Erneuerbare Energien (AEE) 32 Studien angesehen, wie sich die beiden Sektoren Strom und Wärme am besten miteinander koppeln lassen und welches Potenzial dabei zu heben ist. Die betrachteten Studien prognostizieren dabei einen sehr unterschiedlichen Verlauf, wie diese sogenannte Sektorenkopplung in der Bundesrepublik vonstatten gehen wird.
Die Autoren der Metaanalyse, die jetzt von der AEE veröffentlicht wurde, haben herausgefunden, dass alle relevanten Studien der vergangenen Jahre zu diesem Thema davon ausgehen, dass die Nutzung von Strom zur Wärme- und Kälteversorgung steigen wird. „Die dafür gebrauchte Strommenge hängt von der Entwicklung des Endenergiebedarfs für Wärme, dem Ausbau anderer erneuerbarer Optionen wie der Solarthermie und dem Anteil von Windenergie und Photovoltaik an der Stromerzeugung ab“, fassen die Analysten der AEE ihre Ergebnisse zusammen.
Stromverbrauch muss nicht unbedingt steigen
Dabei wird nicht notwendigerweise der übermäßig Stromverbrauch steigen, wie dies immer angenommen wird. Voraussetzung ist allerdings, dass alte und ineffiziente Geräte ausgetauscht werden. Wenn dann auch noch bei der Installation neuer Wärmeerzeuger und Klimaanlagen auf Effizienz und Flexibilität der Geräte geachtet wird, bleibt selbst bei der Sektorkopplung der Strombedarf nahezu gleich. Dazu müssen aber üppige Effizienzmaßnahmen umgesetzt werden, um den Bedarf an Wärme drastisch zu senken.
Deshalb sehen die meisten der untersuchten Studien auch den Zubau von Wärmepumpen und Geothermieanlagen ansteigen, da diese aus einer Kilowattstunde Strom bis zu drei Kilowattstunden Wärme produzieren. Allerdings mahnen sie gleichzeitig weitere Forschungsanstrengungen ein, um die Flexibilität der Wärmepumpen zu verbessern, damit sie auch mit dem Stromsektor optimal interagieren können.
Vor allem der Berliner Energieexperte Volker Quaschning von der Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) sieht eine Verdopplung des Stromverbrauchs durch die Sektorkopplung bis 2040. Er sieht eher pessimistisch in die Zukunft, was die Umsetzung von Effizienzmaßnahmen angeht. Dadurch sinkt der Wärmebedarf nicht, der dann mit Ökostrom abgedeckt werden muss. Zudem sieht er nicht, dass die Solarthermie einen üppigen Anteil der Wärmeversorgung übernehmen werden. Ähnlich pessimistisch – oder vielleicht auch realistisch – prognostizieren die Analysten des Fraunhofer IWES die Umsetzung von Effizienzmaßnahmen und damit sehen sie ebenfalls einen drastischen Anstieg des Stromverbrauchs durch die Sektorkopplung.
Wärmeerzeuger sorgen für Flexibilität
Ein zweiter entscheidender Punkt ist die Flexibilität, die elektrische Wärme- und Kälteerzeuger bieten können, um die Erzeugungsspitzen von Windkraft- und Photovoltaikanlagen abzufangen. Andernfalls werden die Strommengen, die durch Abregelung nicht produziert werden, immer weiter steigen. „Ohne neue, flexible Stromverbraucher könnten langfristige je nach Szenarien bis zu 60 Milliarden Kilowattstunden oder neun Prozent der gesamten Erzeugung ungenutzt bleiben“, haben die Autoren der Metaanalyse herausgefunden. Werden die Sektoren Strom, Wärme und Verkehr geschickt miteinander verknüpft, kann die Strommenge, die durch Abregelung der Anlagen verloren geht, auf etwa zwei Prozent der gesamten Stromerzeugung von etwa 800 Milliarden Kilowattstunden begrenzt werden. Das Fraunhofer ISE geht in einer Studie von maximal elf bis 14 Milliarden Kilowattstunden aus, die durch Abregelung verloren gehen.
Anreize für die Verbraucher schaffen
Insgesamt werde die Kopplung zwischen Strom- und Wärmesektor entscheidend für die Umsetzung der Energiewende sein, betont Nils Boenigk, stellvertretender Geschäftsführer der AEE. Er mahnt allerdings mehr Anstrengungen seitens der Politik ein, um die wachsende Lücke zwischen den politischen Zielen für Klimaschutz und der tatsächlichen Entwicklung zu schließen. Neben der energetische Sanierung des Gebäudebestands und dem Ausbau erneuerbarer Wärmetechnologien muss auch die Modernisierung und der Ausbau von Wärmenetzen und -speichern schneller voran kommen. Dazu müssten entsprechende Anreize für Erzeuger und Verbraucher geschaffen werden, betont Boenigk. (Sven Ullrich)