Nicht nur Thesen raushauen, sondern auch Substanz liefern – das wünscht sich manch eine/einer dieser Tage von der Politik. Alles unterliegt dem Wahlkampf. Das Thema Klimaschutz wurde gleich mal als „Böses Kind“ in die Ecke gestellt. Migration ist jetzt das Trendthema. Oder besser: Wie man sie stoppt. Gerade die wirtschaftsnahen Parteien wie Union und FDP sollten es eigentlich besser wissen: Ohne Migration rutschen wir noch tiefer in die ohnehin schon heikle Situation des Fachkräftemangels. Wer soll die Alten pflegen? Seit 1972 wird in Deutschland mehr gestorben als geboren. 40 Prozent der Wähler:innen sind über 60 Jahre.
Wer soll all die Jobs machen, die wenig beliebt sind: Wer will in der Fleischverarbeitung tätig sein? Der Punkt ist: Deutschland braucht die Migration und trotzdem ist es durch gebetsmühlenhaftes Widerholen gelungen, der Bevölkerung zu suggerieren, dass Migration unser Problem ist. Wie ist es dazu gekommen? Die AfD hat den Startschuss gegeben, Union und FDP haben nachgezogen, BSW sowieso. Und auch SPD und Grüne stimmen ein in diesen Chor.
9 Tipps für einen sozialen Klimaschutz
Kandidaten-Check zum Thema Klimaschutz
Dabei weiß eigentlich jeder a) dass wir Fachkräfte brauchen, und b), dass der Planet für die nächsten Generationen mehr als ungemütlich wird, wenn wir bei der anthropogenen Klimaerhitzung nicht entschlossen gegensteuern. In diesem Sinne werfen wir einen näheren Blick in die Analyse der Wahlprogramme, die das Reiner Lemoine Kolleg heute veröffentlicht hat. Die Union steht derzeit bei 31 Prozent, wird also sehr wahrscheinlich künftig eine Rolle spielen.
Unionsparteien (CDU/CSU)
Das Reiner Lemoine Kolleg stellt fest, die Union habe insgesamt ein befriedigendes Programm zur Energiewende. „Tonangebend sind jedoch eine schwache Vision und Ausbau- und Ausstiegsziele. Es zeigen sich gute Ansätze im Bereich Industriewende und Strommarktdesign. Das Wahlprogramm ist befriedigend in den Kriterien Stromnetz und Stabilität, Verkehrsvermeidung und -verlagerung sowie Antriebs- und Treibstoffwende. Schwach präsentieren sich die Maßnahmen im Bereich „Gerechte Energiewende, Wärmewende und Grüner Wasserstoff“. Im Programm finden sich keine Ansätze zu Beteiligung und Teilhabe an der Energiewende.“
VISION ERNEUERBARES ENERGIESYSTEM – Laut RLK gibt es so etwas nicht wirklich bei der Union. „Dieses Wahlprogramm verfolgt geradewegs ein ‚weiter-so‘ bezüglich der erneuerbaren Transformation. Während einige zukunftsfähige Technologien gefördert werden sollen, um ein erneuerbares Netz zu schaffen, wird keine Vision einer nachhaltigen Wirtschaft beschrieben, in der die Energiewende von Vorteil sein wird. Ein holistisches Verständnis der Transformation wird nicht gezeichnet und nachhaltige Politik für einen ausgeglichenen Wohlstand weicht dem Gesetz der Marktmechanismen.“ So das Urteil der Analysten. Und so geht es weiter:
ERNEUERBARE AUSBAU- UND FOSSILE AUSSTIEGSZIELE – Das Programm enthält unzureichende Transformationsziele. Der Ausbau erneuerbarer Energien wird zwar unterstützt, jedoch ohne klare Maßnahmen und staatliche Förderung. Statt eines konsequenten fossilen Ausstiegs setzt sie auf Emissionshandel, technologieoffene Märkte und Investitionen in Kernenergie, inklusive der möglichen Wiederaufnahme abgeschalteter Reaktoren. Damit wird die Energiewende nicht vorangetrieben, sondern fossile und nukleare Optionen im System erhalten.
BETEILIGUNG UND TEILHABE Im Wahlprogramm beschreibt die Union keine Maßnahmen zur Beteiligung und Teilhabe der Öffentlichkeit an der Energiewende.
GERECHTE ENERGIEWENDE In ihrem Wahlprogramm bekennt sich die Union zum Gleichgewicht zwischen Nachhaltigkeit, Generationengerechtigkeit und Wohlstand, und plädiert für internationalen Klimaschutz in Einklang mit Wettbewerbsfähigkeit und sozialer Tragfähigkeit. Günstiger Strom soll durch eine Senkung der Energiesteuern erreicht werden, und die CO2-Bepreisung durch einen Klimabonus ausgeglichen. Eine allgemeine Abzugsfähigkeit von energetischen Sanierungen von der Erbschafts- und Schenkungssteuer sowie die Ablehnung von Strompreiszonen können als kontraproduktiv gewertet werden. Die Schuldenbremse soll beibehalten werden, um folgende Generationen nicht zu belasten, wobei Finanzierungspläne für die Transformation fehlen. Der Strukturwandel als solches wird nicht angesprochen. Die Partei beschreibt kein globales Gerechtigkeitsverständnis.
UMBAU DER INDUSTRIE Ein Bekenntnis zur Transformation der Industrie hin zur Klimaneutralität wird unter unter der Prämisse, den Industriestandort Deutschland nicht zu gefährden, gemacht und wird durch Fördermaßnahmen unterstützt. Es fehlen entscheidende technologische Ansätze und die Einordnung von CCS/CCU für die Industrietransformation ist nicht vollständig.
FLEXIBLES STROMMARKTDESIGN UND ENTGELTE Das Wahlprogramm setzt auf eine Senkung der Strompreise und Netzentgelte. Strompreiszonen werden abgelehnt. Ein neues Strommarktdesign soll Investitionen absichern und Preisstabilität gewährleisten. Durch Smart Meter und Digitalisierung sollen Verbraucher flexibler auf Strompreise reagieren können, um Verbrauch und Kosten zu senken. Zudem wird die Weiterentwicklung der Terminmärkte angestrebt. Insgesamt enthält das Programm fortschrittliche Ansätze, bleibt jedoch vage in der konkreten Umsetzung eines flexiblen Strommarktdesigns.
WÄRMEWENDE Die Union beschreibt in ihrem Wahlprogramm unzureichende Vorschläge bezüglich der Wärmewende. Sie erkennt den steigenden Energiebedarf, setzt aber auf alternative Gase und emissionsarme Heizungen wie Holz und Biomethan statt erneuerbarer Wärme. Ein fossiler Ausstieg fehlt. Sanierungen sollen steuerlich gefördert werden, doch der Fokus liegt auf Neubauten und einem Baukostenmoratorium. Soziale Entlastungen sind durch CO₂-Ausgleich und Steuervorteile geplant, weitere Maßnahmen fehlen. Das Gebäudeenergiegesetz soll abgeschafft werden.
VERKEHRSVERMEIDUNG UND -VERLAGERUNG Im Wahlprogramm spricht sich die Union aus für das Auto, frei wählbare Mobilität und eine barrierefreie Verknüpfung von Individualverkehr und ÖPNV. Sie lehnt Fahrverbote für Innenstädte und ein generelles Tempolimit auf deutschen Autobahnen ab. Sie fordert jedoch auch für eine gute Nahversorgung im ländlichen und städtischen Raum und nennt umfangreiche Maßnahmen für eine Verkehrsverlagerung. So befürwortet sie neue Radwege, Mobilstationen, „Shared Mobility” und den Ausbau des ÖPNVs, mit einem attraktiven Angebot in Stadt und Land. Im Fernverkehr soll die grenzüberschreitende Infrastruktur ausgebaut werden. Der Güterverkehr soll auf Schiene und Wasserstraßen verlagert werden.
ANTRIEBS- UND TREIBSTOFFWENDE In Bezug auf die Antriebs- und Treibstoffwende steht das Wahlprogramm für Technologieoffenheit: Die Elektromobilität wird nicht gegenüber anderen Technologien präferiert und alle klimafreundlichen Antriebstechnologien und Treibstoffe sollen genutzt werden. Die Rücknahme des Verbrennerverbots, eine Überprüfung der Flottengrenzwerte und eine Verhinderung von Strafzahlungen wird gefordert. Dennoch ist das Ziel eines umweltfreundlicheren Verkehrssektors erkennbar. So unterstützt das Wahlprogramm neben der Nutzung klimafreundlicher Kraftstoffe den Ausbau der Ladeinfrastruktur und spricht sich für einen emissionsfreien Lastenverkehr aus.
STROMNETZ UND STABILITÄT Das Wahlprogramm legt einen klaren Fokus auf den Netzausbau und die Sicherstellung der Versorgungssicherheit durch eine Kombination verschiedener Energieträger, darunter Erneuerbare, Gas und Kernkraft. Speichertechnologien werden als wichtiger Bestandteil des Energiesystems betrachtet. Zudem werden Flexibilitätsoptionen wie Smart Meter und Digitalisierung zur besseren Lastverteilung hervorgehoben, um die Systemdienlichkeit zu verbessern. Auch ein Kapazitätsmarkt wird angestrebt. Insgesamt verfolgt das Programm ambitionierte Ansätze zur Stabilität des Stromsystems, jedoch nicht ausschließlich auf Basis erneuerbarer Energien.
FÖRDERUNG VON GRÜNEM WASSERSTOFF Förderung von Grünem Wasserstoff
Das Wasserstoffthema wird nicht hinreichend genau betrachtet. Ausschließlich die Betrachtung der Wasserstoffinfrastruktur erfüllt die wichtigsten Ansprüche und Kriterien. Weder wird die Produktion von grünem Wasserstoff forciert, noch ist eine dezidierte Anwendung für Industrie, Langstreckenverkehr und saisonalem Ausgleich beschrieben. Vorschläge für finanzielle Förderung fehlen.“
Die neue Print-Ausgabe von ERNEUERBARE ENERGIEN ist gerade erschienen. Interessant?
Das, was das RLK hier zu Tage befördert, deckt sich mit den Eindrücken aus dem täglichen Politikgeschäft. Derzeit geht es ausschließlich um die Ansprache potenzieller Wähler:innen – egal wie unrealistische die Aussagen sind, die man dafür machen muss. Ruft man sich in Erinnerung, dass 40 Prozent der Wähler:innen über 60 sind, kann man darauf spekulieren, dass sie die Atomkraft noch als etwas Positives kennengelernt haben, Versorgungssicherheit für alle. Entsprechend kann man bei einigen von ihnen mit einer Rückbesinnung auf Atomkraft sicher punkten. Gleichwohl ändert das nichts an der Tatsache, dass eine Rückkehr zur Atomkraft die teuerste Technologie wäre, die vom Steuerzahler zum überwiegenden Teil gestemmt werden müsste.
AfD – die schlimmste Alternative fürs Klima
Die AfD schneidet bei der Analyse des RLK am schlechtesten ab. Es stellt fest: „AfD hat insgesamt ein ungenügendes bis konträres Programm zur Energiewende. Sowohl Vision als auch Ausbau- und Ausstiegsziele sind ungenügend, da die Transformation als solche abgelehnt wird. Schwache Ansätze werden in den Kriterien Beteiligung und Teilhabe sowie Verkehrsvermeidung und -verlagerung präsentiert. Ungenügend sind die restlichen Bereiche: Gerechte Energiewende, Industriewende, Strommarktdesign, Wärmewende, Antriebs- und Treibstoffwende, Stromnetz und Stabilität, sowie Grüner Wasserstoff.
VISION ERNEUERBARES ENERGIESYSTEM Dieses Wahlprogramm zeichnet ein eindeutig negatives Bild der Energiewende. Zum Schutze der Marktwirtschaft sollen Transformationspläne umgekehrt und das erneuerbare Energiesystem zurück gebaut werden. Eine nachhaltige Wirtschaft wird nicht als erstrebenswert bewertet, sondern fossile Produktionsweisen priorisiert.
ERNEUERBARE AUSBAU- UND FOSSILE AUSSTIEGSZIELE Das Programm lehnt jegliche Ausstiege aus den fossilen Energien ab, möchte die Atomkraft wider wissenschaftlicher Kostenrechnungen wieder hochfahren und spricht sich gegen den Ausbau von Erneuerbaren aus. Zudem plant sie den Austritt aus dem Pariser Abkommen, wodurch sie sich klar gegen internationale Klimaschutzverpflichtungen stellt.
BETEILIGUNG UND TEILHABE Das Wahlprogramm präsentiert ein gemischtes Bild im Hinblick auf Beteiligung und Teilhabe der Öffentlichkeit in der Energiewende. Während ein klares Bekenntnis hierzu fehlt, werden im allgemeinen Formate wie Volksentscheide und -abstimmungen sowie Gesetzesinitiativen aus der Bevölkerung befürwortet. Eine Teilhabe auf individueller Ebene bleibt aus, mit dem einzigen konkreten Vorschlag, Energieerzeugung zum Eigenverbrauch steuer- und abgabenfrei zu halten. Dem gegenüber stehen konkrete Maßnahmen die einer Öffentlichkeitsbeteiligung entgegenstehen: Eine Streichung der Finanzierung für Faktenprüfer sowie die Forderung, dass kein politischer Einfluss von Nichtregierungsorganisationen und Bürgerräten auf die staatliche Willensbildung ausgehen dürfe. Insgesamt wird das Kriterium daher mit schwach bewertet.
GERECHTE ENERGIEWENDE Im Wahlprogramm zweifelt die Partei den menschengemachten Klimawandel an, und lehnt dementsprechend die Transformation als solche ab, was zukünftige Generationen im Bezug auf den Klimawandel gefährdet. Kontraproduktive Maßnahmen umfassen im Speziellen den Abbau der „Ausgaben für Klimarettung“ und der Austritt aus dem Pariser Klimabkommen. Die Bezahlbarkeit von Mobilität soll durch eine Reduzierung der Energiesteuern gewährleistet werden. Da die Partei im Wahlprogramm grundsätzlich die Transformation ablehnt, werden keine Finanzierungspläne genannt, wobei generell die Schuldenbremse eingehalten und die Besteuerung reduziert werden soll. Im internationalen Bereich lehnt die Partei Gerechtigkeitskonzepte ab, und unterstreicht eine Außenpolitik nach deutschen Wirtschaftsinteressen.
UMBAU DER INDUSTRIE Das Programm lehnt Klimaschutz vollständig ab und sieht diesen als Ursache für eine vermeintliche „Deindustrialisierung“. Eine Transformation der Industrie hin zu Klimaneutralität soll verhindert werden. Recyclingtechnologien werden zwar als notwendig erkannt, jedoch nicht weiter forciert. Es existieren keine Förderprogramme zur Transformation der Industrie.“
Im Grunde offenbart das Wahlprogramm in Punkto Energieversorgung eine weltfremde Partei, die in ihrem eigenen Kosmos schwebt, fernab jeglicher Realität. Entsprechend fällt es schwer, sich diese Partei in Regierungsverantwortung vorzustellen. Derzeit wollen jedoch 21 Prozent der Deutschen ihre Stimme der AfD geben. Wer seinen Kindern keine Zukunft wünscht, ist bei dieser Partei richtig aufgehoben. Und wer künftig weniger Mitsprache und Beteiligung an Prozessen haben möchte, ist hier ebenfalls richtig aufgehoben.