Aus Kälte wird Wärme. Das klingt erst einmal paradox und unwirtschaftlich. Doch bei genauer Betrachtung ist es eine naheliegenden Lösung, die Vattenfall zusammen mit Siemens Energy am Potsdamer Platz in Berlin umgesetzt hat.
Quartier mit Kühlung versorgen
Dort steht nämlich eine Kältezentrale. Diese versorgt sei 25 Jahren die Gebäude des Quartiers in der Mitte der Hauptstadt über ein Fernkältenetz mit Kühlung während der heißen Sommertage. Dazu gehören die Hochhäuser am Potsdamer Platz mit ihren etwa 12.000 Büros und über 1.000 Wohnungen genauso wie die kulturellen Einrichtungen wie die Berliner Philharmonie und das Kulturforum. Die Funktionsweise ist relativ einfach. In der Kältezentrale wird Wasser auf eine Temperatur heruntergekühlt, das dann über das Fernkältenetz in die angeschlossenen Gebäude geleitet wird.
Wasser wird heruntergekühlt
Dort kommt es mit einer Temperatur von sechs Grad Celsius an. Es entzieht den Räumen Wärme und erwärmt sich dabei auf etwa zwölf Grad Celsius und fließt zurück zur Kältezentrale. Dort wird in zwei Kühlwasserkreisläufen über Wärmetauscher und Verdichter ein Kältemittel zum Verdampfen gebracht. Bevor das zurückgeflossene Wasser jedoch wieder neu als Kühlwasser zur Verfügung steht, muss es abkühlen. Bisher geschieht dies über Kühltürme. Die Restwärme des Kühlwassers wird dabei an die Umgebung abgegeben.
Abwärme nutzbar machen
Hier setzt die Idee mit der Hochtemperaturwärmepumpe an. Denn diese nutzt die Restwärme aus dem zurückfließenden Kühlwasser als Wärmequelle. Dadurch ist ein effizienter Betrieb der Wärmepumpe möglich. Die Wärmepumpe hebt unter Einsatz von Strom und einem speziellen Kältemittel die Temperatur der Restwärme aus der Kältezentrale auf ein höheres, nutzbares Niveau. „Das spart nebenbei auch noch 120.000 Kubikmeter Kühlwasser ein“, betont Christian Bruch, Vorstandsvorsitzender von Siemens Energy.
120 Grad Celsius fürs Berliner Fernwärmenetz
Die Wärmepumpe erreicht dabei ein Temperaturniveau von 120 Grad Celsius. Die so gewonnene Wärme fließt direkt in das Wärmenetz der Hauptstadt, das von Vattenfall betrieben wird. „Wir liefern für die Kältezentrale eine der weltweit ersten Wärmepumpen, die im Leistungsbereich von acht Megawatt derartig hohe Temperaturen erzeugen kann“, sagt Bruch. „Dafür kommt in der Wärmepumpe ein neuartiges, umweltfreundliches Kältemittel zum Einsatz“, erklärt er.
Kälte und umweltschonende Wärme gleichzeitig erzeugen
Auf diese Weise werde die Hochtemperaturwärmepumpe zur intelligenten Schaltstelle zwischen der Kältezentrale am Potsdamer Platz und dem Berliner Stadtwärmenetz, erklärt Tanja Wielgoß, Vorstandsvorsitzende von Vattenfall Wärme Berlin. „Das banale Prinzip lautet: Wärme aus Kälte. Während das Kältenetz überschüssige Wärme abgibt, wird diese über die Hochtemperaturwärmepumpe konzentriert und in unser Stadtwärmenetz eingespeist. Auf diese Weise steigern wir die Energieeffizienz unserer Kälteanlage und produzieren gleichzeitig umweltschonende Wärme für das angeschlossene Berliner Quartier.“
55 Gigawattstunde Wärme pro Jahr prognostiziert
Denn die neue Wärmepumpe, die voraussichtlich im November dieses Jahres in Betrieb gehen wird, produziert 55 Gigawattstunde Wärme im Jahr. „Damit können im Sommer 30.000 Haushalte mit Warmwasser und im Winter 3.000 Haushalte mit Wärme versorgt werden“, ordnet Wielgoß die Größenordnung ein. „Insgesamt spart die Anlage im Wärmesystem der Stadt im Jahr rund 6.500 Tonnen CO2 ein. Das entspricht 3,2 Millionen Kubikmeter Erdgas.“ Für Christian Bruch von Siemens Energy ist das Pilotprojekt ein wichtiger Meilenstein. „Leistungsstarke Hochtemperaturwärmepumpen werden eine wichtige Rolle in der Energiewende und der Dekarbonisierung der Stadtwärme spielen. Zusammen mit Vattenfall erproben wir hier in Berlin eine solche Lösung erstmals unter Realbedingungen“, betont er. (su)
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