„Trotz der milliardenschweren Ökoenergie-Förderung ist die klimaschädliche Stromproduktion aus Braunkohle 2013 auf den höchsten Wert seit 1990 gestiegen“, schreibt die Nachrichtenagentur DPA, „Renaissance eines Klimakillers“ titelt die WELT. Und Annalena Baerbock, Sprecherin für Klimapolitik bei den Grünen, sagt: „Es kann nicht sein, dass wir über Energiewende reden und gleichzeitig zu den katastrophalen Emissionswerten schmutziger Braunkohle des vergangenen Jahrhunderts zurückkehren.“ Die Quelle, auf die sich alle beziehen, ist die AG Energiebilanzen, auf deren Website allerdings kein Wort zu finden ist von gestiegenen Braunkohleemissionen. Hans-Joachim Ziesing, Mitgeschäftsführer der AG Energiebilanzen und langjähriger Energieexperte, erklärt, warum dort nichts dazu steht: „Tatsächlich sind die Emissionen in der Braunkohleverstromung 2013 gesunken und nicht gestiegen.“ In einer Tabelle auf der Energiebilanzen-Website ist nachzulesen, dass die Braunkohleverstromung zugenommen hat. „Und das ist alles andere als erfreulich und bestimmt nicht der richtige Weg“, sagt Ziesing. „Aber der Primärenergieverbrauch aus Braunkohle ist gesunken, weil eine Reihe alter Kraftwerke durch neue, effizientere Anlagen ersetzt wurden.“ Die Braunkohleemissionen sind entsprechend gesunken, dafür seien allerdings die Emissionen aus Steinkohle gestiegen, sagt der Experte. Das sei der Öffentlichkeit aber wohl bisher entgangen, wundert er sich.
Gabriel sieht kein Ende der Kohlezeit
Fest steht, aufgrund der niedrigen Emissionshandelspreise lohnt sich das Geschäft mit den fossilen Energien wie lange nicht mehr. Und die Stellungnahmen des neuen Energieministers Sigmar Gabriel deuten auf eine alte SPD-Position hin. „Zur Wahrheit gehört auch: Man kann nicht gleichzeitig aus der Atomenergie und der Kohle aussteigen", so der Minister – statt eines klaren Bekenntnisses zur Energiewende und zum Abschied von der Kohle.
Ziesing und Baerbock sind beide der Meinung, dass der Preis für Emissionen steigen muss, damit die Kohle zurück gedrängt wird. Gerade hatte sich die EU durchgerungen, 900 Millionen Emissionszertifikate vorübergehend vom Markt zu nehmen, damit der Preis steigt. „Der Effekt wird gering sein“, prognostiziert Ziesing. „Würde man sie ohne Rückgabe vom Markt nehmen, hätte das schon eher eine positive Wirkung.“ Das dürfte nach seiner Einschätzung aber eine Klagewelle bei der EU-Kommission zur Folge haben. Viele EU-Länder seien zufrieden mit den niedrigen Zertifikatspreisen.
Strengere EU-Klimaziele
Ein anderer Weg sei die Anpassung der EU-Klimaziele. Für eine Verschärfung der Ziele bis 2020 sieht Ziesing zu viel Widerstand. „Aber vielleicht gelingt es, die Ziele bis 2030 zu verschärfen“, sagt er. „Wir brauchen als Waffe gegen die Emissionen ein Instrument, das wirklich ein scharfes Schwert ist“, so Baerbock. Die Grünen fordern eine Untergrenze der Zertifikatspreise von 15 Euro sowie eine weitere Reduzierung der Zertifikatsmenge. Die Europafraktion der Grünen habe bereits ihre Vorstellungen im Europaparlament eingebracht. Nach Meinung der Klimapolitikerin Baerbock müsse nun über die Mitgliedstaaten und über das EU-Parlament Handlungsdruck aufgebaut werden. Umwelt- und Energieausschuss des EU-Parlaments haben sich in ihrem Initiativbericht gerade gemeinsam für ein Wachstum der Energieerzeugung aus erneuerbaren Quellen ausgesprochen und damit die Kommission aufgefordert, in ihrem anstehenden Weißbuch ambitionierte Ziele zu verfolgen.
Mit etwas Kreativität lässt sich viel erreichen, wie dies Beispiel zeigt: Das Bundesumweltministerium fördert ein innovatives Projekt der Agrarfrost GmbH amp; Co. KG mit rund 760.000 Euro aus dem Umweltinnovationsprogramm. Das Unternehmen investiert an seinem Standort in Oschersleben (Sachsen-Anhalt) in ein neues Konzept, um aus verschiedenen Produktionsprozessen Abwärme zurückzugewinnen und an anderer Stelle wieder einzuspeisen. Damit kann der Verbrauch an thermischer Energie um rund 46,6 Millionen Kilowattstunden sowie der Stromverbrauch um rund 632.500 Kilowattstunden pro Jahr reduziert werden. Damit werden rund 13.200 Tonnen Kohlendioxidemissionen jährlich vermieden. (Nicole Weinhold)