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Kommentar

Katherina Reiche wird Wirtschaftsministerin: Was nun?

Die CDU hat ihre sieben der insgesamt 17 Ministerposten der kommenden Bundesregierung bekannt gegeben. Der stellvertretende CDU/CSU-Fraktionschef Johann Wadephul ist als neuer Außenminister vorgesehen, das neue Ministerium für Digitales und Staatsmodernisierung soll der Vorstandsvorsitzender der Mediamarkt-Saturn-Gruppe Karsten Wildberger übernehmen und künftiger Verkehrsminister wird der CDU-Bundestagsabgeordnete Patrick Schnieder. Damit mischen sich in das Kabinett von Friedrich Merz neben bekannten Namen aus Politik und Wirtschaft auch bundesweit recht unbeschriebene Blätter wie die künftige Gesundheitsministerin Nina Warken. Besonders interessant wird es bei der Besetzung des Wirtschaftsministeriums. Mit Katherina Reiche übernimmt die Vorstandsvorsitzende von Westenergie, einer Tochterfirma von Eon, das Amt von Robert Habeck, die unter anderem auch Vorsitzende des Nationalen Wasserstoffrates der Bundesregierung ist. Ein Signal, dass die Transformation des Energiesystems weiterhin eines der Topthemen für die Wirtschaft bleiben soll?

Erst Politik, dann Wirtschaft, jetzt Wirtschaftsministerium  

Die einfache Antwort auf die gestellte Frage ist natürlich Ja. Denn der Ausbau der erneuerbaren Energien und die übergreifenden Themen der Energiewende müssen ganz oben auf der Aufgabenliste der nächsten Regierung stehen. Dennoch fällt auf, dass Reiche in der Energiewirtschaft verankert ist und nicht aus einer anderen Branche kommt. Generalsekretär Carsten Linnemann wäre sicherlich ein Beispiel gewesen, den die Journalistinnen Susanne Götze und Annika Joers als Teil des Bermuda-Dreiecks der Energiewende benannt haben. Katherina Reiche macht dagegen einen soliden Eindruck, was bei diesem Vergleich nicht unbedingt schwer fällt.

Von 1998 bis 2015 war sie Mitglied des Deutschen Bundestages, von 2005 bis 2009 eine der stellvertretenden Vorsitzenden der CDU/CSU-Bundestagsfraktion und von 2009 bis 2013 parlamentarische Staatssekretärin beim Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit. Alles deutet auf eine politische Karriere hin, die sich auf die Zugehörigkeit im Bundestag fokussiert. Bis Reiche am 4. September 2015 auf ihr Bundestagsmandat verzichtet, weil sie bereits im Februar des Jahres Hauptgeschäftsführerin des Verbandes kommunaler Unternehmen (VKU) gewählt wurde. Dort vertrat sie bis 2019 die Positionen von Interessen von Stadtwerken und der kommunalen Wirtschaft. Seitdem ist sie Vorstandsvorsitzende des Energiedienstleisters und Infrastrukturanbieters Westenergie, einem Tochterunternehmen von Eon. Zusätzlich ist Reiche Vorsitzende im Nationalen Wasserstoffrat und Mitglied des Aufsichtsrats im Mobilitätsunternehmen Schaeffler. Außerdem gab das schwedische Energieunternehmen Ingrid Capacity bekannt, sie in sein Board of Directors aufgenommen zu haben, vermeldet das Handelsblatt am Freitag, dem 25.04.2025.

Die Laufbahn der zukünftigen Wirtschaftsministerin erweckt den Eindruck, dass sie sich nicht nur in ihren politischen Positionen, sondern auch in der Lobbyarbeit immer mehr der CDU-Linie angepasst hat. Vorbild in der Partei kann natürlich Bundesvorsitzender Friedrich Merz sein, der nach zwischenzeitlichem Scheitern in der Politik sich von 2009 bis 2021 auf Positionen in zahlreichen Aufsichts- und Verwaltungsräten konzentrierte. Im Gegensatz zu Merz sind die Unternehmen, in denen Reiche sich engagiert, zumindest in Teilen an der Energiewende interessiert. Was kann also aus den bisherigen Positionen herausgelesen werden?

Wasserstoff braucht politische Leitplanken, aber auch Atomenergie? 

Neben einer positiven Einstellung zu erneuerbaren Energien hat sich Reiche bisher verstärkt zu den Themen Wasserstoff und Kernenergie geäußert. „Damit unser Land im internationalen Wettbewerb bestehen kann, braucht es jetzt klare politische Leitplanken, verlässliche Investitionsbedingungen und vor allem Tempo in der Umsetzung“, sagte Katherina Reiche beim Startschuss für das Wasserstoff-Infrastruktur-Projekt HydroNet Sauerland Anfang April. Das vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) geförderte Modellvorhaben wird von Westenergie betreut und soll exemplarisch zeigen, wie sich eine Wasserstoffwirtschaft in bestehende industrielle Strukturen integrieren lässt. Nach diesen politischen Leitplanken und Investitionsbedingungen sehnt sich die Branche schon lange. Das sollte die kommende Wirtschaftsministerin in ihrer Position im nationalen Wasserstoffrat gelernt haben. Wenn es um konkrete Maßnahmen geht, dann wird sie Förderprogramme nicht umgehen können. Dafür sollten die Klimaanteile des Investitionsfonds aber bereitstehen. Ob sie es schafft, aus grünem Wasserstoff über die Legislaturperiode ein wirklich wirtschaftliches Thema zu machen, bleibt dennoch sehr fraglich. 

Der Bundesverband Erneuerbare Energie äußert sich in Person von Präsidentin Simone Peter positiv über die Nachfolgerin von Robert Habeck: „Mit Katherina Reiche besetzt eine ausgewiesene Energieexpertin und -praktikerin die Position der Wirtschafts- und Energieministerin. Ihr sind die kommunalen Belange ebenso bekannt und wichtig wie die überregionalen Herausforderungen der  Energiewende. Wir begrüßen ihre klaren Bekenntnisse zu den  Erneuerbaren Energien und deren zentraler Rolle für eine sichere Energieversorgung.“

Wichtig für alle Bereiche der Energiewende wird sein, dass sich die Bundesregierung einig ist, mit welchen Technologien und Maßnahmen der Umbau angegangen werden soll. Dafür ist es wichtig, endlich keine Zeit mehr in die Kernenergie zu verschwenden. "Wenn europäische Länder den Neubau planen, kann Deutschland nicht abseits stehen", äußerte sich Reiche noch 2019 gegenüber der "Bild am Sonntag". Auch der bayrische Ministerpräsident Markus Söder positionierte in diesem Wahlkampf die Schwesterpartei als der Atomenergie offen gegenüber, bis selbst Robert Habeck an der vom Autoren Marc-Uwe Kling ausgerufenen Söder-Challenge teilnahm, um aufzuzeigen, dass ein Bau von Atomkraftwerken utopisch ist. Die Teilnahme an Vorhaben, die damit wenig zu tun haben, lässt hoffen, dass Katherina Reiche in manchen Positionen von der strikten CDU-Linie abweichen könnte. Die Unternehmen, in denen sie derzeit Positionen bekleidet, arbeiten in lösungsorientierten Bereichen der Energiewende. Dies lässt zumindest ein wenig Hoffnung für die Rolle der Wirtschaftsministerin in der schwarz-roten Regierung aufkommen.