In Berlin begann heute die fünfte internationale Konferenz zur „Integration von erneuerbaren Energien und verteilten Energiequellen“. Rund 250 Experten aus rund 20 Ländern waren angereist, um den Netzumbau für erneuerbare Energien zu diskutieren. „Hier treffen sich wichtige Akteure der Branche: Netzbetreiber, Energieversorger oder Energieagenturen“, sagte Bernd Porzelius vom Ostbayerischen Technologietransfer-Institut. OTTI organisiert diese Tagung, die erstmals in Deutschland stattfindet und vom Bundesumweltministerium unterstützt wird.
Vollversorgung ist möglich
Am ersten Konferenztag wurde deutlich, dass die erneuerbaren Energien die Stromnetze stabilisieren und die Versorgungssicherheit erhöhen. „Die Frage lautet: Kann Deutschland seinen Strombedarf vollständig aus erneuerbaren Energien decken“, sagte Philipp Strauss, Leiter der Abteilung für Netzintegration am Fraunhofer-Institut für Windenergie und Energiesysteme (IWES). Er ist der wissenschaftliche Leiter der Konferenz. „Die Antwort lautet: Ja, das können wir. Die Frage ist nur, zu welchen Kosten.“ Der Kasseler Wissenschaftler bezeichnete den erforderlichen Aufwand zum Umbau der Stromnetze als „langfristige Investitionen, die sich über die Jahre bezahlt machen“. Deutschland profitiere nicht nur durch sinkende Strompreise von Windstrom und Sonnenkraft, sondern vor allem durch eingesparte Importe, die der deutschen Wirtschaft zunehmend zu schaffen machen. „Die Preise für Gas, Kohle und Öl werden steigen“, sagte Strauss. „Sonne und Wind verursachen keine Brennstoffkosten.“ Er wies auch darauf hin, dass die erneuerbaren Energien das Stromnetz stabilisieren.
Kein Grund zur Verunsicherung
Bisher argumentieren die großen Energieversorger in Deutschland, dass die erneuerbaren Energien die Stromversorgung destabilisieren. Sie malen den grünen Teufel an die Wand. „Viele kleine, dezentrale Generatoren können die Stabilität des Stromnetzes sogar verbessern“, sagte dagegen Philipp Strauss. „Fällt einer aus, erzeugen die anderen weiter Strom.“ Der Ausfall eines Großkraftwerkes hingegen falle viel schwerer ins Gewicht. Er verwies darauf, dass der Ausbau des Verteilnetzes – also der Niederspannung- und der Mittelspannungsebene, erhebliche Einsparungen von „Milliarden Euro“ bei den geplanten Hochspannungstrassen bringen könnte.
Standards und Vorgaben aus der Politik
Dass die erneuerbaren Energien die Stromnetze stabilisieren, bestätigte Abraham Ellis von den Sandia National Laboratories in Albuquerque im US-Bundesstaat Neumexiko. Er ist Experte für die Integration von Sonnenstrom ins Versorgungsnetz und gleichfalls im Leitungskomitee der Konferenz tätig. Superstorm Sandy hatte erst vor wenigen Tagen gezeigt, wie robust die Windräder und Solaranlagen gegen extreme Witterungen sind. „Im Südwesten der USA bauen wir derzeit riesige Solarfelder auf“, analysierte er die Situation in den Vereinigten Staaten. „Im Mittelwesten drehen sich vor allem Windräder. Technisch gesehen, ist ihre Integration in die Stromnetze machbar. Was wir brauchen, sind geeignete Standards zur Netzsteuerung und politische Regularien.“ Er stellte in Aussicht, dass die neuen Standards zur Netzsteuerung in einem beschleunigten Verfahren erarbeitet werden. Das Netz in den USA läuft mit 60 Hertz. Auch dort wird die Frequenz zur Regelung der Stromerzeugung benutzt, ähnlich der 50-Hertz-Problematik in Deutschland.
USA holen auf
In den USA verlief der Ausbau des Grünstroms zunächst schleppend, nun nimmt er Fahrt auf. Bis Ende 2012 sind in den Staaten rund 4,5 Gigawatt Photovoltaik, davon 3,2 Gigawatt allein in diesem Jahr. Insgesamt 52 Gigawatt stammen aus Windkraft, das entspricht rund 3,3 Prozent des Stromverbrauchs in den USA. „Wir wollen bis 2020 rund 20 Prozent unseres Stroms aus Wind und Sonne decken. Das werden wir schaffen, denn der Zubau wächst sehr schnell“, urteilte Ellis. In den USA gibt es schon Solarparks, die 300 Megawatt leisten. „Derzeit in der Planung befinden sich gigantische Kraftwerke mit 500 oder 700 Megawatt Solarleistung“, rechnete Ellis vor. „Der Preisverfall bei der Photovoltaik wird diesen Trend beschleunigen. Auch auf den Dächern verbreitet sich diese Technik immer mehr.“ (Heiko Schwarzburger)