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Wechsel von zeitbezogener in mengenbasierte Sicherung

Nicole Weinhold

Gelingt uns die Transformation des Energiesystems? Matthias Stark, Experte für regenerative Energiesysteme beim Bundesverband Erneuerbare Energie (BEE) sieht Deutschland auf einem guten Weg, verweist allerdings auch auf einige Baustellen.

Sind wir auf einem stabilen Kurs beim Strommarktdesign?

Matthias Stark: Die Politik hat verstanden, dass es ein neues Marktdesign braucht. Die Ampel hat dafür die Plattform klimaneutrales Stromsystem eingesetzt und dort Teilaspekte diskutieren lassen. Am Ende stand in diesem August ein Optionenpapier zur künftigen Finanzierung des Zubaus der Erneuerbaren. Hier hatten wir viel Kritik im Einzelnen. Grundsätzlich sind wir uns aber mit der Bundesregierung einig: Ein neues Marktdesign ist erforderlich, um die Gesamtkosten des Systems zu stabilisieren und ausreichend Anreize für die dringend erforderlichen Investitionen zu schaffen. Nur schwer zu verstehen ist, dass der Paragraph 51 EEG nicht stärker in den Blick genommen wird. Nach diesem erhalten Betreiber bei negativen Strompreisen 2025 keine Vergütung mehr. Als Bundesverband Erneuerbare Energie haben wir seit mehreren Jahren darauf hingewiesen, dass eine Umstellung von einer zeitbezogenen Förderung in eine mengenbasierte Absicherung das Problem und zugleich den Verfall der Marktwerte für die erneuerbare Energien lösen kann. Der Ausfall, der durch den §51 EEG entsteht, liegt 2024 im Windbereich bei etwa sieben Prozent, in der Photovoltaik voraussichtlich bei 16 Prozent der Jahresenergiemenge. Dies gefährdet die Wirtschaftlichkeit der Projekte. Gleichzeitig sinken die Marktwerte generell, was wiederum die EEG-Differenzkosten steigen lässt, die aus dem Bundeshaushalt bestritten werden. Beiden Entwicklungen ließe sich mit der von uns vorgeschlagenen Reform des Strommarktdesign begegnen.

16 Prozent des Photovoltaikstroms wären 2024 durch negative Strompreise aus der Vergütung gefallen, hätte Paragraph 51 schon gegolten. Diese Gefahr ist zu klären.

Was genau bedeutet die Nichtvergütung für die Projekte?

Matthias Stark: Paragraf 51 entzieht den Betreibern nach und nach die betriebswirtschaftliche Grundlage. Nehmen wir folgendes fiktives Beispiel an: Sie haben einen PV-Anlagenpark mit etwa 1.000 Volllaststunden im Jahr und mit einer EEG-Vergütung von fünf Cent. Weil aber die Zeiten mit negativen Preisen an der Börse zunehmen und damit vermehrt auch Ihre Vergütung wegfällt, haben Sie nur 840 Volllaststunden tatsächlich bezahlt bekommen. Das ist ein Problem. Und dieses Problem wird immer drängender, denn die Zeiten mit negativen Strompreisen nehmen weiter zu.

Wird dadurch der künftige Ausbau gefährdet?

Matthias Stark: Es belastet Neuprojekte, betrifft allerdings auch den Bestand. Wenn sich gesetzlich nichts ändert, werden Investitionen erschwert und blockiert, da die finanziellen Risiken zu groß werden. Der BEE hat 2022 in einer umfangreichen Studie zur Reform des Strommarktdesigns gezeigt, dass die Ursache der Entwicklung in fehlenden Flexibilitäten liegt. Der starke Zubau Erneuerbarer muss mit dem Zubau von Flexibilitäten einhergehen: also Speichern, Elektrolyseuren etc.

Das geplante Förderregime mit der bisher unerprobten CfD-Variante scheint die Betreiber im Gegensatz zum gängigen CfD nicht zu schützen.

Matthias Stark: Sie sprechen das Optionenpapier des BMWK an. Hier gibt es zwei Wege: Weiterentwicklung des bisherigen EEG-Rahmens durch Implementierung eines von der EU geforderten CfD. Dies halten wir für eine sinnvolle Möglichkeit, weil dieser Weg an bekanntem anknüpfen würde. Allerdings hat das BMWK seinen Fokus auf ein neues Modell gesetzt, mit einem produktionsunabhängigen CfD, der auf fiktive Marktwerte abstellt. Der monatliche Marktwert ist ein Durchschnittswert. Mathematisch müssen also 50 Prozent aller Anlagen diesen unterschreiten. Das heißt, 50 Prozent der Energiemengen können den Marktwert gar nicht erreichen. Das führt zu teilweise extremen Unterschreitungen, was wir inzwischen entlang realer Daten aus der Vergangenheit nachgewiesen haben. Ein solcher CfD hätte zudem deutliche Auswirkungen auf andere Märkte, zum Beispiel PPAs, Terminmarkt oder auch Bürgerstromprojekte.

Warum hat dieser Contract for Difference diese Auswirkung?

Matthias Stark: Wenn man zum Beispiel einen PPA-Vertrag abschließt, definiert man einen fixen Preis für eine Strommenge über einen längeren Zeitraum. Liegt der Referenzmarkt nun höher, muss dieser höhere Wert zurückgezahlt werden, denn das Modell des BMWK basiert nicht auf dem realen Wert, sondern eben dem fiktiven. Deshalb wird niemand das Risiko eingehen, am PPA-Markt teilzunehmen. Dies zeigt, dass fiktive Erlösannahmen nicht sinnvoll sind.

Das klingt nach einer Vollbremsung. Und was passiert jetzt?

Matthias Stark: Wir haben dem BMWK umfassend erläutert, wo die Risiken eines solchen CfD-Modells liegen. Damit sind wir nicht allein, auch zahlreichen Banken haben deutlich gemacht, dass ein CfD, der auf einer fiktiven Situation beruht, mit erheblichen Unsicherheiten einhergehen würde. Kredite würden deutlich teurer, oder gar nicht mehr vergeben.

Jetzt ist die Ampel am Ende und eine neue Bundesregierung muss den Faden wieder aufnehmen. Wir setzen hier auf mehr Verständnis dafür, dass ein Finanzierungsmodell, das den Zubau absichert, aus dem gegenwärtigen EEG heraus zu entwickeln ist. Auf realen Ertragsdaten, mit dem von der EU gewollten CfD und mit einer Öffnung für mehr Markt.

Der EE-Branchentag in Mitteldeutschland

Foto: frank peters - stock.adobe.com

Hören Sie Matthias Stark und weitere Expert:innen zum Strommarktdesign und dem Netzausbau auf dem großen Event nach der Bundestagswahl 2025.

Branchentag Erneuerbare Energie Mitteldeutschland,
19. März 2025 in Dresden

Weitere Informationen:
bwe-seminare.de/btmd

Matthias Stark,
Leiter Fachbereich Erneuerbare Energiesysteme, Bundesverband Erneuerbare Energie

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