Der Import von Strom aus konzentrierenden Solarthermiekraftwerken (Concentrted Solar Power – CSP) in Nordafrika nach Europa könnte tatsächlich ein funktionierendes Geschäftsmodell sein. Dies zumindest hat das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt in einer neuen Studie zum Desertec-Projekt festgestellt. Das Argument ist: Die CSP-Kraftwerke sind flexibel und könnte so die volatile Stromerzeugung aus Photovoltaik- und Windkraft in Europa ergänzen. Denn während in den Zeiten der hohen Einspeisung von Photovoltaik- und Windstrom die Börsenpreise ins Bodenlose fallen, werden sie an bewölkten und windstillen Tagen wieder steigen. Denn die Nachfrage bleibt die Gleiche – zumindest annähernd. Denn immer mehr Stromverbrauch geht auf das Konto der Kühlung – vor allem in den südeuropäischen Ländern, aber immer mehr auch in Deutschland und anderen mitteleueropäischen Ländern. Dieser Verbrauch liegt aber vor allem in den Zeiten, wenn die Photovoltaik ihren Strom üppig ins Netz einspeist.
Das Preisproblem kann man lösen
Sicherlich ist es vermessen, dass die Photovoltaik riesige Leistungen vorhält, nur um in Zeiten großer Nachfrage auch den notwendigen Strom liefern zu können. Hier ist das Argument, dass der CSP-Strom flexibel und zumindest in seiner Vorform als Dampf speicherbar ist, tatsächlich unschlagbar und ein Vorteil dieser Technologie – wenn auch derzeit der einzige, wie die Autoren der Studie des DLR eingestehen. Denn immer noch ist der Strom aus den CSP-Kraftwerken teuer. Er liegt mit 15 bis 20 Eurocent pro Kilowattstunde derzeit noch über dem, was die Photovoltaik und vor allem die Windkraft an Land zu bieten hat. Zumal gerade der Teil der Anlage, der den Vorteil der CSP sichert, einer der teuersten ist: der Speicher. Die Systemkosten der CSP-Kraftwerke ohne den thermischen Speicher liegen derzeit um 37 bis 60 Prozent über den Kosten für multikristalline Solaranlagen, haben die Analysten von Lux Research im vergangenen Jahr errechnet. Kommt ein 14-Stunden-Speicher dazu, steigen die Systemkosten eines CSP-Kraftwerks rasant. Sie liegen dann 300 bis 600 Prozent über den Kosten einer multikristallinen Solarstromanlage. „Die Speicher sind mit die kostenintensivsten Komponenten des Systems“, betonen die Marktforscher von Lux Research.
Dass das Kostenproblem auf dem Weg ist, zeigen die diversen Projekte, die sich derzeit mit der Weiterentwicklung von Wärmeträgern und Speichern beschäftigen. Könnten die Anlagen mit einer höheren Temperatur fahren, steigt deren Wirkungsgrad und die Stromgestehungskosten sinken. Der derzeit hoffnungsvollste Ansatz ist die Verwendung von Flüssigsalzen statt Thermoöle als Wärmeträgermedium. Denn letztere sind in ihrer Temperaturbelastung begrenzt. Der Vorteil der Flüssigsalze ist, dass diese sogenannten Direct Molten Salts (DMS) Temperaturen bis zu 500 Grad Celsius vertragen. Thermoöle beginnen bereits bei 300 Grad Celsius, sich zu zersetzen. Damit können die Turbinen, die von der Anlage angetrieben werden, in einem besseren Leistungspunkt fahren. Denn sie sind auf höhere Temperaturen ausgelegt. Der Gesamtwirkungsgrad steigt und die Stromgestehungskosten sinken erheblich. Auch die Verwendung von Molten Salts könnten auch die Speicher in Zukunft effizienter machen und damit den Strom aus den CSP-Kraftwerken preiswerter. Einen weiteren Schub bekommt die Technologie durch die Entwicklung der Turmkraftwerke, die auch von DLR ein gutes Stück vorangetrieben wurde.
Tausende Kilometer von Stromtrassen
Doch der Preis ist nicht das schlagende Argument. Das wissen auch die Autoren der Studie des DLR und darauf fußt auch das Geschäftsmodell, den Strom aus den CSP-Kraftwerken in den Wüsten Nordafrikas nach Europa zu verkaufen. Nicht die Konkurrenz mit den Photovoltaik- und Windkraftwerken in deren Hochzeiten wird das Geschäft sein, sondern die Reserveleistung anzubieten, die diese beiden Technologien nicht abdecken können. Die solarthermischen Kraftwerke in Nordafrika sollen so die derzeit noch laufenden fossilen Kraftwerke ersetzen.
Doch hier gibt es gleich mehrere Probleme. Das erste dieser Herausforderungen ist die Übertragung des Stroms aus Nordafrika über Tausende von Kilometern in die Mitte Europas. Denn die Idee ist, direkte Gleichstromtrassen von den CSP-Anlagen in Nordafrika in die Zentren des Stromverbrauchs in Europa zu legen. Dies mag zwar weniger Geld kosten als der üppige Ausbau von Stromnetzen, die die Europäer derzeit geplant haben. Doch die Trassen müssen an jeder Bürgerinitiative von Malaga bis nach Berlin und London vorbeikommen. Schon jetzt gibt es heftige Auseinandersetzungen um die Stromtrassen, die künftig den Strom aus Offshore-Windparks in der Nord- und Ostsee nach Bayern und Baden-Württemberg transportieren sollen. Dabei hat dieses Modell zumindest den Vorteil, dass die Kraftwerke immerhin schon teilweise im Bau sind, während bisher von den für Desertec geplanten Kraftwerken noch kein einziges realisiert wurde. Zumindest listet die Studie des DLR keines davon als im Betrieb auf.
Netzbetreiber müssen die Leistungen bauen
Dies ist auch weniger eine Frage, ob eine Direktverbindung zwischen den CSP-Kraftwerken in Nordafrika und den Ballungszentren in Europa billiger ist als ein sogenanntes europäisches Supergrid. Es ist vielmehr eine Frage, wer dies bezahlen soll. Schon jetzt haben die Netzbetreiber Schwierigkeiten, den Netzanschluss der Offshore-Windparks zu stemmen. Deshalb zahlt der deutsche Stromkunde für jede Kilowattstunde Strom einen Cent als Vollkaskoversicherung für die Planer der Windkraftwerke auf hoher See, damit diese ihre Projekte auch weiterführen können. So ist zumindest fraglich dass die Netzbetreiber das Geld aufbringen, die entsprechenden Leitungen überhaupt zu bauen. Da ist schon viel politischer Wille nötig, um dies dem Stromkunden in Europa auch noch aufzubürden.
Dieser politische Wille scheint zumindest derzeit in eine andere Richtung zu gehen. Denn der Transport des Wüstenstroms nach Europa steht in direkter Konkurrenz zum Ausbau von Speicherkapazitäten und Speicherleistung, der in Europa zumindest in vielen Ländern inzwischen schon vorankommt. Er wird von der Politik derzeit noch nicht verhindert. Die Geschäftsmodelle von der Speicherung überschüssigen Stroms in dessen Einspeisung ins Netz, wenn der Strom aus Sonnen- und Windkraftanlagen fehlt, bis hin zur Bereitstellung von Regelleistung ist – auch wenn die Entwicklung in Europa in dieser Hinsicht sperrig ist – doch schon weiter vorangekommen als das Wüstenstromprojekt und dessen Anbindung an Europa.
Für die Technologie der konzentrierenden Solarthermie gibt es gute Argumente. Für die Länder Nordafrikas mit dem steigenden Strombedarf, wie ihn die Autoren der Studie sehr detailliert aufdröseln, ist dies durchaus eine Technologie der Zukunft. Doch ist der Wüstenstrom in Afrika besser aufgehoben, als ihn häppchenweise nach Europa zu verkaufen, wofür teure Trassen notwendig wären. Zumal Desertec inzwischen kein technologisches Problem mehr hat, sondern schlicht zu spät dran ist, um sich in der Konkurrenz gegen den fortgeschrittenen Ausbau von Stromspeichern als Alternative durchzusetzen. (Sven Ullrich)