Energieversorger wie Stadtwerke könnten mit Investitionen in erneuerbare Energien die Verluste aus der fossilen Stromerzeugung mehr als wett machen. Das ist das Ergebnis einer aktuellen Studie von Analysten des irischen Beratungsunternehmens Accenture mit Sitz in Dublin. Die Autoren der Studie haben die Wachstums- und Wettbewerbschancen der Stromversorger untersucht. Dabei haben sie herausgefunden, dass die Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien für steigende Umsätze bei den Stromlieferanten sorgen werden. Für das Jahr 2030 errechnen sie immerhin weltweit 100 bis 160 Milliarden Euro, die die Stromversorger zusätzlich erwirtschaften können, wenn sie auf erneuerbare Energien setzen. Dazu kommen noch Kosteneinsparungen von 135 bis 225 Milliarden Euro, weil sie die teuren fossilen Kraftwerke durch die preiswertere Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien ersetzen. „Saubere Energiequellen haben ein erhebliches Potenzial, vor allem aufgrund des starken Trends der Kostenreduzierung, während Energieeffizienzdienstleistungen nicht nur die Emissionen reduzieren, sondern auch neue Einnahmequellen für die Stromversorger werden“, fasst Jean-Marc Ollagnier, Leiter der Industriegruppe bei Accenture. „Allerdings müssen die Energieversorger jetzt die strategischen Entscheidungen treffen und neue Geschäftsmodelle etablieren.“
Solardienstleistungen spülen viel Geld in die Kasse
Zusätzlich zehn bis 20 Milliarden Euro jährlich könnten die Stromversorger mit einem Geschäftsmodell erwirtschaften, das schon längst erprobt ist: Der Vertrieb von Solaranlagen an einzelne Kunden. Dazu verkaufen die Stromversorger, die den Zugang zum Kunden schon haben, kleine und mittlere Solaranlagen für den Eigenverbrauch. So reagieren sie auf die veränderte Erzeugerstruktur und gewinnen durch die Dezentralisierung der Stromproduktion. Ohne diese Dienstleistungen würden sie aufgrund der dezentralen Energiewende nur Umsätze einbüsen, weil immer weniger Strom vom Versorger nachgefragt wird. Um nicht auf dem einmaligen Geschäft des Verkaufs der Anlage sitzen zu bleiben, bieten sie umfangreiche Dienstleistungen an. Das reicht von Mieten und Pachten der Anlagen bis hin zu kompletten Wartungs- und Betriebsführungsverträgen. Damit verlieren die Stromversorger die Haushalte auch nicht als ihre Kunden.
Stromverkauf darf nicht Kerngeschäft bleiben
Zumindest werden die Stromversorger mit ihren bisherigen Geschäftsmodell des Stromverkaufs an Kunden kaum noch wettbewerbsfähig sein. Denn sie bekommen Druck aus der Politik, die Treibhausgasemissionen zu reduzieren, was die Stromerzeugung aus fossilen Ressourcen drastisch verteuert. Bis zu einem Drittel höhere Kosten haben die irischen Analysten ausgerechnet. „Tatsächlich werden die Stromversorger in den kommenden 15 Jahren vor steigenden Kosten stehen und mit Risiken aufgrund der höheren Komplexität des Systems sowie den Kosten für den Kohlendioxidausstoß zurechtkommen müssen“, schreiben die Analysten in ihrem Bericht. Das erhöht den Druck auf die Erlössituation aus dem Stromverkauf bei den Versorgern. Die Iren haben ausgerechnet, dass sich zwischen 2015 und 2030 die Kosten für den Bau und den Betrieb von Kraftwerken und Netzen verdoppeln könnten. Als Gründe nennen sie die steigende Nachfrage nach Strom sowie den Druck auf die Energieversorger, die Emission von Treibhausgasen weiter zu reduzieren. Aber auch die Kosten für den Kohlendioxidausstoß durch fossil befeuerte Kraftwerke werden in den kommenden 15 Jahren steigen.
In Ökostromanlagen investieren
Um diese Kostensteigerung aufzufangen, müssten die Strompreise in den kommenden 15 Jahren um ein Drittel steigen. Das ist weder politisch akzeptabel noch gesellschaftlich durchsetzbar. Allein deshalb müssen die Stromversorger das Heft des Handelns endlich in die Hand nehmen und die Energiewende im eigenen Unternehmen beginnen. Die Analysten haben dazu drei Aktivitäten herausgearbeitet, mit denen die Stromversorger in die Energiewende einsteigen können. Das erst Instrument ist die Investition in Anlagen zur Erzeugung von Grünstrom. Ein zweites Instrument ist, die Erzeugung und den Verbrauch von Energie zeitlich besser in Übereinstimmung zu bringen. Hier sind die Stromversorger gefragt, intelligente Zähler bei den Kunden einzubauen und dies zu finanzieren. Denn sie ziehen den größten Nutzen daraus. Aber auch mit dem Bau von Speichern werden sie die zeitliche Verschiebung von Erzeugung und Verbrauch schaffen. Die Installation von Speicher ist zwar erst einmal kapitalintensiv. Doch können die Stromversorger 35 bis 55 Milliarden Euro zusätzlich erwirtschaften, wenn sie in die Maßnahmen investieren, um Erzeugung und Verbrauch zeitlich in Übereinstimmung zu bringen.
Energie- und Effizienzdienstleistungen
Ein drittes Instrument ist, dass sich die Stromversorger als Dienstleister aufstellen und ihren Kunden dabei helfen, deren Energieproduktion und Energieverbrauch zu optimieren. Hier gilt es, neue Geschäftsmodelle zu entwickeln, die weit über den reinen Stromverkauf hinausgehen. Dazu gehören neben dem Verkauf oder der Vermietung von Solaranlagen auch das Energiemonitoring und das Angebot von Energieeffizienzmaßnahmen für die Kunden. Mit solchen Geschäftsmodellen können die Stromversorger immerhin 65 bis 80 Milliarden zusätzlich erwirtschaften. (Sven Ullrich)