Langversion eines Expertengesprächs aus der Oktoberausgabe von ERNEUERBARE ENERGIEN, Heft 08-2024
Ihre Unternehmen, Frau Fein vom Windturbinenbauer Nordex und Herr Pitschke von den Stadtwerken Düsseldorf, suchen Fachkräfte in dreistelliger Zahl. Wie genau können Sie angesichts dieser dynamischen Entwicklung noch den Personalbedarf beziffern – wissen Sie, wie viele Personen zu jedem Zeitpunkt eingestellt werden müssen?
Lina Fein: Natürlich wissen wir, wie viele neue Mitarbeitende wir jeweils gerade suchen. Wir erstellen eine Personalplanung, die regelmäßig den aktuellen Bedürfnissen angepasst wird. Wir suchen alleine aktuell nur in Deutschland bis zu 300 neue Mitarbeitende. Und natürlich wissen wir auch, wo wir uns beim Aufbau der benötigten Belegschaften und bei der Versorgung mit den richtigen Fach- oder Führungskräften schwertun.
Carsten Pitschke: Um Vakanzen auf Knopfdruck monitoren zu können, haben wir unseren digitalen „Vakanz-Monitor“ eingeführt. Der gibt HR und Führungskräften einen schnellen Überblick, ob und wie lange Stellen vakant sind, und wo Vakanzen bevorstehen. Wenn ich den öffne, sehe ich, dass wir aktuell etwa 100 Stellen ausgeschrieben haben. Die Herausforderung, Fachkräfte für die verschiedensten Aufgaben in unserem Unternehmen zu gewinnen, wird dabei auf absehbare Zeit gewaltig bleiben: Das zeigt ein Blick auf die Altersstruktur unserer 2.300 Beschäftigten. Die Hälfte unserer Belegschaft ist 50 Jahre oder älter. Und gerade diese MitarbeiterInnen haben natürlich ein für den Betrieb sehr wichtiges Erfahrungswissen aufgebaut.
Lina Fein: Wir bei Nordex haben eine eher noch junge Mitarbeiterstruktur mit einem Altersdurchschnitt von unter 40 Jahren. Andererseits müssen wir mit der Herausforderung unseres geographisch weitreichenden Bedarfs umgehen – bei mehr als 500 ausgeschriebenen Stellen in ganz Europa und einigen Dutzend in Nordamerika.
Die Stadtwerke Düsseldorf, Herr Pitschke, müssen damit zurechtkommen, dass Düsseldorf ein Standort vieler Energieunternehmen ist, die regional dieselben Fachkräfte suchen: Windparkbetreiber, Energieunternehmen, Stromversorger und -Händler, Netzbetreiber, Projektentwickler, Ingenieurdienste, Investmentspezialisten, auch der Regionalverband Ruhr.
Carsten Pitschke: Natürlich stehen wir im Wettbewerb mit anderen Energieunternehmen aus der Region um spezielle Fachkräfte; letztlich aber auch darüber hinaus in vielen anderen Bereichen wie Controlling, IT, Digitalisierung mit anderen attraktiven Düsseldorfer Arbeitgebern aus unterschiedlichen Branchen. Elektroniker und Mechatroniker suchen aktuell viele mit technischem Fokus. Generell sehe ich das Konkurrenzthema aber auch als Chance: Uns fordert das heraus, klar zu kommunizieren – und vor allem zu leben, was uns positiv auszeichnet.
Wie knapp ist also die Ressource Fachpersonal?
Lina Fein: Klar ist, dass wir längst bereit sein müssen, Quereinsteiger an Bord zu holen. Dies tun wir insbesondere im Bereich der Servicetechniker. Grundsätzlich trifft es aber auf fast alle Fachbereiche zu, dass wir bei Neueinstellungen bei der Qualifikation oder Berufserfahrung flexibler sein müssen. Die Profile, die wir suchen, sind häufig hochspezialisiert, die finden wir nicht so ohne Weiteres am Arbeitsmarkt. Generell lässt sich sagen, dass unsere Branche schneller wächst, als der Fachkräftemarkt uns Personal in ausreichender Zahl nachliefern kann. Ich sehe auch die erhöhten Anforderungen an den sich verknappenden Fachkräftemarkt: Es gibt keinen Unternehmensbereich, der nicht mittlerweile digitalisiert ist und entsprechende Anforderungen an Mitarbeitende stellt.
Hier darf ich gleich einhaken, ohne die Frage nach der Knappheit des Fachpersonals vergessen zu wollen: Wie kommt die Branche aus dieser Schere wachsender Anforderungen und Bedarfe im schwindenden Arbeitskräftepool raus?
Arwid Detlefs: Machen wir uns nichts vor. Wenn ein Unternehmen eine Stelle neu besetzt, reißt es in der Regel bildhaft gesprochen eine Lücke bei anderen Unternehmen. Wir schieben derzeit den Facharbeitermangel von rechts nach links, weil die Geburtenrate bei uns ist wie sie ist. Das müssen wir soweit als gegeben hinnehmen. Überlegen müssen wir nur, welche Maßnahmen wir ergreifen können, um diese Mangelsituation zu managen. Und wir müssen bei der Personalbewirtschaftung effektiver werden. Keiner von uns kann hier den Stein der Weisen finden. Ich beobachte, wie meine Mandanten nun prüfen, wie ihre Prozesse zur Rekrutierung von Personal ablaufen, wie Auswahlverfahren stattfinden, wie sie Quereinsteiger einstellen können, wie weit sie dabei sind Schulabgänger auszubilden, inwieweit sie auch künstliche Intelligenz einsetzen können, um Prozesse zu vereinfachen und insbesondere zu beschleunigen. Und selbstverständlich dürfen wir auch das Thema Zuwanderung nicht vergessen.
Wie soll KI denn Antworten auf den Fachkräftemangel liefern?
Lina Fein: Natürlich vereinfachen wir mit KI zukünftig die Prozesse. Was Sie beschreiben, Herr Detlefs, findet ja auch statt. Ich möchte dabei aber zwei Bereiche der Rekrutierung voneinander unterscheiden. Einerseits den Bereich der Techniker für die Wartung, Errichtung und Inbetriebnahme der Windenergieanlagen. Und andererseits akademische Profile. Viele unserer Stellengesuche fürs Wachstum beim Personal richten sich an Servicetechniker und Inbetriebnehmer. Diese bilden wir sowohl selbst aus oder bilden dafür Quereinsteiger weiter. Voraussetzung für Quereinsteigende in diesem Bereich ist, neben der persönlichen Eignung, nur noch eine technische Ausbildung. Das können beispielsweise Dachdecker sein, die eben das Arbeiten in der Höhe als Fähigkeit mitbringen. In einem 18-monatigen Programm werden diese neuen Mitarbeiter komplett von uns für die Tätigkeiten an den Turbinen weiter ausgebildet. Wir haben eine eigene Akademie, die weltweit Schulungskonzepte für eben solche Mitarbeitergruppen entwickelt und umsetzt. Darüber hinaus haben wir eine Kooperation mit der Firma Liebherr an unserem Produktionsstandort in Rostock, die ebenfalls eine eigene Akademie betreibt. Dort können Mitarbeiter eine Qualifikation als Industrieelektriker erwerben.
Arwid Detlefs: Ich kann aus der Beobachtung des Marktes bestätigen, dass Nordex hier durchaus weiter ist, als der eine oder andere Akteur in der Branche ...
Lina Fein: Wir sind ja vielleicht auch etwas größer als viele andere Akteure, mit denen Sie uns hierbei vergleichen. Daher können wir ganz gut planen, welche Fachkräfte wir wann einstellen. Das gilt natürlich auch im akademischen Bereich. Wir beschäftigen zum Beispiel recht viele Werksstudierende, die wir am Ende des Studiums in ein Beschäftigungsverhältnis bei uns überführen wollen. Sie kennen dann gleich auch unsere Abteilungen, Abläufe und Kolleginnen und Kollegen.
Arwid Detlefs: Natürlich braucht ein Unternehmen eine gewisse Schwungmasse, sprich: die Größe, damit es alle Wege in der Personalbeschaffung gehen kann. Grundsätzlich predige ich, da wo es möglich ist, die Kooperation zwischen Unternehmen, um in der Breite auch Personal heranzuziehen. Ihr Beispiel mit Liebherr ist hierfür ein sehr gutes, weil sich am besten Unternehmen für die Personalentwicklung zusammentun können, die nicht unmittelbar aus derselben Industrie kommen. Sie können dann in so einer Kooperation fast schon einen gemeinsamen Pool an Leuten aufbauen.
Können Sie als kommunales Unternehmen genauso flexibel mit der Herausforderung Personalaufbau umgehen, Herr Pitschke?
Carsten Pitschke: Vorweg: Wir sind ja kein rein kommunales Unternehmen, sondern auch eine Mehrheitsbeteiligung der EnBW. Ich finde diese Kombination sehr positiv, insofern wir einen starken lokalen Footprint und einen in unserer Stadt überall greifbaren Versorgungsauftrag mit der Einbindung in einen starken Konzern verbinden. Hinsichtlich Arbeitgeberattraktivität erlebe ich das jeden Tag als die perfekte Mischung beider Welten. Das hilft uns, da auch wir eine riesige Bandbreite von Fachkräften für die Umsetzung der Energiewende brauchen: einerseits hochqualifizierte Funktionen im IT-Bereich, insbesondere in Hinblick auf Digitalisierung, Datenmodelle und Prozessdesign, und andererseits sehr praktische Funktionen wie Fachkräfte im Tiefbau für unsere umfassenden Aufgaben in der Erneuerung der Versorgungsinfrastruktur. Unsere strategische Personalplanung ist da ein mächtiges Werkzeug. Ein Beispiel: Brauchen wir langfristig Kraftwerker, stellen wir jetzt Mechatroniker ein, um sie entsprechend weiterzuqualifizieren. Wir planen und steuern sukzessive deren Verantwortungsübernahme, was zeitlich eine Perspektive von bis zu fünf Jahren abdecken kann. Ohne gute Planung unmöglich!
Sie wissen also schon 5 Jahre im Voraus, wen Sie wann brauchen?
Carsten Pitschke: Ja, das ist ganz entscheidend für die rechtzeitige Sicherung der nötigen Fachkräfte. Auf Grund der genannten demographischen Herausforderung unserer Belegschaftsstruktur müssen wir jetzt schon strategisch den Bedarf an Auszubildenden planen und haben dafür in den letzten Jahren unsere Ausbildungskapazitäten verdoppelt.
Wie gehen Sie mit an- und abschwellendem Personalbedarf im projektgetriebenen Geschäft um?
Lina Fein: Insbesondere in der Inbetriebnahme von Windparks haben wir uns so aufgestellt, dass wir innerhalb Europas Teams auch in verschiedenen Regionen einsetzen können. Beispielsweise kommen Kollegen aus Portugal auch im Rahmen von Dienstreisen bei Errichtungen in Finnland oder sonstwo in der Europäischen Union zum Einsatz, wo es gerade zeitweise mehr Bedarf gibt. Das macht für viele den Job auch sehr attraktiv.
Wie wichtig ist Rekrutierung aus dem Ausland?
Lina Fein: Wir können unseren hochspezialisierten Personalbedarf nicht ausschließlich über den deutschen Arbeitsmarkt decken. Gerade im akademischen Umfeld stellen wir viele KollegInnen ein, die nicht ursprünglich in Deutschland beheimatet sind. Am einfachsten ist dies natürlich innerhalb der Europäischen Union. Fachpersonal aus nichteuropäischem Ausland zu rekrutieren, bringt natürlich mehr Hindernisse in Form behördlichen Aufwands mit sich, aber auch das bekommen wir hin. Die Firmensprache ist Englisch, allein in Deutschland beschäftigten wir Mitarbeitende aus 89 Nationen.
Carsten Pitschke: Die Stadtwerke selbst sind natürlich ein lokal starkes Unternehmen und mit 89 Nationen können wir nicht aufwarten. Düsseldorf ist aber eine internationale Stadt und die Stadtwerke spiegeln das wider. Unser letzter Personalreport zeigt, dass bei uns Kolleginnen und Kollegen aus über 20 Ländern arbeiten. Diese Buntheit ist für uns also normal. Der Großteil unserer potentiellen BewerberInnen ist dabei aber schon in unserer Region beheimatet.
Wie sehr kann aber nun die Digitalisierung helfen, nur die notwendigsten Verstärkungen beim Personal zu erreichen und dieses immer effizienter einzusetzen.
Arwid Detlefs: Die Firmen müssen für sich herausfinden, wie sie zum Beispiel ihre Prozesse mittels Digitalisierung vereinfachen und beschleunigen können, wie sie Schulungen optimieren und weiter vorantreiben können.
Lina Fein: Natürlich setzen auch wir auf Digitalisierung von Prozessen, um generell Arbeitsabläufe zu vereinfachen. Einfache Tätigkeiten lassen sich ja auch schon über Robotic Process Automation abbilden, aber natürlich kommt auch mehr und mehr KI zum Einsatz. Wir haben bereits ein Tool, das uns, ähnlich wie ChatGPT, auch unternehmensweit bei der Erstellung von Texten unterstützt.
Carsten Pitschke: Uns geht es hierbei aber nicht nur darum, dass einzelne Spezialisten für das Thema Digitalisierung „zuständig“ sind, sondern dass wir gemeinsam lernen – wo es Sinn macht – digital zu denken. Das heißt vor allem, dass wir Prozesse von Anfang an so aufsetzen, dass sie uns die Arbeit leichter und nicht schwerer machen. Letztlich macht auch das Arbeitgeberattraktivität aus: Ich kann zum Beispiel von jüngeren Berufseinsteigern, die sich selbstverständlich in der digitalen Welt bewegen, nicht erwarten, dass sie sich bei uns durch umständliche Papierprozesse quälen. Das tut sich keiner an. Ich möchte das auch immer weniger. Das kann heute ein Wechselgrund sein.
Wie und wie sehr können Sie Fachpersonal an sich binden?
Lina Fein: Der Sinn der Arbeit ist für viele unserer Mitarbeitenden sehr wichtig. Auch die neuen KollegInnen suchen spannende Aufgaben in einem sinnstiftenden Kontext. Zu uns kommen Menschen, die etwas Gutes leisten wollen – und vielleicht Probleme hätten, für die Rüstungsindustrie zu arbeiten.
Carsten Pitschke: Ich sehe die Versorgungsunternehmen in der momentanen Phase der Energiewende als die großen „Purpose-Gewinner“. Bei uns verbindet sich das zudem mit der im Wortsinn greifbaren Nähe: Ob die Investitionen in Windkraft, den Ausbau der Fernwärme, die wachsende Ladeinfrastruktur in der Stadt – all das kann ich jeden Tag sehen und anfassen und weiß: Das alles läuft letztlich „nicht ohne mich“. Ich wirke jeden Tag mit an der Energiewelt der Zukunft. Auch wenn es mal nervige Aufgaben oder Tage gibt, die Frage „Wozu das alles?“ musste ich mir noch nicht einen Tag stellen.
Arwid Detlefs: Es geht dabei letztlich auch um Identifikation.
Lina Fein: Ja, und um das Gefühl für die Mitarbeitenden, dass wir Entwicklungen steuern, um die Welt ein kleines bisschen in die richtige Richtung zu bewegen.
Carsten Pitschke: Für Identifikation ist es wichtig, dass aus den unterschiedlichen Elementen eine gute – und wahre – Story wird. Erneuerbare, Netzstabilität, neue Kundenlösungen – es ließe sich lange fortfahren: All das und noch viel mehr sind Elemente einer Geschichte, die Lust machen soll, an ihr mitzuwirken. Das macht im Kern eine gute Arbeitgebermarke aus: Die Schlüssigkeit dieser Geschichte und mein möglicher Platz darin. Wir haben die nächsten Jahre noch viele tolle Hauptrollen zu vergeben.
Arwid Detlefs: Aus Sicht des Headhunters und Personalberaters kann es daher nicht alleine darum gehen, wo ich für unsere Auftraggeber jemanden aus seiner Position bei einem anderen Unternehmen rausgeeist bekomme. Die Identifikationsstifung beim neuen Unternehmen ist ganz wichtig, ebenso eine Vielfalt der Arbeit.
Was zählt noch?
Carsten Pitschke: Eine neuere Studie zeigt dieser Tage wieder, dass Wechselgründe nach wie vor das Gehalt, aber auch eine ausgeglichene Work-Life-Balance sind. Das heißt nicht pauschal „viel Freizeit“, sondern eher, dass die täglichen Aufgaben als „Teil des Lebens“ Sinn machen. Auch das ist ja „Balance“. Ganz wichtig sind natürlich eine gute Unternehmens- und Führungskultur: letztlich zwei Seiten derselben Medaille. Führungskultur kann wirklich den Unterschied machen, darum investieren wir in der letzten Zeit besonders viel in dieses Thema.
Arwid Detlefs: Man sagt nicht zu Unrecht, Menschen heuern bei Unternehmen an und verlassen Führungskräfte. Diese Motivation begegnet mir regelmäßig in den Gesprächen mit Kandidaten über ihr Wechselmotiv. Richtige Führung ist ein hochrelevanter Faktor. Allerdings ist Führung nichts Gottgegebenes, sondern muss oder besser sollte gelernt werden.
Lina Fein: An Bedeutung gewonnen hat es, die Wertschöpfung des eigenen Einsatzes zu erfahren – was sich als New Work bezeichnen lässt. Die Mitarbeitenden wollen selbst Verantwortung tragen, wollen einen Unterschied ausmachen, wollen ihre Mitarbeit gewertschätzt wissen. Kann man diese Art der Führung lernen? Es gibt auf jeden Fall Menschen, denen diese Führungsverantwortung leichter fällt als anderen ...
Carsten Pitschke: Die Stadtwerke haben ein neues Führungsleitbild für alle Führungskräfte entwickelt. Um dieses auch wirklich zu leben, haben sich alle 300 Führungskräfte gemeinsam auf „Führungsreise“ begeben. Der Kern dieser Reise sind vier zweitägige Workshopmodule, in denen wir uns entlang verschiedener Schwerpunkte mit unserer Kultur auseinandergesetzt haben. Ein Erfolgsfaktor war dabei, dass wir die Gruppen nicht nach Führungslevel oder Funktionen getrennt haben, sondern wirklich übergreifend gearbeitet haben – Gewerbliche und Kaufmännische, vom Meister bis zum Vorstand. Insgesamt hat die Führungsreise ganz viel Positives angestoßen und viel Führungs-Kraft freigesetzt – mancher war sicher erstaunt, wie viel.
Wie schnell und kurzfristig muss bei Ihnen in der Praxis neues Fachpersonal gefunden werden?
Lina Fein: Der größte Zeitdruck besteht meist dann, wenn Mitarbeiter das Unternehmen verlassen – und wir die Vakanz schnell füllen müssen. Gute Personalplanung kann das mitunter abfedern, aber ich kann nicht auf ungeplant unbesetzte Funktionen einen fachlichen Quereinsteiger setzen. Ich brauche dann Mitarbeiter, die unsere Anlagen kennen. Wir müssen dafür dann eine neue Kraft ein Jahr lang mit einem erfahrenen Kraftwerker einsetzen und sie so wieder heranziehen …
Arwid Detlefs: Wer einen Headhunter beauftragt, hat die gesuchte Fach- oder Führungskraft zuvor nicht mit den normalen Bordmitteln des Recruiting gefunden. Insofern ist es immer eilig, wenn ich eingebunden bin. Bauen kann ich aber die gesuchten Menschen auch nicht. Ich kann zwar manchmal zur Beschleunigung der Personalsuche ein bisschen beitragen. Aber häufig geht es darum, dass überhaupt jemand gefunden wird.
Lina Fein: Recruiting ist teuer. Andererseits ist jeder Tag einer nicht besetzten Stelle ein Tag, an dem wir Geld verlieren.
Wie kann und muss die Branche bei Personalentwicklungen mehr zusammenarbeiten? Braucht es mehr Karrieremessen, mehr staatlich unterstützte Kampagnen, andere Ausbildungswege?
Arwid Detlefs: Grundsätzlich gilt ja: Tue Gutes und rede darüber. Daher sind Karrieremessen sicherlich ein Tool, um das eigene Image in Sachen erneuerbare Energien weiterzuentwickeln oder um sich interessant zu machen. Auch müssen die Unternehmen klar machen, dass die Energiebranche ein extrem interessantes Einsatzfeld ist. Hierzu können vielleicht Imagekampagnen helfen, die weniger von einzelnen Unternehmen, sondern von den Branchenverbänden kommen sollten. Verbände sollten auch darauf hinwirken, dass neue Studiengänge für ihre Technologien an die Universitäten kommen …
Carsten Pitschke: Der Mix macht es und gleichzeitig der Fokus, um sich angesichts begrenzter Ressourcen nicht zu verzetteln. Wir als Stadtwerke können an einem Tag der offenen Tür die Schulen auf unseren Betriebshof und in unsere Ausbildungswerkstatt schauen lassen. Wir veranstalten Bewerbertage und kooperieren mit Hochschulen vor Ort bei der Entwicklung neuer Studiengänge. Ungewöhnliche Kampagnen wie unser Azubitaxi reduzieren die Hürden beim Erstkontakt: InteressentInnen fahren hierbei in einem Taxi durch Düsseldorf, und ein Ausbilder oder eine Ausbilderin führt mit ihnen ein lockeres Gespräch zum Kennenlernen, ohne dass es vorher einer umständlichen Bewerbung bedarf. Jedes Unternehmen muss hier für sich schauen, was auch wirklich zur eigenen Kultur und zur Zielgruppe passt.
Wie wichtig ist es für Sie, auch Ü-50 Mitarbeiter zu gewinnen?
Carsten Pitschke: Wir sind offen für BewerberInnen aller Altersgruppen. Es würde ja gar keinen Sinn ergeben, die Gruppe möglicher künftiger MitarbeiterInnen künstlich zu verkleinern. Die unterschiedlichen generations bringen ja auch unterschiedliche Sichtweisen und auch Kenntnisse mit ein. Zudem empfiehlt sich für den Aufbau einer nachhaltigen demographischen Struktur die Einstellung von MitarbeiterInnen unterschiedlicher Altersgruppen. Aktuell versuchen wir übrigens – wie ja auch andere Unternehmen – Beschäftigten über den Regelaltersenteneintritt hinaus gute Beschäftigungsmodelle zu bieten, so dass sie uns mit ihrem reichen Erfahrungswissen noch etwas länger erhalten bleiben.
Arwid Detlefs: Ich denke, dass es natürlich auch wichtig ist, ältere Mitarbeiter dazuzugewinnen. Deren Erfahrung und Know-how ins Firmenwissen zu transferieren, sollte eigentlich ein integraler Bestandteil einer cleveren Personalpolitik sein. Wenn sich dies auch in der Aus- und Weiterbildung institutionalisieren lässt, kann es ein sehr wertvolles Mittel zum schnelleren Entwickeln auch jüngerer Mitarbeiter sein.
Frau Fein, Herr Detlefs, Herr Pitschke, vielen Dank Ihnen für das Gespräch.
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