Die den Grünen nahe stehende Organisation germanwatch hat vier Niedrig-Energie-Szenarien für die Zukunft bis 2050 bewertet: Das Leitszenario 2009 des Bundesumweltministeriums, das Energiezukunft 2050 - Szenario 3 im Auftrag von EON, RWE, EnBW und Vattenfall sowie die beiden Szenarien von WWF Deutschland namens "Modell Deutschland: Klimaschutz bis 2050" und "Klimaschutz Deutschland Plan B 2050" von Greenpeace Deutschland. Der Anteil der Erneuerbaren Energien variiert dabei von 100% bei Greenpeace über 79% beim WWF und 84% beim BMUNR bis zu 49% beim Szenario der Energiewirtschaft.
Auch die Studie sieht die Debatte aktuell zu stark fokussiert auf die zwar sehr wichtige Atomausstiegsdebatte. Allerdings würden Schlüsselthemen einer zukünftigen Energieversorgung wie der Ausbau der Erneuerbaren Energien, der Stromnetze und Speicher sowie eine erhebliche Steigerung der Energieeffizienz im Moment weitestgehend ausgeblendet. Um die teilweise sehr emotional bzw. profitorientierte Diskussion auf ein rationales Fundament zu stellen, das sowohl den multikausalen Gegebenheiten als auch den multivariaten Einflüssen gerecht wird, nutzen die Energieszenarien mathematische Modelle, um dieser Komplexität einigermaßen gerecht zu werden und ein wenig mehr Transparenz herzustellen, als es die vielen einseitigen Diskussionsbeiträge aus den verschiedenen Lagern leisten können und wollen. Insofern ist die Methodik an sich zumindest in Bezug auf prospektive Aussagen neutral. Sie unterscheiden sich dann in der Bewertung einzelner Komponenten des Problemkomplexes Energieversorgung. Genau diese Bewertungen sind nicht selten auf den Einfluß bestimmter Interessen zurückzuführen. Ein Vergleich tut daher not, um aus der Menge der extrapolierten Daten und ihrer formalen und inhaltlichen Begründung zumindest in Richtung Transparenz und Objektivität zu weisen. Hierzu die Studie selbst:
"Szenarienmodelle arbeiten mit abhängigen und unabhängigen Variablen, die sich gegenseitig bedingen. Bei den hier untersuchten Energieszenarien können exogene (unabhängige) Variablen Rohstoffpreise und politische Maßnahmen sein. Endogene (abhängige) Variablen sind bspw. der Stromverbrauch, die Verkehrsleistung oder Verhaltensänderungen. Die Grenzwerte für die unabhängigen Variablen (z.B. Mindest-Effizienz-Standards) und die kausale Abhängigkeit der Variablen werden von Experten bestimmt. Das Ergebnis ist die Entwicklung der abhängigen Variablen (z.B. des Kraftstoffverbrauchs). Nicht alle der hier verglichenen Szenarien arbeiten mit Modellen. Manche beruhen auch auf Tabellen-Kalkulationen.
Ein genereller und im Rahmen der Frage nach sozialer Akzeptanz relevanter Kritikpunkt ist, dass Szenarien mit mathematischen Modellen arbeiten und sozioökonomische Aspekte unvollständig erfasst werden, da soziale Aspekte schwer zu modellieren sind. Zudem können auch nur Abhängigkeiten, die den Forschern bekannt sind, in die Modelle integriert werden. Weiterhin sind laut Schindler u. Zittel (2008) viele Energieszenarien politisch motiviert; so sollten „Szenarien der Internationalen Atomenergiebehörde, gerade in der Frühphase der Kernenergienutzung, [...] die Machbarkeit und Notwendigkeit des zügigen Zubaus von Kernkraftwerken begründen. Regenerative Energieszenarien sollen die Notwendigkeit und Machbarkeit einer nachhaltigen Energieversorgung verdeutlichen“. Der Sinn eines Szenarios sei es allerdings, die „Spannweite möglicher Entwicklungen aufzuzeigen“.
(Schindler, J., Zittel, W. (2008): Energieszenarien – kritische Anmerkungen zu prominenten Beispielen. In: Wissenschaft und Umwelt Interdisziplinär 11/2008, Wien, S.16–21.)
Die gesamte Studie ist hier bei germanwatch als PDF herunterzuladen.