Dabei bezieht sich der BEE auf ein offenbar über den Nachrichtenkanal Twitter geleaktes Konzept aus den Reihen der Regierung, wie der Staat sogenannte Übergewinne aus den unruhigen Energiemärkten infolge des Ukrainekriegs abschöpfen kann. Das Konzept sieht demnach vor, dass Energie erzeugende Unternehmen rückwirkend bis zum 1. März 2022 alle Gewinne an den Staat zurückführen müssen, die einen begrenzten überdurchschnittlichen Gewinn im Vergleich zu früheren Energiehandelsjahren übertreffen. Dies würde dann sogar dazu führen, dass Wind- und Solarparkbetreiber aufgrund ihrer sehr geringen Stromerzeugungskosten einen viel größeren Teil ihrer Gewinne abgeben müssen, als etwa Braunkohle- oder Atomkraftwerksunternehmen. Erdgaskraftwerke sollen womöglich ebenso wie Energiespeicher von der Maßnahme ausgeschlossen sein.
Das im Bundeswirtschaftsministerium entwickelte Variante zur Abschöpfung der Zufallsgewinne würde einen „schweren Vertrauensbruch“ bedeuten. Außerdem halte der BEE „Teile der Vorschläge für verfassungswidrig“, teilte der Erneuerbare-Energien-Gesamtbranchenverband mit. Die Erneuerbaren-Branche habe zwar „wiederholt deutlich gemacht, dass sie sich solidarisch bei der Finanzierung von Entlastungsmaßnahmen im Rahmen der Energiekostenkrise zeigen will. Die Kosten- und Versorgungskrise der fossilen Energieträger darf aber nicht zulasten der Energieträger gehen, die die Strompreise schon heute senken und für die Einhaltung der Klima- und Erneuerbaren-Ausbauziele unverzichtbar sind“, sagte Simone Peter, die Präsidentin des BEE.
Mit der Abschöpfung der Zufallsgewinne der Energieversorger will die Ampelkoalition, benannt nach den Parteifarben der Koalitionspartner SPD, FDP und Bündnis 90/Die Grünen, staatliche Ausgaben zum Schutz von überdurchschnittlich unter den Folgen des Ukrainekriegs leidenden Privathaushalten und Unternehmen refinanzieren. Unterstützung erhalten hier immer wieder Akteure, die unter Energiepreisexplosionen oder Mangel am bisher aus Russland exportierten Energieträger in ihrer Zahlungs- oder Wirtschaftsfähigkeit bedroht sind. Auch eine in Vorbereitung für das parlamentarische Verfahren steckende Energiepreisdeckelung gilt es gegenzufinanzieren.
Das nun publik gewordene Konzept sähe offenbar vor, dass der Staat 90 Prozent der Zufallsgewinne zurückholt. Als Zufallsgewinne gelten zum Beispiel die Einnahmen am Strommarkt, die aufgrund des sogenannten Merit-Order-Effekts zu Zeiten des Versorgungsschwächen ausgleichenden Einsatzes von Gaskraftwerken ohne Verdienst der Stromerzeuger entstehen. Weil die Merit-Order-Regel im Strommarkt die gehandelten elektrischen Volumen nicht nach dem gebotenen Preis, sondern immer nur nach dem Preis des gerade teuersten Strom liefernden Energieträgers verkaufen lässt, lässt das verteuerte Erdgas die Stromhandelspreise beim Anfahren der Gaskraftwerke in die Höhe schießen. Denn Erdgas ist durch den Ukrainekrieg zum knappen Gut geworden, spätestens seit die Europäische Union als Maßnahme gegen das Krieg führende Russland eine rasche Abnabelung von russischen Rohstoffimporten vollzieht.
Die Regelung zum Abschöpfen der Zufallsgewinne lässt dabei zudem sehr wenig an vermeintlichen Übergewinnen zu. Die Berechnung der Kosten der Grünstromerzeugung könnte an den in Ausschreibungen ermittelten garantierten Vergütungshöhen oder an den älteren ausschreibungsunabhängigen einheitlichen erhöhten Festpreisvergütungstarifen des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) ausgerichtet sein. Bei einer solchen Kalkulation von im Wirtschaftsministerium wohl als Kapitalkosten kalkulierten Schwellenwert, auf den noch eine Sicherheitsmarge kommen würde, könnte sich die vom Staat noch zugelassene Einnahmenschwelle auf zehn Cent pro Kilowattstunde reduzieren. Im freien Stromhandel würde diese Schwelle noch leicht den durchschnittlichen Spotmarktpreis des vergangenen Jahres übertreffen. Doch in diesem Jahr handelten die Strombörsenhändler auf dem Spotmarkt zu einem mittleren Preis von immer über 10 Cent bis zu sogar 46 Cent pro Kilowattstunde im August.
BEE-Präsidentin Peter warnte, mit einer rückwirkenden Gewinnabschöpfung besonders bei Windenergie- und Photovoltaik-Anlagen-Betreibern würde die Politik den Unternehmen dringend benötigte Investitionsmittel für den schnellen Kapazitätsausbau bei erneuerbaren Energien aus der Hand nehmen. Dies geschehe ausgerechnet zu einem Zeitpunkt, da die Ausschreibunge neuer Windparkkapazitäten noch stark unterzeichnet seien. Auch der Terminmarkt, der Strommengen für Lieferzeiten in einem, zwei oder drei Jahren handeln lässt, wird nach den Plänen der Regierung wohl noch später mit der Abschöpfungssystematik belegt, allerdings erst im kommenden Jahr.
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