Neue Bemessungsgrundlagen für schalltechnische Gutachten, schwierige Messungen an den zunehmenden Waldstandorten: Mit Innovationen müssen Sie immer wieder auf veränderte Sachlagen reagieren wie zum Beispiel dem Grenzschichtverfahren. Was hat es damit auf sich?
Oliver Bunk: Weil Flächen knapp sind, weichen die Projektentwicklungsunternehmen zunehmend auf Waldstandorte aus, wo sich der Schall allerdings schwieriger messen lässt. Dennoch müssen wir auch dort den schalltechnischen Nachweis der tatsächlichen akustischen Wirkung der Windenergieanlagen führen. Die Geräuschmessungen dürfen maximal die Lärmwerte ergeben, die für das Windparkprojekt genehmigt worden sind. Wir können diesen Nachweis direkt an den Anlagen führen oder an den Immissionsorten, also bei den Anwohnern. Beides hat seinen Charme. Messen wir die Emissionen an der Anlage, prüfen wir die Einhaltung des Garantiewertes der Anlagenbauer. Messen wir den Immissionswert, der bei den Häusern ringsum ankommt, liefern wir die von den Anwohnern gewünschte Information. Das Messen im Wald erschweren tagsüber allerdings viele Fremdgeräusche, wenn beispielsweise Wind durch den Wald fegt. Damit die Messergebnisse gültig sind, müssen wir einen Störgeräuschabstand haben, um den akustischen Unterschied von Windenergieanlagen in Betrieb und abgeschalteten Windenergieanlagen klar genug darzustellen. Akustischer Abstand bedeutet, dass Umgebungs- und Anlagengeräusche sich in der Lautstärke unterscheiden müssen, also keine Verdeckung aufweisen und die Anlagenmesswerte sich nicht mehr den Anlagen zuordnen ließen. Wir gehen deshalb dazu über, nachts zu messen. Wir nennen es Grenzschichtverfahren. Nachts senken sich die Grenzschichten der Atmosphäre ab. In der untersten bodennahen Luftschicht finden dann keine Luftbewegungen mehr statt, während oben am Rotor in den heute üblichen größeren Nabenhöhen guter Wind weht. Bisher fanden Emissionsmessungen vorwiegend am Tag statt. Wir haben für das nordrhein-westfälische Landesumweltamtes ein Forschungsprojekt zu möglichen Tag- und Nachtunterschieden bei den Schallleistungspegeln ausgeführt. Dort stellten wir fest, dass die messbare Schallausbreitung nachts dieselbe bleibt. Menschen mögen sie dennoch als lauter wahrnehmen, weil alle anderen Geräusche zurückgehen.
Welche weiteren Innovationen haben Sie entwickelt?
Oliver Bunk: Die Physik der Schallausbreitung bleibt immer gleich, und wir können sie nicht beeinflussen. Wir haben allerdings das Verfahren zur Schallmessung verbessert. Normalerweise legen wir bei den Emissionsmessungen eine Holzplatte auf den Boden, ein Mikrofon darauf und bestücken dieses mit unserem primären und sekundären Windschirm. Seit längerem gewinnen wir aber Erfahrung darin, mit einer senkrecht aufgestellten Platte zu arbeiten, an Standorten mit hohem Fremdlärmeinfluss die Störgeräusche zum Beispiel vom Waldrand an einer Lichtung oder von einer Autobahn abzuschirmen und haben mit dieser innovativen Messart sehr gute Erfahrungen gemacht. Im alten Brandenburger Windenergieerlass ist so eine senkrechte Platte als Messinstrument ebenfalls beschrieben.
Genau solche Themen werden bei uns im Hause auch auf unserem alle zwei Jahre stattfindenden Windenergie-Forum mit Fachleuten und Behörden vorgestellt und diskutiert. Derzeit läuft für die aktuelle Veranstaltung im September 2023 das Call for Papers und wir freuen uns auf interessante Vorschläge und Vorträge.
Sie bieten an, bei der Schalluntersuchung und bei der Schallvermeidung zugleich zu helfen und sichern damit zwei Flanken ab. Wo können Sie als Dienstleister aber tatsächlich auf die Schallausbreitung einen Einfluss nehmen?
Oliver Bunk: Theoretisch ließen sich Windenergieanlagen schon bei der Parkentwicklung so am Standort verteilen, dass sich dadurch die Lärmimmissionen auf Anwohner reduzieren lassen. Allerdings ist das eher unrealistisch, da viele andere Faktoren für die Standortwahl wichtiger sind wie zum Beispiel, welche Grundstücke zu pachten sind. Das Mittel der Wahl sind daher eher die Betriebsmodi. Erkennen wir schon während der Berechnungen, dass sich die Schallobergrenze nicht einhalten lässt, kann die Anlage auf einen langsameren und schallreduzierten Betriebsmodus mit weniger Leistung wechseln. Alternativ können wir auch den Projektentwicklern oder den Parkbetreibern nachweisen, mit welchem Windturbinenmodell sich durch welche Betriebsmodi die Schallwerte einhalten lassen und dabei noch den Ertrag optimieren können. Sind die WEA bereits errichtet, kann während der Emissionsmessung entschieden werden ob bei positiven Messergebnissen gegebenenfalls der nächsthöhere Betriebsmodus mit ebenfalls mehr Ertrag zum Einsatz kommen könnte. Zudem unterstützen wir die Betreibenden mit der Auslegung von passiven Schwingungstilgern, die auf eine bestimmte von uns als kritisch für die Anlage und den Standort festgestellte Tonfrequenz ausgelegt sind. Natürlich ließen sich auch bereits angebotene aktive Tilger einbauen, deren Wirkbereich durch eine Steuerung über einen breiteren Frequenzbereich zu regeln ist.
Die Anforderungen des Anwohnerschutzes sind sehr diffizil: Wie lassen sich die neuen Delta-Regelungen beim Repowering handhaben, die den Tausch neuer leistungsstärkerer gegen ältere Anlagen erleichtern sollen – und wie lässt sich überhaupt Schattenwurf bei Anwohnern vermeiden?
Oliver Bunk: Die sogenannte Delta-Regelung findet sich im relativ neuen Paragraf 16 b des Bundesimmissionsschutzgesetzes. Dieser erlaubt, dass die Windparkerrichter die neue Turbine in einer Entfernung von bis zu ihrer zweifachen Gesamthöhe weg vom Standort der abgebauten Altanlage installieren dürfen – und dann der Windpark als Repowering-Windpark gewisse Erleichterungen bei der Genehmigung erhält. Das ermöglicht eine Schallreduzierung auch dadurch, dass die Projektentwickler im Repoweringgebiet mit grundsätzlich gut verfügbaren Grundstücken die neuen Anlagen etwas zueinander verschieben können. So ließen sich eventuell die Lärmeinwirkungen auf Anwohner reduzieren. Vor allem aber fällt nun eine Herausforderung aufgrund neuer Lärmbemessungsvorgaben weg: Für Altanlagen galt noch ein anderes, einfacheres Lärmberechnungsverfahren als das heutige sogenannte Interimsverfahren. Das neue Verfahren sieht Berechnungen mit Oktav-Schallleistungspegel vor. Wo alte Windturbinen zwar die Immissionsobergrenze von 45 Dezibel nach der früheren Bemessung eingehalten haben, würden sie nach dem heutigen Verfahren womöglich auch 47 Dezibel verursachen. Wenn nun die neue Anlage nun zwar die 45 nicht einhalten würde, aber maximal 46 Dezibel verursacht, ist sie als Verbesserungsmaßnahme zulässig.
Um Schattenwurf zu vermeiden, der einen Diskoeffekt mit rasch wechselnden Hell-Dunkel-Belichtungen der Häuser bewirkt, müssen die Windparkbetreiber eine Abschaltung für bestimmte Zeiten programmieren. Diese Abschaltungen lassen sich optimieren: Sie müssen nicht zu festen Tages- und Jahreszeiten immer stattfinden, da dies ein Schutz vor dem Schattenwurf-Worts-Case wäre. Diese Regelung ginge davon aus, dass die Sonne tagsüber immer scheint, die Lichtstrahlen im 90-Grad-Winkel auf den Rotor treffen und die Turbine immer dann verfügbar ist und immer ausreichend Wind herrscht. Weil der reale Schattenwurffaktor aber kleiner ist, lassen sich mit Sensoren die Anlagen genauer programmieren. Sie müssen dann seltener abschalten, können beispielsweise an trüben Tagen unterbrechungsfrei Strom erzeugen, sobald die Helligkeit unter einen bestimmten Wert sinkt. Auch die Windrichtung kann diese Abschaltprogrammierung berücksichtigen, weil sie entscheidet, in welchem Winkel der Rotor zu den Sonnenstrahlen steht und wie breit und weitreichend daher dessen Schatten ist.
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