Katharina Wolf
Wie erreichen wir Klimaneutralität bis 2045? Während sich das neue Klimaschutzgesetz noch im Parlamentarischen Verfahren befindet, hat die Diskussion um Maßnahmen und Möglichkeiten längst begonnen. Und während die einen für den die Senkung der Treibhausgasemissionen kämpfen, denken andere darüber nach, wie bereits emittiertes CO2 aus der Atmosphäre wieder eingefangen werden kann.
„Wir müssen auf die CO2-Entnahme aus der Atmosphäre vorbereitet sein“, sagt Sabine Fuss, Mitautorin eines Arbeitspapiers des Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change (MCC). Alle Klimaschutzszenarien gingen davon aus, dass Direct Carbon Capture (DCC) nötig sein wird, weil sich Restemissionen aus Industrie und Landwirtschaft nicht vollständig vermeiden lassen. Laut MCC seien dies weltweit bis 2100 mindestens 100 Gigatonnen CO2. „Und je länger die Klimapolitik braucht, um die Emissionen zu senken, desto mehr müssen wir entnehmen“, so Fuss.
Für Deutschland würde das laut Arbeitspapier bedeuten, dass bei einer angenommenen Klimaneutralität bis 2050 und einer sofortigen und ambitionierten Klimapolitik die Restemissionen bei 60 Millionen Tonnen CO2 liegen. „In unseren Berechnungen sind die neuen Klimaschutzziele noch nicht enthalten. Es dürfte daher eher mehr sein als weniger, weil auch noch keine negativen Emissionen enthalten sind“, sagt Fuss.
Eine Technologie, um diese Menge an Treibhausgasen aus der Luft zu filtern und zu speichern, sei derzeit noch nicht großskalig verfügbar, doch die Potenziale der einzelnen möglichen Technologien reichten nach Ansicht von Fuß aus, um mindestens diese Menge an CO2 in Deutschland abzuscheiden: „Deutschland kann netto-negativ werden“, so Fuss.
Potenziale der einzelnen Technologien in Deutschland
Die unterschiedlichen Technologien haben unterschiedlich große Potenziale, da sie durch verschiedenste Faktoren limitiert werden. So ermittelte das MCC:
„Aufgrund von Flächenkonkurrenz liegt das Gesamtpotential jedoch unter der Summe der einzelnen Potentiale“, betont Fuss. Die Kosten seien wegen der dünnen Datengrundlage nicht für Deutschland spezifisch, sondern ein globaler Wert. "Die Kosten vor allem der technischen Optionen sind aber zunächst ähnlich einzustufen wie die aus dem globalen Assessment, zum Beispiel ist es auch bei einem anderen Energiemix nicht realistisch, dass die Kosten für die durch direkte Luftfilter (DACCS) entfernte Tonne CO2 substantiell niedriger sind", so Fuss.
Es gebe eine große Bandbreite an möglichen CO2-Entnahmepfaden, sowohl in 1,5°C- als auch in 2°C-Klimaschutzszenarien. „Das bedeutet: Es ist nun ein gesellschaftlicher Diskurs notwendig, der Risiken und Nutzen der verschiedenen Pfade abwägt und entscheidet – erstens wie viel CO2 der Atmosphäre entzogen werden soll und zweitens auf welche Art und Weise dies durchgeführt werden soll.“
Land-basierte Entnahmepraktiken, wie Aufforstung oder Wiedervernässung von Mooren, könnten bereits bei der geplanten Verschärfung der 2030-Minderungsziele mitgedacht werden, so Fuß. Der Vorteile liege in den relativ niedrige Kosten und größeren Akzeptanz. Problematisch seinen indes Monitoring und Permanenz - ein Wald könne abbrennen oder abgeholzt werden. Da die Potentiale dieser Maßnahmen aber nicht ausreichten, müssten auch Techniken berücksichtigt werden, die die geologische Speicherung beinhalten (CCS), so Fuß. Hierbei sei die öffentlichen Akzeptanz die größere Herausforderung. Gleichzeitig fehlten Anreize und Infrastruktur.
Herausforderungen für die Politik
Emissionen und Entnahmen von CO2 sollten deshalb gleich hoch bepreist werden, sagt Matthias Kalkuhl, ebenfalls Autor des Arbeitspapiers. „Eine aktive Entnahme von CO2 muss finanziell entgolten werden.“ Prinzipiell sei die über die CO2-Bepreisung möglich, entweder über einen vorgegebener Preispfad je dauerhaft vermiedener Tonne oder ein vorgegebenes Entnahmeziel, bei dem Preis wird über eine Auktion ermittelt wird. Langfristig könne die Finanzierung in die bestehende CO2-Preissysteme wie den EU-ETS, BEHG integriert werden – dauerhaft entnommenes CO2 würde Zertifikate generieren, so Kalkuhl. Die Preise pro entnommener Tonne müssten zwischen 150 und 300 Euro pro Tonne liegen.
Gleichzeitig stellten sich eine Reihe von Frage: Wie kann ein Monitoring organsiert werden, das die dauerhafte Speicherung des CO2 sicherstellt? Wer haftet für entweichendes Treibhausgas? Wie kann einem zu großen Flächenverbrauch entgegengewirkt werden? „Für CO2-Entnahme braucht es ein Paket aus Politikmaßnahmen“, so Kalkuhn.