Der bisher in Düsseldorf residierende Energiekonzern Eon hat am Mittwoch angekündigt, dass die Verantwortung für seine deutschen Atomkraftwerke beim Mutterkonzern Eon verbleibe. Eon-Vorstandsvorsitzender Johannes Theißen sagte: „Mit dieser Entscheidung beugen wir Risiken für die Umsetzung unserer Konzernstrategie vor. Denn wir können und wollen nicht auf etwaige politische Entscheidungen warten, die die Abspaltung von Uniper verzögern könnten.“ Insbesondere aber das nun drohende Risiko aus der geplanten Entkopplung zwischen Haftung und unternehmerischem Einfluss sei nicht tragbar.
Bereits Ende 2014 hatte Eon den Konzernplan bekannt gegeben, künftig nur noch die zukunftsträchtigsten Konzernbereiche Erneuerbare Energien und Netzbetrieb komplett unter dem Eon-Dach weiter betrieben zu wollen. Dazu solle die Firmenzentrale Eons von Düsseldorf nach Essen umziehen, wo schon heute die Regenerativsparte Eon Climate amp; Renewables ihren Sitz hat. In Düsseldorf wollte Eon hingegen das neue Unternehmen Uniper einrichten, das die drei eigenen Atomkraftwerke sowie weitere Kohlekraftwerke weiter betreiben sollte. Allerdings hatten daraufhin sofort viele Akteure in Politik und Energiebranche gewarnt, Eon wolle damit nur die Verantwortung für die gesetzlich verfügte Abwicklung seiner Atomkraftwerke sowie der teuren Endlagerung an das neue Unternehmen los werden. Im Falle einer wahrscheinlich danach drohenden Insolvenz von Uniper hoffe Eon auf ein Einspringen von Staatskasse und Steuerzahlern. Den Verdacht hatte Eon im Frühjahr noch genährt. Damals forderten die Düsseldorfer zusammen mit den anderen beiden führenden Energiekonzernen in Deutschland, Vattenfall und RWE, die Einrichtung einer öffentlich-rechtlichen Stiftung, die für die Restlaufzeit die Atomkraftwerke weiter betreiben und die Endlagerung übernehmen sollte.
Berlin plant Anti-Ausgliederungsgesetz – Eon reagiert
Anfang September waren Pläne von Bundeswirtschafts- und Energieminister Sigmar Gabriel bekannt geworden, der dieser Strategie der Energiekonzerne einen Riegel vorschieben würde. Die Novelle sieht bislang vor, dass die Haftung bis zur Stilllegung des Atomkraftwerkes und Endlagerung auch dann nicht erlischt, wenn die Energiekonzerne die Mehrheit an dem neuen Atomkraftwerks-Betreiber-Unternehmen abgegeben haben werden. Insbesondere soll die Haftung der Atomkraftwerksbetreiber nicht mehr entsprechend der bisherigen Ausgliederungsregeln fünf Jahre nach der Ausgründung erlöschen – sondern auf Dauer fortbestehen.
Eon hat daraufhin gedroht, gegen das Gesetz möglicherweise gerichtlich vorzugehen. Allerdings scheinen sich die Energiekonzerne noch mit dem Staat darauf einigen zu wollen, dass der Steuerzahler letztlich doch einspringen muss. So sagte Theyßen am Mittwoch auch: „Für konstruktive Lösungen sind wir nach wie vor offen. Staat und Unternehmen sind gemeinsam in die friedliche Nutzung der Kernenergie eingestiegen, jetzt müssen beide diesen Weg auch in gemeinsamer Verantwortung zu Ende gehen.“
Steuerzahler dürfte trotzdem haften
Dass es dazu kommt, erscheint vielen nicht unwahrscheinlich. Der gewöhnlich eher regierungsnah kommentierende öffentlich-rechtliche Radiosender Deutschlandfunk etwa ließ am Donnerstag in einem Meinungsbeitrag den Redakteur Georg Ehring deutliche Kritik an der langen Atomkraftgeschichte der deutschen Stromerzeugung zu Wort kommen. „Aus heutiger Sicht“ sei die Atomkraft „unter Einberechnung aller Kosten ein Fehlgriff und könnte uns noch teuer zu stehen kommen“, resümierte Ehring in dem Donnerstagabend-Beitrag. Allerdings sei es mit der Atomkraft und den Energiekonzernen auf der einen Seite und den Erneuerbaren Energien und der heutigen Bevölkerung auf der anderen Seite irgendwie wie mit den Eltern und den Kindern. Anfangs hafteten die Eltern für ihre Kinder und versorgten sie. Seien die Eltern aber alt geworden, sei das umgekehrt. Und auch wenn das anstrengend und mit finanziellen Opfern verbunden sei, dürfe diese Familienaufgabe nicht dem Staat allein übertragen werden. Die Schlussfolgerung des Kommentators: So würden letztlich auch heutige Generationen und die neue Energiewirtschaft für die Gesamtkosten der alten Energieerzeugung aus Atomkraftwerken bezahlen müssen. Gehring erklärte zwar abschließend, die Steuerzahler sollten erst dann einspringen, wenn aus den einstigen Energieerzeugungsmonopolisten „mangels Masse nichts mehr zu holen ist“. Doch ob er es hierbei bis zur völligen Aufzehrung der ehemaligen Energiemonopolisten kommen lassen würde oder nicht, ließ der Kommentator offen.
Ebenso geht der Deutschlandfunk-Autor ähnlich anderen Beobachtern des aktuellen Ringens um eine gesetzliche Lösung davon aus, dass die Konzerne nicht vollständig für die Kosten aufkommen können werden. Weder mit ihren Rücklagen von insgesamt 38 Milliarden Euro, die zudem bereits in Beteiligungen an neuen Unternehmen stecken, noch mit ihren sinkenden Unternehmenswerten brächten sie hierfür genug Masse auf die Waage. Aktuelle Schätzungen gehen tatsächlich von mehr als 50 Milliarden Euro Bedarf für die Abwicklung der Atomkraft aus.
Übrigens: In seiner Bundestagsrede zum Einzelplan Wirtschaft und Energie des Bundeshaushalts in dieser Woche ließ Bundeswirtschaftsminister Gabriel seine Gesetzesinitiative unerwähnt.
(Tilman Weber)