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Erneuerbare – Ja, bitte!

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Die Trecker am Ortsrande von Dannenberg nehmen an diesem Montag kein Ende. Prallvolle, schwankende Anhänger im Schlepptau, tuckern sie von den Feldern herüber ins Gewerbegebiet. Kaum haben sie den Mais-Hack abgekippt, biegt schon die nächste Fuhre um die Ecke. Wuchtige Radlader hieven das Grünzeug aufeinander, Planierschieber kriechen über die Haufen und pressen sie zusammen. Es ist Oktober, Erntezeit im Wendland, und was hier geerntet wird, das soll auch möglichst hier zu Geld werden. Deswegen setzt die Region auf erneuerbare Energien.

24.000 Tonnen werden sich am Ende in den Mieten von Horst Seide stapeln, gehackter Mais, Gras, Hühnertrockenkot und Petersilie. Die Jahresration für seine Biogasanlage. Neben Seide selbst liefern zwei Dutzend weitere Landwirte aus der Gegend zu, die meisten haben die Energiepflanzen in ihre Fruchtfolge eingebaut, auf einem Viertel bis einem Fünftel ihrer Fläche. Das sichert ihnen ein verlässliches Basis-Einkommen.

Horst Seide, Landwirt, Energieerzeuger und Biogas-Pionier, das T-Shirt fleckig von der Arbeit, hat viel zu tun in diesen Tagen, nicht nur beim Einweisen der Trecker. Denn Seide will mehr ernten als nur Strom und Wärme aus seinem Blockheizkraftwerk. Er will einen Teil des Biogases, das in den großen Gärtanks aus dem Grünzeug entsteht, zu Biomethan in Erdgasqualität veredeln. Eingespeist ins öffentliche Gasnetz soll dieses Gas aus nachwachsenden Rohstoffen das endliche fossile Erdgas ersetzen. Das schont das Klima und spült Geld nach Dannenberg – Geld, das sonst für Gasimporte nach Russland, Norwegen oder anderswohin flösse. Seide macht 2,5 Millionen Euro Umsatz im Jahr.

„Der Atomstreit hat es angestoßen“

Das Wendland, politisch gesehen der Landkreis Lüchow-Dannenberg im äußersten Osten Niedersachsens, ist eine dünnbesiedelte und strukturschwache Region. In deren hintersten Winkel, in Gorleben, wollte die niedersächsische Landesregierung 1977 ein „nukleares Entsorgungszentrum“ errichten, Atommüll-Endlager im Salzstock inklusive. Der Widerstand dagegen hält bis heute an.

Viele wollten nicht nur gegen etwas, sondern auch für etwas kämpfen, sagt Seide. Initiativen entstanden, 1997 folgte der Kreistag mit dem Entschluss, die Energieversorgung der Region auf 100 Prozent erneuerbare Energien umzustellen. Ein politisches Signal, gerade mit Blick auf den Streit um die Atomanlagen, klar. Inzwischen zeigt sich, dass es auch wirtschaftspolitisch eine richtige Entscheidung war.

Seide ist Vorsitzender des Vereins „Region aktiv“, der die Energiewende im Landkreis seit Jahren mit vorantreibt. „Der Atomstreit um Gorleben hat das mit angestoßen“, sagt er. Früher
als vielerorts drehten sich im Wendland die ersten Windkraftanlagen, Bürgerinnen und Bürger finanzierten sie. Das Geld für den Strom
blieb damit zum größten Teil in der Region. Zahlreiche Anlagen externer Investoren kamen hinzu. Auch diese werfen zumindest Pacht und – wenn sie demnächst abgeschrieben sind – Gewerbesteuern ab.

Klare Brühe – Seides Zauberformel

In der regionalen Erzeugungsstatistik hat Strom aus Biomasse mit 87.820 Megawattstunden (2009) dem aus Wind (2009: 27.817 Megawattstunden) längst den Rang abgelaufen. Insgesamt liegt der Ökostrom-Anteil im Landkreis, übers Jahr gemittelt, bereits bei über 63 Prozent. Die Vollversorgung ist, zumindest im Strombereich, in greifbarer Nähe. Bis Ende 2011, das verkündete unlängst der Landrat, solle zudem ein Drittel des Wärmebedarfs aus erneuerbaren Energien stammen und Biokraftstoffe in der Region einen Marktanteil von zehn Prozent erzielen. Das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz zählt die „Bioenergieregion Wendland-Elbtalaue“ zu den innovativsten im Bereich Erneuerbare Energien in Deutschland.

An einem Tisch in der Sonne, hinter dem Schuppen, in dem Seides Generatoren dröhnen, rührt ein Ingenieur in einem Messbecher mit schwarzer Suppe. Ein Kaffeefilter hält die Aktivkohle zurück. Steffen Golka interessiert sich für die Flüssigkeit, die unten rausläuft. Prüfend hält er sie ins Licht. Gelblich ist sie, klar sollte sie sein. Golka ist noch nicht zufrieden.

Die trübe Brühe ist die Zauberformel für Seides neueste Einnahmequelle: seine Gasaufbereitungsanlage. Zwei große Container fassen das Gewirr aus roten, blauen und silbernen Rohren, Filtern, Reglern, Kühlern, Verdampfern, Ventilen, Messgeräten und Behältern. In einem der letzteren soll das Gas aus den Gärtanks durch besagte Waschflüssigkeit perlen. Die nimmt das darin enthaltene CO2 auf, übrig bleibt reines Bio­methan, das Seide als Erdgas-Ersatz vermarkten will. Um das CO2 anschließend wieder aus dem Waschwasser zu entfernen, muss dieses erhitzt werden. Seide nutzt dafür die Abwärme seines Biogas-Blockheizkraftwerkes. Die Restwärme der Gasaufbereitung, immer noch 80 Grad, speist er in seine frisch gebaute Nahwärmeleitung ein. Ein Hühnerverarbeiter ein paar hundert Meter weiter kauft sie ihm ab. Ein lohnendes Geschäft, von dem am Ende alle profitieren: Die Landwirte, welche die Biogasanlage beschicken. Der Nachbarbetrieb, der günstig an seine Wärme kommt. Seide selbst, der Ökostrom, Abwärme und Biomethan vermarktet. Die Firmen aus dem Landkreis, die Seides Anlagen bauen. Die örtliche Volksbank, die sie finanziert. Die Handwerker aus der Gegend, die sich um Reparaturen kümmern. Die Gemeinde, der Landkreis, der Staat, die von den lokal erwirtschafteten Steuern profitieren. Nicht zu vergessen die Umwelt, denn Bioenergie ist im Prinzip treibhausgasneutral.

Klimaschutz, Energiewende und regionale Wertschöpfung gingen Hand in Hand, sagt Daniela Weinand. Die Umweltwissenschaftlerin hat das „Integrierte Klimaschutzkonzept“ des Landkreises verfasst, das zugleich ein Energiekonzept ist. Im Jahr 2020, hat sie errechnet, könne der Landkreis sogar 27 Prozent mehr Ökostrom erzeugen, als er selbst verbrauche. Auch der Wärmebedarf könnte, ordentliche Gebäudedämmungen vorausgesetzt, locker durch erneuerbare Energien gedeckt werden. Der prognostizierte Überschuss an Biomasse oder Biogas, die anderswo für Heizzwecke genutzt werden könnten, liegt bei 16 Prozent. Allein beim Verkehr ist Weinand nicht so optimistisch. Das Auto, Energiefresser Nummer eins, ist in der dünn besiedelten Region, die nicht einmal über einen ordentlichen Bahnanschluss verfügt, kaum wegzudenken. Weinand geht bis 2020 von einem Bio­treibstoff-Anteil von gut 20 Prozent aus.

Im Kreistag wäre das Konzept fast gescheitert: Die CDU stimmte dafür, die Grüne Liste enthielt sich schließlich. Sie habe bei allen Annahmen sehr konservativ gerechnet, erläutert Weinand: „Die Pioniere sind enttäuscht.“

Mehr Geld in kommunaler Kasse

2009 erwirtschafteten die Biogas-, Windkraft- und Solaranlagen im Landkreis allein mit ihrem Stromverkauf einen Ertrag von 19,2 Millionen Euro, von denen ein großer Teil direkt in der Region verblieb. Bei 50.000 Einwohnern macht das 384 Euro pro Kopf. Ökonomisches Ziel ist, künftig den größtmöglichen Teil der Wertschöpfungskette aus der Energieproduktion in der Region zu halten.

Mit Bioenergie geht das besonders gut. Ende 2011 soll allein ihre Nutzung eine regionale Wertschöpfung in Höhe von 58 Millionen Euro sicherstellen. Bei einer Vollversorgung mit erneuerbaren Energien in allen Bereichen, unterstreicht Weinand, wäre noch viel mehr möglich. Jeder der 20.000 Haushalte des Landkreises, rechnet sie vor, gebe im Schnitt rund 2.500 Euro jährlich allein für Strom und Wärme aus (siehe Kasten auf Seite 35). Das Gros davon lande in den Lieferländern der fossilen Rohstoffe und bei den großen Energieunternehmen, von den Stromkonzernen bis zu den Raffineriebetreibern. Gleiches gelte für den Energieverbrauch des Verkehrs, der Wirtschaft und der Kommunen, in der Summe gut anderthalbmal so groß wie jener der privaten Haushalte. Komme die Energie künftig komplett aus der Region, könne sich diese über einen Geldsegen von locker 100 Millionen Euro jährlich freuen – von den regionalen Arbeitsplätzen, die dadurch geschaffen und gesichert würden, einmal ganz abgesehen. Die derzeitige Schuldenlast des armen Landkreises dürfte dann der Vergangenheit angehören.

Saubere Energie, auch wenn es stinkt

Eine umweltfreundliche Energieversorgung in eigener Hand – „die Leute hier sind für so etwas aufgeschlossener als anderswo – auch wegen Gorleben“, sagt Jörg-Heinrich Siemke. Der Bauunternehmer steht am Ortsrand von Breese in der Marsch, einem Nachbardorf Dannenbergs. Hinter ihm stapelt sich der Mist. Der eine Abfluss des Lagerplatzes ist verstopft, die braune Brühe bildet große Pfützen, wenn der Radlader die nächste Fuhre abholt, schmatzt es. Ein Foto? – Gerne, aber nicht hier.

Siemke trägt ein weißes Hemd. Fermenter, Gasspeicher und Blockheizkraftwerk hat er in einer Halle versteckt, außen mit hellem Holz verkleidet. Der Bau ähnelt eher einem Stall als einer Gäranlage. 526 Kilowatt Strom erzeugt der Generator, die Abwärme des Motors, noch einmal gut soviel, versorgt den Großteil des Dorfes, Kindergarten und Sportverein inklusive. Das reicht bis November, dann springt eine Holzhackschnitzel-Zusatzheizung an. Drei Kilometer lang ist die Leitung, die Siemke durchs Dorf zog. Einen Heizungskeller mit eigenem Öl- oder Gaskessel – das braucht in Breese niemand mehr.

„Wir veredeln Mist“

Es sei nicht sonderlich schwer gewesen, die Dorfbewohner vom Anschluss an die Nahwärmeleitung zu überzeugen, sagt Siemke. Der Vorschlag, sich von den großen Energiekonzernen und Rohstofflieferanten unabhängig zu machen, stößt in dieser Gegend auf viel Sympathie, ebenso die Aussicht auf eine CO2-neutrale Heizung. Hinzu kommen die wirtschaftlichen Argumente. Siemke rechnete vor, was eine neue Heizung kostet und der jährliche Brennstoff dafür – und wie billig die Abwärme seines Blockheizkraftwerkes kommt. Drei Cent pro Kilowattstunde Wärme könnten seine Kunden sparen, sagt er. Das macht, je nach Heizbedarf, 200 bis 2.000 Euro im Jahr.

Siemkes Bagger verlegten die Leitung, die Montage der Hausanschlüsse übernahmen örtliche Klempner. Bei der Biogasanlage selbst setzte der Unternehmer auf die Trockenfermentation. Das Gärgut, in diesem Fall vor allem Mist, Gras und Mais, wird dabei nicht wie meist üblich in flüssiger Form vergoren, sondern in eine von sieben hermetisch abschließbare Boxen gepackt, jede 500 Kubikmeter groß. Austretendes Wasser, reich an Methanbakterien, wird gesammelt und bei Bedarf über dem Gärsubstrat verrieselt. Das beschleunigt den Fermentationsprozess. Nach 25 bis 30 Tagen kann die Box geleert und wieder neu befüllt werden. Heraus kommt guter, nicht so aggressiver Dünger, den die Landwirte gerne wieder mitnehmen. „Wir veredeln Mist“, sagt Siemke.

Entwickelt hat die Technik die Firma Bioferm aus Bayern. Siemke verbesserte sie mit ihr zusammen zur Marktreife und erschloss seinem Unternehmen, das bis dato vornehmlich Brücken und Kanäle baute, damit ein Spezialgebiet. Sieben weitere Anlagen hat er bereits errichtet, bundesweit. Vier weitere sind in Bau. Sein Bruder, Landwirt und Mitbetreiber der Biogasanlage in Breese, hat sich mit dieser einen sicheren Abnehmer für seine Produkte geschaffen. Siemke blickt auf die Halle, in welcher der Mist vor sich hin gärt. „Eigentlich profitieren alle davon.“

Ob in Quickborn, Jameln, Gartow – mehr als zwei Drittel der 33 Biogasanlagen im Landkreis nutzen inzwischen zumindest einen Teil der Abwärme. Nahwärmenetze, drückt es Siemke aus, „sind eine wirtschaftliche Optimierung“.

700 Bio-BHKWs „made in Gorleben“

Seine Wärmeleitung in Breese wird der Unternehmer demnächst um zwei Kilometer verlängern: Das Nachbardorf Gümse soll ebenfalls ans Netz. Das Holz für die Zusatzfeuerung im Winter will Siemke künftig selber werben. „Wir haben genug Wälder vor der Haustür“, sagt er. Maximale Wertschöpfung in eigenen Händen lautet das Prinzip auch hier. Trocknen sollen die Hackschnitzel übrigens im eigenen Holzlager – mit der im Sommer überschüssigen Abwärme des Biogasblockheizkraftwerkes.

Zwanzig Kilometer weiter, am Ortsrand von Gorleben, ragen die Stümpfe des frisch gerodeten Waldes noch aus der Erde. „Der Zaun hier ist ganz neu“, sagt Detlef Schulz und zeigt auf das Drahtgeflecht vor der Rodungsfläche: „Nun müssen wir ihn schon wieder versetzen.“ Bei Dreyer amp;Bosse ist Expansion angesagt.

Gegründet 1997 als Zwei-Mann-Garagenfirma, beschäftigt das Unternehmen, das Biogas-Blockheizkraftwerke und die zugehörigen Gasreinigungsanlagen entwickelt, inzwischen an die hundert Menschen. „Wir stellen immer noch ein“, fügt Geschäftsführer Schulz hinzu. Er führt durch die Fabrik- und Lagerhalle, eine Flex kreischt, es riecht nach verbranntem Metall. Jeder Quadratmeter ist mit Werkbänken und Bauteilen belegt. Einige Regale mussten bereits unters Vordach ausweichen. Die Endmontage der Kraftwerke in den aufstellfertigen Containern findet längst im Freien statt. Ein knappes Dutzend der Stahlkisten steht in Reih und Glied auf dem Gelände. 80 Anlagen werden bis Ende des Jahres montiert sein, 15 mehr als im Vorjahr. Der Umsatz? „20 Millionen plus X“, erwidert Schulz. Das Startup hat sich, nach den Atommüll-Anlagen draußen im Wald, zu einem der größten Gewerbesteuerzahler der Region entwickelt.

Weltweit produzieren inzwischen über 700 Kraftwerke made in Gorleben ökologischen Strom. Von der Gesamtleistung kommt das einem kleinen Atomkraftwerk nahe. Ein Ende des Booms ist nicht abzusehen. Dreyer amp;Bosse kann sich vor Anfragen kaum retten. „Wir müssen unseren Vertrieb schon bremsen“, bedauert Schulz. Aufträge für dieses Jahr nimmt er keine mehr an.

Das Unternehmen ist durch die Landwirte groß geworden, die die Anlagen aufstellten. Die ersten standen in der Region. Bis heute legt man Wert auf gute Zusammenarbeit – und darauf, dass die Produkte „Sinn machen“, wie Schulz es ausdrückt. Von Großanlagen, betrieben von Konzernen oder Investoren, denen die Bauern nur noch die Rohstoffe zuliefern, hält er eher wenig: „Die Wertschöpfung muss bei den Landwirten bleiben.“

Den nächsten Schritt in diese Richtung haben Schulz und seine Kollegen schon eingeleitet. Eine Million Euro investierten sie, um eine auf den Betrieb von Biogas-Blockheizkraftwerken optimierte Gasaufbereitung zu entwickeln. Biogas zu Bio-Methan veredeln ist das Ziel, und zwar mit höchster Methankonzentration und niedrigstem Energieaufwand. Die Lösung der Ingenieure heißt „Varioheat“, arbeitet mit einer Aminlösung, die nur noch auf 135 Grad erhitzt werden muss und lohnt sich nach Aussage von Schulz schon bei einem Biogasdurchsatz von 350 Kubikmeter pro Stunde. Die Pilotanlage entsteht gerade in Dannenberg – bei Horst Seide.

Im ganzen Landkreis speisen bisher zwei Anlagen – beide arbeiten mit anderen Verfahren – aufbereitetes Biogas ins Erdgasnetz ein. Mit Seides, die noch auf ihre TÜV-Abnahme wartet, sind es drei. Bundesweit sind es 36. Setzt sich die Biogasaufbereitung durch, könnte das einen neuen Boom auslösen. Denn die Einspeisung ins Gasnetz erlaubt, mit nachwachsenden Rohstoffen betriebene Gas-Blockheizkraftwerke dort zu bauen, wo Abnehmer für die Wärme sitzen – ein entscheidender Faktor für die Wirtschaftlichkeit der Anlagen. Zudem stünden auf einmal in Form der vorhandenen Erdgasspeicher riesige Speicherkapazitäten für erneuerbare Energien bereit. Die Landwirte könnten ihr Produkt, die Energiepflanze, in Form von Bio-Methan an jeden Gasverbraucher und damit bis zum Endkunden vermarkten, ebenso das bei der Gasaufbereitung freiwerdende reine CO2, das sich für industrielle Zwecke nutzen lässt. Wird auch das Gasnetz noch von regionalen Stadtwerken betrieben, liegt damit im Prinzip die ganze Wertschöpfungskette in der Region. 

Gaseinspeisegesetz muss kommen

„Wenn das ein Nischenprodukt werden würde, wären wir da nicht eingestiegen“, sagt Schulz. Der Marketing-Chef ist überzeugt: „Das Geschäft läuft jetzt erst richtig an.“ Flächendeckende Biogasanlagen, die ins Erdgasnetz einspeisen, würden den großen Energiekonzernen eine weitere dezentrale Konkurrenz bescheren – ähnlich wie beim Strom. Kein Wunder, dass sie mauern. Seide etwa musste ordentliche Konditionen für die Einspeisung seines Gases in das Netz von Eon erst vor Gericht einklagen. Helfen könnte ein Gaseinspeisegesetz. Seide ist sicher: „Das wäre der Durchbruch.“

Etwa die Hälfte seines Biogases will der Pionier in wenigen Wochen zu Biomethan veredeln und ins Netz einspeisen. Um Abnehmer muss er sich selber kümmern. Gefunden hat er gleich zwei: ein Blockheizkraftwerk in Schleswig-Holstein – und die Autofahrer aus dem Landkreis. Ihnen wird Seide sein Gas an einer Zapfsäule der Raiffeisentankstelle in Dannenberg verkaufen. Nach der 2006 in Betrieb gegangenen in Jameln, der ersten bundesweit, wird das die zweite Bio-Methan-Tankstelle im Landkreis sein. Das „Wendländer BioGas“, so heißt die Marke, ist schon heute eine Erfolgsgeschichte. Denn die Aussicht, mit Treibstoff aus der Region fahren zu können, ließ die Nachfrage nach entsprechenden Autos explodieren. Jeder sechste Neuwagen im Landkreis ist inzwischen ein Erdgasfahrzeug. Bundesweit lag die Neuzulassungs-Quote 2009 bei 0,26 Prozent. Sorgen um den Absatz seines Gases macht sich Seide daher nicht: Zumal Bio-Methan auch weiterhin steuerbefreit und deswegen deutlich billiger als andere Kraftstoffe ist. Anderthalb Liter Benzin entsprechen einem Kilo Biomethan. An der Zapfsäule in Jameln kostet das 93 Cent. Wovon der größte Teil beim Bauern um die Ecke landet: BP, Eon und andere Energiekonzerne bleiben außen vor.          

Armin Simon