Der BSW Solar prognostiziert einen rascheren Zubau von Großspeichern zur Netzunterstützung für die kommenden Monate. Wie sehen Sie die Entwicklung der Nachfrage nach solchen großen Speichern?
Hans Urban: Tatsächlich gibt es momentan immer wieder Ankündigungen für sehr große Großbatteriespeicherprojekte. Dazu ist zunächst zu sagen, dass diese Speicher auch sehr dringend benötigt werden. Denn während die ersten 50 Prozent an fluktuierenden erneuerbaren Energien im Netz noch sehr gut aufgenommen werden konnten, sind für die zweiten 50 Prozent auf dem Wege zur Dekarbonisierung genau diese Speicherkapazitäten dringend erforderlich. Ein klares Anzeichen dafür sind die sehr stark zunehmenden Abregelungen im Photovoltaikbereich, die wir im Sommer 2024 bereits gesehen haben.
Werden tatsächlich so viele Speicher gebaut?
Es gibt zweifellos sehr viele Firmen, die diese Speicherprojektmärkte in Zukunft für sich erschließen wollen. Tatsache ist aber auch, dass diese Speicher momentan zunächst meist nur angekündigt werden, aber bisher nicht unbedingt im Bau sind. Investoren achten natürlich bei solch großen Projekten sehr genau darauf, wie sich die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen entwickeln, ehe sie zum tatsächlichen Spatenstich schreiten. In dem Zusammenhang sollte vielleicht auch erwähnt werden, dass man die zukünftige Marktgröße nicht aus den vielen Anfragen an die Netzbetreiber ableiten kann und sollte. Denn viele Firmen versuchen momentan, sich solche Projektchancen zu sichern, haben aber oft selbst gar keine Realisierungsabsichten. Des Weiteren ist sicher mit einer sehr hohen Rate von Mehrfachanfragen zu rechnen.
Wie werden diese Speicher in der Regel finanziert?
Das ist eine sehr wichtige Frage, denn man kann nicht oft genug betonen, dass diese Speicher, zumindest soweit es sich um echte Netzspeicher handelt, alle zu 100 Prozent privat finanziert werden und keine Förderung aus irgendwelchen öffentlichen Geldern bekommen. Sie belasten auch nicht die Strompreise oder die Netzentgelte, denn ihre Refinanzierung entsteht durch die Aufwertung erneuerbarer Energien, die zu Überflusszeiten am Markt sehr günstig sind, in Mangelsituationen aber zu guten Preisen an der Strombörse wieder verkauft werden können.
Das ist der klassische Arbitragehandel, bei dem die Speicher durch Preisunterschiede am Strommarkt refinanziert werden. Mit welcher Entwicklung rechnen Sie in diesem Segment?
Auch das ist eine sehr wichtige Frage, weil sie die Grundlage der langfristigen Investitions- und Finanzierungsmodelle für die Speicherprojekte ist. Viele Marktanalysten beschäftigen sich damit, den Arbitragehandel und auch die anderen Geschäftsmodelle mittel- und längerfristig zu prognostizieren. Generell kann man aber sagen, dass die ausgeschriebenen Geschäftsmodelle bei wachsenden Kapazitäten von Batteriespeichern am Markt sich durch ihre Begrenzung auf eine feste Marktgröße sozusagen selbst kannibalisieren können.
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Wieso?
Die Speicher refinanzieren sich über den Börsenstromhandel. Doch sie wirken mit ihrer Steuerung der Ursache entgegen. Sie dämpfen die Preisschwankungen. Allerdings steht hier einer gewissen Menge an Großbatteriespeichern im Vergleich zum Beispiel zur Primärregelleistung ein wesentlich größerer Markt gegenüber. Hinzu kommt, dass die Preisschwankungen durch den weiteren Ausbau von erneuerbaren Energien tendenziell auch wieder zunehmen. Die meisten Analysten gehen deshalb in der Summe von tragfähigen Investitionen auch für die nächsten Jahre aus. Dennoch ist zu sagen: Das Risiko für diese freien Geschäftsmodelle bleibt langfristig einzig und allein bei den Investoren und Finanzierern der Projekte.
Sie sprachen ja schon andere Geschäftsmodelle an. Welche sind noch möglich und werden realistisch umgesetzt?
Derzeit gibt es im Wesentlichen drei Geschäftsmodelle: Das erste ist die sogenannte Primärregelleistung (PRL). Es handelt sich hier um ein ausgeschriebenes Geschäftsmodell für die kurzfristige Netzstabilisierung. Ausgeschrieben heißt, dass eine gewisse begrenzte Menge an Leistung für die Bereitschaft bezahlt wird, durch Einspeisung oder Entnahme die Netzfrequenz auf einen Wert von 50 Hertz zu stabilisieren. Das zweite Geschäftsmodell, die Sekundärregelleistung (SRL), ist ein ähnliches Modell. Hier geht es aber nicht nur um die kurzfristige Leistungsbereitstellung, sondern um etwas längere Zeiträume.
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Und was wäre das dritte Geschäftsmodell?
Das ist der Börsenstromhandel, also das Arbitragegeschäft. Hier gibt es verschiedene Unterkategorien. So werden zum Beispiel Energiemengen am Tag davor als Day Ahead oder am aktuellen Tag als Intraday gehandelt. Dabei geht es aber immer darum, an der Börse günstigen Strom einzukaufen und in den Speicher einzuspeichern und zu anderen Zeiten teurer wieder zu verkaufen. Das geschieht teilweise mehrmals am Tag und wenn die Spanne der Strompreise groß genug ist, entsteht dadurch die entsprechende Refinanzierung. Gleichzeit führt diese wirtschaftliche Optimierung dazu, die günstige grüne Energie aus Wind und Sonne in die Zeiten zu verschieben, in denen sie dringend gebraucht werden.
Die Fragen stellte Sven Ullrich.
Lesen Sie im zweiten Teil des Interviews mit Hans Urban, der in der kommenden Woche erscheint, welches Geschäftsmodell zu welchem Speicher passt und welche technischen Voraussetzungen dafür notwendig sind.