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Aus dem Auto ins Netz

Sven Ullrich

Es ist eine charmante Idee: Die Batterie eines Elektroautos wird nicht nur zum Zwischenspeicher für Energie, die später gebraucht wird, sondern auch zum Stabilisator des Stromnetzes der Zukunft. Das Potenzial für dieses bidirektionale Laden ist riesig, wie Mathieu Diemert von der Hager Group, einem Anbieter von Komponenten für die Elektroinstallation, auf der diesjährigen Statuskonferenz des Bundesverbandes für Energiespeicher (BVES) gezeigt hat.

Über den stationären Speicher laden

Er hat vorgerechnet: „Wenn alle Autos aus dem Saarland elektrifiziert würden und bidirektional laden könnten, stünde eine Speicherkapazität zur Verfügung, mit der der gesamte Stromverbrauch in Deutschland für eine Stunde abgedeckt werden könnte.“ Im Eigenheim kann das bidirektionale Laden nicht nur den Eigenverbrauch des produzierten Solarstroms erhöhen, sondern vor allem auch die Autarkie steigern.

Das ist technisch zwar nicht so einfach, doch gibt es dafür Lösungen. Um den Strom im Haus nutzen zu können, ist ein entsprechendes Leistungsniveau notwendig. „Das Elektroauto gibt seine Energie aber mit einer viel zu hohen Leistung an das Haus ab“, erklärt Mathieu Diemert. „Deshalb nehmen wir den Strom aus dem Auto, schieben ihn in einen stationären Speicher und versorgen damit das Haus mit einer geringeren Leistung als aus dem Auto.“

11 Cent pro Stunde bekommen Autos in Frankreich, wenn sie an der Ladesäule stehen und dem Markt ihre Flexibilität anbieten. Das klingt wenig, läppert sich aber über das Jahr so weit, dass die Autobesitzer kostenlos fahren.

Autohersteller ziehen nach

Damit ist klar, dass das bidirektionale Laden ein riesiger Gewinn für die Energiewende ist. Sicherlich erfordert dies im Gebäude ein Energiemanagement. Die Ladestation muss die Voraussetzungen für die Kommunikation nach ISO 15118-20 sowie das Open Charge Point Protocol (OCPP) unterstützen.

Doch zumindest mit dem OCPP sind die meisten Ladesäulen ausgestattet. Damit können Elektroautos und Ladesäulen miteinander kommunizieren. Wichtig ist dabei, dass die Ladesäule weiß, wie viel Strom in den Autoakkus vorhanden ist und wie viel davon für das bidirektionale Laden zur Verfügung steht. Bisher waren die Autohersteller noch unwillig, die Informationen über die Batterien, geschweige denn die Batterien selbst freizugeben. „Doch jetzt schon sind die ersten Autos bidirektional ladbar“, erklärt Marcus Fendt, Geschäftsführer von The Mobility House. „Alle VW-Fahrzeuge mit der ID-Software 3.5 sind bidirektional. Zudem werden alle Fahrzeuge, die ab dem vierten Quartal dieses Jahres auf den Markt kommen, Bidirektionalität haben. „Der Rollout ist da und rein rechtlich ist es nicht verboten, bidirektional zu laden“, betont Marcus Fendt. „Hinter dem Zähler kann der Hauseigentümer ohnehin machen, was er will.“

Steuer- und Energierecht greifen

Auch technisch stünde dem kaum noch etwas im Wege. Doch der Markt ist bisher nicht darauf vorbereitet und die Regularien sind noch längst nicht so weit, um bidirektionales Laden jenseits des Eigenheims oder sogar am Verteil- oder Übertragungsnetz in Deutschland auszurollen. Denn hier greifen verschiedene Ebenen der Regulierung einerseits mit Blick auf das Netz und andererseits hinsichtlich Steuerrecht und Stromgesetz, wenn es beispielsweise um Gebäude mit mehreren Nutzern geht. Was im Einfamilienhaus noch relativ klar ist, wenn das Auto den Strom aus dem Akku ins Gebäude einspeist, ist im Mehrfamilienhaus oder im Gewerbegebäude noch undurchsichtig geregelt.

In diesem Fall ist nämlich nicht klar, welche steuer- und energierechtlichen Regelungen greifen, wenn der Betreiber der Solaranlage den Strom an den Besitzer des Elektroautos liefert und dieser wiederum den Strom aus dem Elektroauto an die Nutzer der Gebäude abgibt. Wenn dies dann noch direkt am Stromnetz mit Graustrom passieren soll, wird es schon mit stationären Speichern komplex. Doch mit mobilen Speichern wird es noch komplizierter, selbst wenn es einen Vermarkter gibt, der die vielen kleinen Speicher gebündelt etwa für den Regelenergiemarkt anbietet. An bidirektionales Laden in der Öffentlichkeit am Verteil- oder sogar am Übertragungsnetz ist in Deutschland noch gar nicht zu denken.

Wenn alle Autos aus dem Saarland elektrifiziert würden und bidirektional laden könnten, stünde eine Speicherkapazität zur Verfügung, mit der der gesamte Stromverbrauch in Deutschland für eine Stunde abgedeckt werden könnte.

Mathieu Diemert, Hager Group

Doppelte Netzentgelte für Autoakkus

Dabei sind die ersten Schritte getan. So hat das Forum Netztechnik/Netzbetrieb beim Verband der Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik (VDE FNN) im Januar 2025 Anschlussregeln für Ladesäulen zum bidirektionalen Laden sowie den dazugehörigen Netz- und Anlagenschutz veröffentlicht. Hier ist festgelegt, dass die Ladesäulen den Anschlussbedingungen ans Niederspannungsnetz (VDE-AR-N 4105) entsprechen und die Anbieter dies entsprechend zertifizieren lassen müssen. Es ist auch festgelegt, dass der Netz- und Anlagenschutz in der Ladesäule integriert werden muss und nicht im Auto. Damit wären auf der Anschlussseite die ersten Hürden genommen.

Auch die neuen und vereinfachten Regelungen für den Betrieb von Stromspeichern im Energiewirtschaftsgesetz schließen explizit die mobilen Speicher ein. „Damit kann man in Deutschland rein rechtlich auch vor dem Zähler am Versorgungsnetz bidirektional laden“, sagt Marcus Fendt. „Allerdings besteht in Deutschland im Vergleich zu den stationären Speichern ein Unterschied: Die Betreiber müssen doppelte Netzentgelte bezahlen. Bei 13 Cent Netzentgelt pro Kilowattstunde ist kein wirtschaftliches Geschäftsmodell mehr möglich“, kritisiert Fendt.

Frankreich ist Vorreiter

Tatsächlich gilt laut Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) der Strom als verbraucht, wenn er durch die Ladesäule in den Akku eines Elektroautos fließt. Wird der Strom aus dem Akku durch die Ladesäule ins Netz eingespeist, wird er energiewirtschaftsrechtlich als neu produziert angesehen, was abermals die Zahlung von Netzentgelten begründet.

Dass es auch anders geht, hat The Mobility House zusammen mit Renault und Mobilize Power in Frankreich gezeigt. Dort läuft schon seit vergangenem Jahr ein Projekt, bei dem die Besitzer:innen eines batterieelektrischen Renault 5 und eines Renault Alpine A290 mit der passenden AC-Ladestation Power Box von Verso und einem dazugehörigen Energievertrag von Mobilize Power bidirektional laden.

The Mobility House fasst die Fahrzeugspeicher zusammen und vermarktet sie als Flexibilität. „Die Besitzer der Autos bekommen elf Cent für jede Stunde, die das Fahrzeug an der Ladestation und damit am Netz angeschlossen ist“, sagt Marcus Fendt. Das klingt zunächst wenig. Doch in der Summe über das gesamte Jahr hinweg kommt so viel zusammen, dass die Autofahrer:innen nicht nur kostenlos laden können, sondern am Ende sogar noch etwa 50 Euro Gewinn machen.

Wenn der Kunde uns mitteilt, wann er wegfahren will, und uns den minimalen Lade­zustand angibt, den er braucht, können wir das Auto am Energiemarkt anbieten.

Marcus Fendt, The Mobility House

Laden mit dem Netz abgleichen

Es ist die vierte Stufe der Nutzung von E-Auto-Speichern, die The Mobility House beim bidirektionalen Laden im Blick hat. In der ersten Stufe werden mit den Speichern der Autos die Lastspitzen am Netzanschluss geglättet. In der zweiten Stufe wird das Laden auf den Zustand im Netz hin optimiert. Dabei geht es darum, die Ladeleistung je nach Netzsituation zu verringern oder zu erhöhen. Hier ist schon ein aktives Geschäftsmodell möglich. „Denn der Hauseigentümer und Autobesitzer kann Geld sparen, wenn er sich netzdienlich verhält. Die Netzbetreiber belohnen es, wenn das Auto dimmbar ist. In Deutschland kann man damit im Schnitt 160 Euro pro Jahr einsparen“, weiß Marcus Fendt.

In der dritten Stufe wird die Ladung mit dem Energiemarkt verknüpft. „Wenn der Kunde uns mitteilt, wann er wegfahren will, und uns den minimalen Ladezustand angibt, den er braucht, können wir das Auto am Energiemarkt anbieten“, sagt Fendt. Damit können Autofahrer bis zu 240 Euro pro Jahr an Energiekosten sparen. Wenn die Ladesäule durch den Netzbetreiber zusätzlich fernsteuerbar ist, kann der Hauseigentümer gemäß Paragraf 14a des EnWG von reduzierten Netzentgelten profitieren. „Das ist vor allem bei großen Fahrzeugflotten sinnvoll“, erklärt Fendt. Er gibt eine Einsparmöglichkeit von bis zu 400 Euro pro Jahr an.

240 Euro Energiekosten können Autobesitzer:innen jährlich sparen, wenn sie die Autoakkus als Flexibilität am Markt anbieten. Kommen noch reduzierte Netz-
entgelte hinzu, steigt der mögliche Gewinn auf bis zu 400 Euro pro Jahr.

Die vierte Stufe ist das bidirektionale Laden am Verteilnetz, das in Frankreich schon praktiziert wird und für das Deutschland derzeit schlecht aufgestellt ist. „Ende dieses Jahres wird in Großbritannien ebenfalls das bidirektionale Laden möglich sein“, stellt Fendt in Aussicht. Diesbezüglich hat Deutschland viel Nachholbedarf.