Wie passen Wärmepumpen in das Energiesystem der Zukunft? Dieser Frage stellen sich der Mannheimer Energieversorger MVV, der Mannheimer Anbieter von Energiemanagementlösungen und der Wärmepumpenhersteller Glen Dimplex. Mit weiteren Partnern wollen sie im Rahmen des europäischen Verbundprojekts Real Value eine Lösung erarbeiten. Bis Mitte 2018 wollen die Projektpartner die Potenziale untersuchen, die das sogenannte Power-to-Heat hat. Zentrales Element dabei ist die intelligente Verknüpfung von Photovoltaik- und Windkraftanlagen mit Wärmepumpen und Elektro-Speicherheizungen. „Mit Real Value erarbeiten wir Lösungen für zentrale Herausforderungen der Energiewende“, erklärt Ralf Klöpfer, Vorstandsmitglied von MVV Energie. „Dabei steht die Flexibilisierung des Stromverbrauchs, der sich an die Erzeugung anpasst, in Verbindung mit einer nachhaltigen Wärmeversorgung im Mittelpunkt.“ Schließlich soll am Ende eine Lösung für die intelligente Vernetzung von Wärmespeichern für das Energiesystem der Zukunft herauskommen. Damit sollen Herausforderungen beim weiteren Voranschreiten der Energiewende in Europa gemeistert werden, indem überschüssiger Solar- und Windstrom verheizt und die Wärme gespeichert wird.
Vorteil in der Praxis messen
Um der Lösung näher zu kommen, werden zunächst 400 Haushalt in Mannheim ab 2016 mit Speicherheizungen ausgestattet. Diese werden über eine Internetplattform mit dem Energiemarkt verbunden und auf diese Weise in Abhängigkeit von der Stromerzeugung aus Wind und Sonne gesteuert. „Die Vernetzung innerhalb dezentraler Energiesysteme ist ein zentraler Baustein für ein intelligentes Energiemanagement“, erklärt Christian Feißt, Geschäftsführer von Beggy. „Moderne Heizgeräte bieten die Möglichkeit, durch intelligente Vernetzung von Strombedarf und Stromerzeugung die Netzauslastung zu optimieren“, ergänzt Jochen Engelke, Geschäftsführer Glen Dimplex Deutschland, die Erklärung des Projektansatzes. „Gleichzeitig schafft die verbesserte Geräteeffizienz mögliche Sparpotentiale für Verbraucher. Im Projekt Real Value machen wir die Vorteile dieser Zukunftstechnologie unter realen Bedingungen messbar.“
Anforderungen der Kunden ausloten
Die Teilnehmer am Praxistest bekommen mit den neuen Speicherheizungen eine moderne Technik ins Haus installiert. Zwar versprechen die neuen Geräte mehr Komfort und weniger Stromverbrauch im Vergleich zu älteren Elektroheizungen. Doch das Projekt wird auch klären, inwieweit eine solche Lösung wirklich wirtschaftlich ist. Denn nur so wird sie sich auch etablieren. Im Mittelpunkt stehen dabei die möglichen Energie- und damit Kosteneinsparungen beim Endkunden. Die Projektpartner wollen wissen, welche Anforderungen die Endkunden an intelligente Speicherheizungen und an die Energiemärkte stellen. Was passiert zum Beispiel, wenn im Winter lange Zeit kein Überschuss aus den Ökostromanlagen anfällt und sich der Wärmespeicher langsam leert? Im Projekt geht es außerdem um die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle für die Versorger. Diese könnten auf der Nachfragesteuerung in vernetzten Systemen aufbauen, indem Kunden Strom zum verheizen billiger bekommen, wenn er im Überschuss angeboten wird, damit sie ihr Heizverhalten entsprechend der Ökostromproduktion anpassen.
Wärmezentrale mit Solarenergie
Schon ein Produkt im Angebot hat Naturstrom. Der Düsseldorfer Versorger setzt auf die Nahwärmeversorgung mit kombinierten Erzeugungsanlagen. Ein entsprechendes Projekt hat Naturstrom zusammen mit Partnern im oberfränkischen Marktschorgast realisiert. Ein ähnliches System hat Naturstrom bereits im vergangenen Jahr in Neumarkt in der Oberpfalz aufgebaut. In Marktschorgast ist das Herzstück eine Heizzentrale, in der in vier Kombikesseln sowohl Holzpellets als auch Hackschnitzel verheizt werden können. Jeder dieser Kessel hat eine thermische Leistung von 155 Kilowatt. Als zweiter Wärmeerzeuger ist eine solarthermische Anlage auf dem Dach des Heizhauses installiert. Mit der Wärme aus der 270 Quadratmeter großen Kollektorfläche deckt Naturstrom die Grundversorgung ab.
BHKW erzeugt Hilfsstrom
Die Hilfsenergie für die Umwälzpumpen erzeugt Naturstrom mit einem zusätzlichen Blockheizkraftwerk. Die elektrische Leistung von 5,5 Kilowatt reicht dafür allemal aus. Die thermischen Abfälle aus dem Verbrennungsprozess leitet Naturstrom ebenfalls in den Heizkreislauf mit ein. Damit trägt das BHKW zusammen mit der Solarthermieanlage zur Abdeckung der Grundheizlast in den angeschlossenen Gebäuden bei. Die beiden Anlagen übernehmen außerdem die Versorgung mit Warmwasser im Sommer, wenn die Heizkesseln weitestgehend stillstehen. Damit spart der Versorger und so auch die angeschlossenen Haushalte bares Geld, da so im Sommer fast keine Kosten für die Wärmeversorgung anfallen. Außerdem kann das BHKW die ganze Zeit durchlaufen, was sich positiv auf die Effizienz auswirkt. Schließlich fällt der größte Energieverbrauch in einem BHKW beim Anfahren an, wenn sich das gesamte Gerät erst einmal selbst aufheizen muss.
270.000 Liter Heizöl einsparen
Die ersten 17 Haushalte in Marktschorgast sind schon an die Anlage angeschlossen. Mit den Arbeiten am Versorgungsnetz will Naturstrom im kommenden Jahr fertig werden. Dann werden auch weitere Haushalte angeschlossen. Der Vorteil einer solchen Nahwärmeversorgung mit erneuerbaren Energien ist die Berechenbarkeit der Kosten. Während die Preise für Heizöl und Erdgas teilweise riesigen Schwankungen unterliegen, stellt die Solarthermieanlage die Wärme im Sommer schon mal völlig kostenlos zur Verfügung. Dann fallen nur die Kosten für den Betrieb des BHKW an, das vor allem für die Bereitstellung des Pumpenstroms gebraucht wird. Insgesamt haben die Planer bei Naturstrom ausgerechnet, dass die angeschlossenen Haushalte jedes Jahr Brennstoffe mit einem Äquivalent von 270.000 Litern Heizöl einsparen.
Projekt mit Bürgerbeteiligung
Das Projekt ist auch eine Möglichkeit der Bürgerbeteiligung. Denn die lokale Genossenschaft Zukunftsenergie Martschorgast hat sich finanziell daran beteiligt. Zudem wird auch die regionale Wirtschaft profitieren. Schließlich haben regionale Handwerksbetriebe das gesamte Nahwärmenetz aufgebaut und die Erzeugungsanlagen installiert. Mit 2,2 Millionen Euro ist der größte Teil der Investitionssumme von 2,7 Millionen Euro in der Region geblieben. (Sven Ullrich)