Turbulenzen im Windkanal reproduzierbar nachbilden – diese Aufgabe hat sich das Zentrum für Windenergieforschung der Universitäten Oldenburg, Bremen und Hannover (Forwind) gestellt. Nun haben die Forscher ihr Ziel erreicht. Mittels eines sogenannten aktiven Gitters ist es gelungen, Turbulenzen wirklichkeitsgetreu zu rekonstruieren. Damit können Rotorblattprofile von Windenergieanlagen unter realistischen Turbulenzbedingungen getestet werden.
Wie sieht die Neuentwicklung im Detail aus? Die Oldenburger Forscher haben unter der Leitung von Joachim Peinke eine Ansteuerung für ein aktives Gitter entwickelt. „Ein besseres Verständnis für die Funktion des aktiven Gitters ermöglichte uns die Optimierung der Ansteuerung“, begründet Peinke. Dies erwies sich insofern als eine große Herausforderung, als zum jetzigen Zeitpunkt keine exakte mathematische Gleichung aufgestellt werden kann, die eine Windturbulenz beschreibt. Eine weitere Schwierigkeit ist die Reproduzierbarkeit der Simulation einer Turbulenz. Windböe ist nicht gleich Windböe. Einen anschaulicheren Vergleich liefern Wellen. Keine Welle gleicht haargenau einer anderen. Die Rekonstruktion ist eine entsprechend anspruchsvolle Aufgabe. Ebenso die Nachbildung einer Windböe, also eines heftigen Windstoßes. Da turbulente Strömungen aber alltägliche Phänomene sind, gehören sie zu den entscheidenden Faktoren bei der aerodynamischen Auslegung von Windenergieanlagen.
Eins-zu-eins-Nachbildung
Für eine realistische Simulation der Rotorblätter werden daher Windfelder erst im Freien gemessen und anschließend in einem Windkanal nachgebildet. Nur die genaue Rekonstruktion von Böen war bisher nicht möglich. Gemessen werden Windfelder mit einem Verfahren, das sich Light detection and ranging (Lidar) nennt. Das Prinzip dieser Messung ähnelt dem des Radars. Anstelle von Radiowellen kommen dabei Laserstrahlen zur optischen Abstands- und Geschwindigkeitsmessung zum Einsatz. Mit dem aktiven Gitter der Oldenburger können nun auch Windstöße realistisch simuliert werden. Die Windströmung löst sich dabei am Gitter ab und es entstehen Turbulenzen.
Aufgebaut ist das aktive Gitter aus 16 Stahlachsen mit rautenförmigen Aluminiumflügeln. Die Achsen können einzeln und unabhängig voneinander verstellt werden. Dieses Gitter wurde in einen fünf Meter langen Windkanal mit einem Querschnitt von etwa einem Meter eingebaut. Anders als bei den sogenannten passiven Gittern kann bei den aktiven Gittern der Grad der Versperrung über bewegliche Elemente variiert werden.
„Weltweit sind wir allein in der Lage, turbulente Windfelder so genau nachzubilden“, so Peinke. „Dadurch erhalten wir eine höhere Qualität bei der Verifizierung von Lasten.“ Dies ist ein wichtiger Faktor in der Entwicklung und Konstruktion von Smart Blades, den intelligenten Rotorblättern. Diese Technologie ermöglicht es, dass sich die einzelnen Rotorblätter einer Windkraftanlage auf die lokalen Windgegebenheiten einstellen. Die Rotorblätter werden dabei so entworfen, dass sie sich unter Lasteinwirkung verformen. Erfährt ein Rotorblatt aufgrund einer Böe eine stoßartige Laständerung, ändert sich das aerodynamische Profil des Blattes. Die Windkraftanlage wird dadurch weniger belastet und der Ertrag gesteigert.
Als Nächstes plant Forwind einen Windkanal, der 30 Meter lang ist und einen Querschnitt von drei Metern besitzt. Auch hier soll das entwickelte aktive Gitter eingesetzt werden. (Bettina Vogl)
Dieser Artikel ist in der Printausgabe von ERNEUERBARE ENERGIEN von April 2015 erschienen. Gefällt er Ihnen? Holen Sie sich jetzt ein kostenloses Probeabo unseres Magazins.