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Hürden beseitigen – Netze stärken

Obwohl Industriespeicher ein großes Leistungsvermögen für das Stromsystem bieten könnten, bleibt ihre Ausbaugeschwindigkeit eher verhalten im Vergleich zu Heim- und Großspeichern. Mit Blick auf die Situation des gesamten Netzes könnten Industriespeicher eine bedeutende Entlastung bewirken, da sie durch ihre Lage hinterm Zähler Flexibilität dorthin bringen, wo häufig bereits Verbrauch und Erzeugung im MW-Maßstab stattfinden und keine zusätzliche Netznutzung notwendig ist. Zum Vergleich: Ein einzelner Industriespeicher kann dieselbe Netzunterstützung bieten wie tausende Heimspeicher kumuliert. Zudem bieten sie weitere attraktive Anwendungsmöglichkeiten, die in anderen Segmenten nicht möglich sind – von der Lastspitzenkappung über die Pufferung von Schnellladesäulen bis hin zur Notstrombereitstellung.

Im Industriesektor sind die Laststrukturen komplexer, und die Tarifstruktur bringt vielfältigere Möglichkeiten mit sich als im Heimbereich. Speziell in der Industrie gibt es eine Vielzahl von exklusiven Anwendungsbereichen für Batteriespeicher: Neben der bereits genannten klassischen Lastspitzenkappung, die hohe jährliche Leistungskosten reduzieren kann, bieten Industriespeicher die Möglichkeit zur atypischen Netznutzung während Hochlastzeiten oder die Nutzung der 7.000-Stunden-Regel für energieintensive Betriebe. In guten Fällen amortisieren sich dabei Industriespeicher innerhalb von fünf oder weniger Jahren – eine durchaus attraktive Perspektive. Ein bedeutender Unterschied liegt aber in der Flexibilitätsvermarktung, die für Großspeicher bereits etabliert ist. Mit einer Cross Market Optimierung werden Großspeicher über verschiedene Energiemärkte, wie die Regelenergiemärkte und die verschiedenen Optionen am Spotmarkt hinweg optimal kombiniert vermarktet. Großspeicher profitieren sehr von dieser kombinierten Vermarktung. Dasselbe Prinzip könnte auch auf Industriespeicher im Megawatt-Bereich angewendet werden, um Zeiträume, die bisher ungenutzt bleiben, rentabel zu nutzen und so die Wirtschaftlichkeit zu steigern oder Projekte erst zu ermöglichen, die sich sonst nicht rentieren würden.

Bottleneck: Netzanschlusskapazität

Ein großer Vorteil von Industriespeichern im Vergleich zu Großspeichern liegt zum Beispiel in der schnelleren Umsetzbarkeit hinsichtlich des Netzanschlusses. Im Jahr 2024 wurden bei den Übertragungsnetzbetreibern Anfragen für den Netzanschluss von Batteriespeichern in Höhe von 161 GW gestellt – eine enorme Zahl, wenn man bedenkt, dass aktuell 1,5 GW an Großspeichern installiert sind (bei 10,8 GW Speicherleistung insgesamt). Diese Diskrepanz verdeutlicht, dass die Netzanschlusskapazität für Speicher in den nächsten Jahren zu einem knappen Gut der Energieinfrastruktur werden könnte. Ein Blick auf die Niederlande verdeutlicht, wie prekär die Lage werden kann: Das niederländische Stromnetz ist bereits so stark überlastet, dass Gemeinden teilweise keine Genehmigungen für neue Wind- oder PV-Parks mehr erteilen. Die Netzanschlusskapazität ist in vielen Teilen des Landes bereits so knapp, dass die Nachfrage bei weitem nicht mehr gedeckt werden kann. Industriespeicher werden im Gegensatz zu Großspeichern an bereits existierenden Netzanschlusspunkten von Industriebetrieben installiert und können diese damit effizienter ausnutzen, ohne dass aufwändige und zeitintensive Projektentwicklungsphasen wie im Großspeicherbereich notwendig wären. Der Faktor Zeit spielt eine entscheidende Rolle: Während Großspeicher oft eine Entwicklungszeit von zwei bis drei Jahren haben, kann die Installation von Industriespeichern auf Industriegeländen schneller erfolgen, da der Netzanschluss und Genehmigungen häufig bereits vorhanden sind.

Und dennoch steigt die Zahl der Industriespeicher deutlich weniger stark als die der Heim- und Großspeicher. Eine der Ursachen ist die Unsicherheit bei Regulatorik und der Entwicklung der Leistungspreise. Ein Beispiel ist die Neuverteilung der Netzentgelte ab Januar 2025, die nach einer Untersuchung konkreter Peak Shaving Projekte von WI Energy zu einer Leistungspreisänderung von -45 % im Jahr 2025 führen wird und damit die Attraktivität betroffener Projekte deutlich schmälern würde. Dieses Risiko erschwert Investitionen in diesem Segment, da die zukünftige Rentabilität schwer vorherzusehen ist.

Hinzu kommen Unsicherheiten im Fortbestand der Gesetzgebung und der daraus entstehenden Regularien für die jeweiligen Anwendungen atypischer Netznutzung oder energieintensiver Nutzung. Der Fortbestand dieser Sonderregelungen steht zurecht in Diskussion, da dieser Fortbestand in einem von erneuerbaren Energien dominierten Energiesystem nicht mehr zeitgemäß ist. Mögliche Nachfolgeprogramme sind ungewiss.

Ein Manko: Der fehlende Energiehandel

Nach der aktuellen Formulierung des Energiewirtschaftsgesetzes sind Großspeicher (front of the meter) für die Befreiung von Netzentgelten im Energiehandel privilegiert. Industriespeicher (behind the meter), die häufig in Multi-Use-Betrieb gefahren werden und damit eine Kombination von Anwendungen zusätzlich zum Lastverbrauch des Betriebs ausführen, fallen meist nicht in diese Kategorie, da sie keine symmetrische Netzein- und Ausspeisung vorweisen können. Diese Vorgabe verhindert die Netzentgeltbefreiung im Energiehandel für Industriespeicher weitgehend und reduzieren die wirtschaftlichen Erlöse stark, da der Energiehandel einen der lukrativsten Erlösströme für Batteriespeicher im Megawatt-Bereich darstellt. Ohne die Möglichkeit, Erlöse im Energiehandel zu erzielen, bleiben nur risikoreichere lokale Anwendungen, deren Rentabilität und langfristiger Fortbestand schwerer kalkulierbar sind. Sollte der Speicher außerdem in einem entscheidenden Moment nicht performen, kann bei diesen Anwendungen schnell ein Großteil des Jahreserlöses auf der Kippe stehen. Zudem werden viele dieser Anwendungen nur für eine begrenzte Zeit im Jahr benötigt. Die verbleibende Zeit könnten Industriespeicher genutzt werden, um am Energiehandel teilzunehmen und das Stromnetz zu entlasten – eine Flexibilität, die derzeit jedoch meist ungenutzt bleibt, da hier nur Großspeicher gesetzlich privilegiert werden.

Um die Energiewende in Deutschland weiter voranzutreiben, sind Industriespeicher aber ebenso ein wichtiger Pfeiler. Ihre Fähigkeiten, Netzlasten zu senken und Spitzen bereits dort zu kappen wo sie auftreten, können die Anforderungen an den Netz-
ausbau erheblich verringern und damit Kosten für das Gesamtsystem reduzieren. Sie sind damit eine volkswirtschaftlich sinnvolle Ergänzung zu Heim- und Großspeichern und verdienen es, diese Rolle stärker ausspielen zu dürfen. Eine Novellierung des Energiewirtschaftsgesetzes, die auch die Flexibilität und Nutzbarkeit von Industriespeichern für den Energiehandel berücksichtigt, könnte großes Potenzial in der Industrie freisetzen und den Ausbau kostengünstig beschleunigen. Schnellere Genehmigungsverfahren auf Betriebsgelände und für die bereits bestehenden Netzanschlusspunkte werden die Errichtung von Industriespeichern im Vergleich zu Großspeichern beschleunigen und den Ausbau fördern.

Peter Hussinger,
Leiter Speichertechnologien, WI Energy GmbH

Foto: WI ENERGY