Windenergieprojekte mit einer Leistung von 9,7 GW sind bei der Bundesnetzagentur als genehmigt registriert – doch gebaut wird wenig, obwohl 5 GW davon bereits vor 2022 genehmigt wurden. Ein ganzes Bündel von Verzögerungen und Blockaden sei dafür verantwortlich, schreibt die Denkfabrik Agora Energiewende in einem neuen Impulspapier. Sie präsentiert Vorschläge, wie dieser Rückstau bis 2024 aufzulösen wäre.
1. Zuschlagwerte indexieren und unwirtschaftlichen Projekten einen Neustart ermöglichen
Gerissene Lieferketten, steigende Preise, unsichere Aussichten: Bei den vergangenen Ausschreibungen zeigten sich Projektentwickler zurückhaltend – alle waren unterzeichnet, und dass, obwohl die Bundesnetzagentur für Februar den Höchstwert angepasst hatte.
Agora Energiewende schlägt daher Indexierung der Zuschlagwerte vor, die Kostenschwankungen, Preissteigerungen aber auch Preissenkungen ausgleicht. Sie solle den Index der Erzeugerpreise, gewerblicher Produkte sowie die allgemeine Zinsentwicklung berücksichtigen. Die rechtliche Umsetzung könne im EEG durch eine Verankerung in § 36h EEG erfolgen.
Um bereits bezuschlagte Projekte, die angesichts der gestiegenen Kosten nicht mehr wirtschaftlich sind, zu retten, schlägt die Denkfabrik ein Rückgaberecht des Zuschlags vor. Investoren könnten so ein zweites Mal teilnehmen. Die Ausschreibungsvolumina der jeweils nachfolgenden Ausschreibungsrunden sollten dann um das Volumen der zurückgegebenen Zuschläge erhöht werden, um sicherzustellen, dass die Ausschreibungsmengen insgesamt nicht reduziert werden.
2. Pönalen vorrübergehend aussetzen
Anhaltende Lieferschwierigkeiten bei entscheidenden Anlagenkomponenten führen bei der Realisierung von Windenergieprojekten zu Verzögerungen. Das Problem: Projektierer verzichten darauf, ihre weitgehend entwickelten Projekte in die Ausschreibungen zu bringen, weil sie fürchten müssen, die im EEG geforderten Realisierungsfristen nicht einhalten zu können. Es drohen Pönalen oder sogar der komplette Entfall des Zahlungsanspruchs.
Pönalen sollten deshalb vorrübergehend ausgesetzt werden und die Fristen für den Verlust der Vergütung verlängert werden, fordern die Autoren des Impulspapiers. Damit Projekte trotzdem so zügig wie möglich ans Netz gebraucht werden, solle der Zahlungsanspruch bei Überschreiten der verlängerten Umsetzungsfrist bis auf 95 Prozent der Vergütung sinken.
3. Pachthöhen begrenzen – auch rückwirkend
Knappe Flächen treiben Pachten die Höhe. Bis die Maßnahmen des Windflächenbedarfsgesetzes greifen, dürften einige Jahre ins Land gehen. Um die Projektentwickler angesichts der steigenden Kosten zu entlasten, schlägt Agora Energiewende vor, die Projektentwickler zur Abgabe einer sanktionierbare Selbsterklärung zu verpflichten, die mit den Ausschreibungsunterlagen eingereicht wird. Darin bestätigen sie, dass die vereinbarten Pachtzahlungen eine noch festzulegende Obergrenze nicht überschreiten.
Um laufende Projekte mit bereits abgeschlossenen Pachtverträgen nicht zu benachteiligen, solle diese Regelung auch rückwirkend gelten. Der Gesetzgeber verpflichte damit die Vertragspartner zur Vertragsanpassung – und zur Kürzung der Pachten. Da die Entwickler selbst ein ökonomisches Interesse hätten, eine solche Regelung gegenüber den Verpächtern durchzusetzen, sei davon auszugehen, dass bereits eine solche Selbsterklärung die gewünschte preisdämpfende Wirkung entfalte, schreiben die Autoren. Die Festsetzung der Obergrenze könne auf Basis bestehender Pachtverträge im Rahmen eines dafür zu beauftragenden Vorhabens kurzfristig ermittelt werden.
4. Artenschutzrechtlicher Bauzeitenregelungen flexibler auslegen
Zu bestimmten Jahreszeiten darf zum Schutz der Umwelt nicht gebaut werden. Nach Ansicht der Autoren des Agora-Impuls-Papiers werden die Ruhezeiten oft über die Maßen streng gehandhabt, so dass Baustellen monatelang ruhen müssen.
Um schneller zu werden, sollen Projektentwickler eine Erlaubnis zum „Fertigbauen“ überall da beantragen können, wo Bauzeitenregelungen aus artenschutzfachlicher Sicht geboten sind. Im Gegenzug müsse eine verpflichtende ökologische Baubegleitung den Schutzzweck der Bauzeitenregelungen des Bundesnaturschutzgesetzes absichern.
Dies habe einerseits einen beschleunigenden Effekt, weil es nicht mehr zu jahreszeitlich bedingten Bauunterbrechungen kommt, andererseits einen kostendämpfenden Effekt, weil Bauunterbrechungen in der Regel zum Teil hohe Kosten verursachen. Die Neuregelung könne – auch mit dem Ziel einer einheitlicheren Praxis – durch einen neuen Absatz in § 39 BNatschG21 oder eine entsprechende Verordnung umgesetzt, so Agora Energiewende.
5. Schwertransport-Genehmigungen beschleunigen und vereinheitlichen
Schwertransportgenehmigungen erweisen sich in der Bauphase immer wieder als Nadelöhr, da sie kleinteilig und immer unterschiedlich beantragt werden müssen. Das Impulspapier schlägt daher vor. Fahrzeug- und Ladungscluster im Rahmen der Transportgenehmigungen einzuführen, die zum Beispiel höhere Spielräume bei der Fahrzeugauswahl und der Beladung erlauben. Außerdem sollten die Bearbeitungsfristen auf drei Wochen begrenzt werden. Um dies zu ermöglichen, müssten die finanzielle Ausstattung und Digitalisierung des Verfahrensmanagements für Großraum- und Schwertransporte (VEMAGS) des Bundes und der Länder wird kurzfristig erheblich verbessert werden.
Als weiterreichende Maßnahme schlägt Agora Energiewende vor, die Zuständigkeit an eine Bundesoberbehörde zu geben, so dass eine einheitliche und zügige Erteilung sichergestellt werden kann.
Im Impulspapier finden sich darüber hinaus weitere 10 Vorschläge, wie mittel- und langfristig der Ausbau der Windenergie sichergestellt werden kann. (kw)
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