Die Mitglieder des Verbands kommunaler Unternehmen (VKU) haben einen schweren Job, wenn sie an den eineinhalb Kongresstagen bis Mittwochmittag sich über ihre neue doppelte Herkulesaufgabe verständigen müssen, und wie sie damit umgehen: die Wasserstoff- und Wärmewende. „Versorger heute, morgen übermorgen: Potenziale & Geschäftsfelder (auch in Krisenzeiten)“, titelt wegweisend der ehemalige VKU-Vizepräsident, spätere Staatssekretär für Energiefragen im Bundeswirtschaftsministerium und jetzige Rheinenergie-Vorstandsvorsitzende Andreas Feicht seinen Impulsvortrag.
Dienstagvormittag: Wärmewende und Wasserstoffnetze
Mit diesem leitet er über zum Gespräch über Wasserstoffnetze, zu danach folgenden Arbeitsgruppen mit Themen wie Wärmenetze, Wärmeplanung, Sicherheit der digitalen Kommunikations- und Steuerungsnetze, Kundenbedarfe und dem Spannungsfeld zwischen der Aufgabe der Daseinsfürsorge und der Notwendigkeit, rentabel unternehmerisch tätig zu sein. Sich anschließende Arbeitsgruppen zielen im Detail noch auf die konkrete Finanzierung der Wärmewende und die Wege zu Partnerschaften beim politisch ganz neu vorgegeben Ausbau der Fernwärmenetze.
Dienstagnachmittag: Welche Innovationen bleiben neben der Wärmewende möglich?
Am Nachmittag – konkret: ab 14.20 Uhr – tauschen sich die Stadtwerkevertreter dann darüber aus, wie sie trotz solcher sehr dringender Aufgaben und Hausaufgaben weiterhin innovative eigene Konzepte gestalten können, zum Beispiel in der Quartiersversorgung. Außerdem verständigen sie sich über langfristige Perspektiven. Wie lassen sich beispielsweise die Geschäfte der kommunalen Energieversorger langfristig darauf ausrichten, „Nachhaltigkeit, Energie- und Klimawende in den Regionen“ zu gestalten. Wie sehr die Teilnehmer dieses Themenblocks ab 14.50 Uhr hier auch über den Ausbau von Erneuerbare-Energien-Wärme- oder Stromerzeugungskapazitäten reden – auf die Bühne treten hier der Oberbürgermeister der Stadt Leipzig sowie die Chefs des niederrheinischen Energieversorgers NEW und eines Dienstleistungsunternehmens – bleibt abzuwarten. Abhilfe gegen den Arbeitskräftemangel, das Gewinnen und das der Energiewende dienende Nutzen oder Vermarkten von Daten und nicht zuletzt spannende innovative Geschäftsmodelle in Kurzportraits runden diesen Nachmittag thematisch ab. Nicht dient die Agenda am Nachmittag somit offenbar dafür, sich damit zu befassen, wie sich die stadtwerkeeigenen Energiewendefahrpläne neu anpassen lassen.
Dienstag, später Nachmittag: Wirtschaftsminister Habeck erklärt Regierungspolitik
Dem Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck überlässt die Tagesordnung dann die Chance, zum Abschluss der auf dem Kongress bis dahin erfolgten Standortbestimmung die Klimapolitik der Bundesregierung zu erklären. Ansonsten folgt darauf noch das kulturelle Abendprogramm mit Besuch des Rheinenergie-Stadions beziehungsweise der Spielstätte des lokalen Profi-Fußballclubs 1.FC Köln inklusive Verköstigung, freiem Austausch und Reden von VKU-Repräsentanten.
Mittwochfrüh: VKU-Regie lässt aktuelle Stadtwerke-Situation bestimmen
Aber auch am Mittwochmorgen führt die VKU-Regie die Tagungsteilnehmenden noch einmal ganz direkt in die Situationsbestimmung für die Stadtwerke: Mit der Preisverleihung des Stadtwerke-Awards erfahren die nach Köln gereisten Experten, Verkäufer und Manager, welche Innovationen in Stadtwerkeaufgabenfeldern die Experten der Jury als chancenreich einstufen. Dann folgen Referate und Diskussionsrunden noch einmal zur Wärmewende, zur offenen Frage „Zwischen ordnungspolitischem Rahmen und unternehmerischer Umsetzung: Wo stehen wir, wo wollen wir hin?“ – oder zum Rätselraten darüber, ob Deutschland nur eine Delle in der wirtschaftlichen Stimmung erlebt oder in einer grundsätzlichen Krise sich befindet.
Mittwochmittag mit Podiumsdiskussion: Wie sich die Finanzkraft der Stadtwerke erhalten lässt
Und kurz vor dem abschließenden Mittagsimbiss weist die Tagungsregie noch einmal mit der aktuellen Gretchenfrage den Weg: Wie lässt sich denn die Finanzkraft der Stadtwerke bei der Umsetzung der Klima-, Energie- und Wärmewende erhalten? Dies behandelt die Tagung in Form einer Podiumsdiskussion. Die Auswahl der Akteure auf dem Podium deckt vermutlich nicht ganz zufällig die deutsche Stadtwerkelandschaft regional gut ab: drei Stadtwerkegeschäftsführer und ein Oberbürgermeister von je einer Stadt in Nord-, Ost-, Süd- und Mittel- beziehungsweise Westdeutschland sollen offenbar die vielfältigen Perspektiven der kommunalen Unternehmen in ganz Deutschland vermitteln.
Herausforderung: wechselhafte Energiepolitik und immer neue politische Vorgaben
Die VKU-Tagung 2023 dürfte damit wie selten zuvor die Herausforderung widerspiegeln, dass die deutschen Bundesregierungen für die kommunalen Unternehmen keine stabile energiepolitische Perspektive anbieten. Fast im Jahrestakt ändern sie durch wechselhafte energiepolitische Rahmenbedingungen sowohl die Aufgaben als auch die rechtlichen Spielräume für die Stadtwerke. So ließ die Energiewendepolitik die Stadtwerke mal zum Kauf eigener Windenergie- und Photovoltaikanlagenfelder schwenken, mal zum Einstieg ins Projektierungsgeschäft mit erneuerbaren Energien übergehen, mal in Organisation und Management von finanzieller Bürgerbeteiligung einsteigen, mal sich auf das Geschäft als Maklerin der Energiewende oder als ihre Datenmanagerin zurückziehen oder mal die Rolle von Quartiersenergieversorgern übernehmen. Zuletzt sorgten die neuen sehr hohen Ziele der Bundesregierung mit ihrem bündnisgrünen Wirtschaftsminister dafür, dass die Stadtwerke in der regelmäßigen VKU-Stadtwerkeumfrage erstmals nach Jahren die Digitalisierung nicht mehr als ihre höchste Priorität, sondern den blanken schnellen Ausbau von Erneuerbare-Energien-Kapazitäten in großem Volumen höher einstuften. Seitdem Bundeswirtschaftsminister Habeck allerdings infolge des Kompromisses seines vorgezogenen Wärmegesetzes den Ausbau von Fernwärmenetzen als eine höchste Priorität ausgibt, scheint nun die Wärmewende zur neuen Hauptaufgabe geworden zu sein. Stadtwerke müssen demnach eilig nun Wärmenetze planen und Rohre unter die Erde bringen.
Was das finanziell bedeutet, ließ am Dienstagmorgen der Vorstand der Krefelder Stadtwerke Carsten Liedtke in einem Interview mit dem Radiosender Deutschlandfunk wissen: für jeden Meter Neuinstallation beim Fernwärmeausbau fallen Investitionen von 3.000 Euro an. Jeder Kilometer kostet damit drei Millionen Euro. Schon im vergangenen Jahr stand die Knappheit der flüssigen Mittel der Stadtwerke bei Investitionen in die Energiewende wie für Wärmenetze oder Erneuerbaren-Anlagen daher bereits auf der Tagesordnung des VKU-Stadtwerkekongresses. Und bei Landesregierungen und im politischen Berlin fordern die Versorger seither Zuschüsse – oder zumindest staatliche Bürgschaften, um die notwendigen Kredite für solche Aufgaben zu erhalten.
Hier finden Sie die Tagesordnung des VKU-Stadtwerkekongresses in Köln am 26. und 27. September.