Der Bundesverband Erneuerbare Energie (BEE) wirft zum Ende des energiepolitisch herausfordernden Jahres 2023 einen Blick auf das neue Jahr: Nach fossiler Versorgungskrise durch den Krieg in der Ukraine, vollendetem Atomausstieg und Bundesverfassungsgerichtsurteil zum Haushalt haben sich die Rahmenbedingungen für die Erneuerbaren Energien verändert. „Die Bundesregierung hat vor dem Hintergrund schwieriger Bedingungen viele wichtige Reformen angestoßen und die Energiewende nach Jahren des Stillstands in vielen Bereichen wieder zurück aufs Gleis gesetzt. Im Schnitt erzeugen Erneuerbare in diesem Jahr mehr als die Hälfte des benötigten Strombedarfs, im Wärme- und Verkehrssektor hinken wir den Zielen weit hinterher. Hier muss 2024 der Turbo eingeschaltet werden“, so BEE-Präsidentin Simone Peter.
„Damit der Ausbau der Erneuerbaren in allen Branchen und Sektoren, aber auch von Speichern und Sektorenkopplung an Fahrt gewinnt und systemisch anerkannt wird, dass Erneuerbare Energien nun ins Zentrum der Betrachtung gehören, müssen im kommenden Jahr insbesondere drei zentrale Weichen gestellt werden.“
1. Hemmnisse abbauen
„2024 ist der Ausbau von Wind- und Solarenergie weiter zu entfesseln, um die ambitionierten Ausbauziele zu schaffen. 2023 hat einen ermutigenden Elan bei Photovoltaik (wenn auch noch nicht in allen Segmenten) und Windenergie (mit weiter wachsenden Zuschlägen und Genehmigungen) ausgelöst, der schnell weiter zu steigern ist. Jetzt muss zügig das PV-Paket mit den von der Branche benannten Änderungen verabschiedet werden, die Novellen von Baugesetzbuch und Bundesimmissionsschutzgesetz sind in den Blick zu nehmen und RED III ist in nationales Recht umzusetzen. So werden Verfahren beschleunigt und vereinfacht.
Drängend sind zudem eine Biomasse-, Wasserkraft- und Geothermiestrategie, um das Erneuerbare Potential vollständig zu heben. Allein Biogas bietet ein Potential von 17-27 GW gesicherter flexibler Leistung. Neue Bioenergie-BHKW ermöglichen zudem die systemdienliche Nutzung der Wärme in Wärmenetzen und Gasspeichern. Die lange ersehnten Gesetze GEG und WPG, die zum neuen Jahr in Kraft treten, und eine abgespeckte BEG-Förderung müssen nach einer Hängepartie den Hochlauf der Wärmetechnologien, allen voran der Wärmepumpe, nun ankurbeln. Wärmenetze müssen zügig und mit auskömmlicher Förderung der Kommunen ein-, aus- und umgebaut werden.“
2. Strommarkt reformieren
„2024 müssen die strukturellen Hindernisse für die Erneuerbaren im Strommarkt endlich abgebaut werden. Erneuerbare stemmen mit 52 Prozent zwar den Großteil der Stromerzeugung und sind mittlerweile systemsetzend, bewegen sich jedoch noch immer in einem Energiesystem von vorgestern. Die ‘Plattform Klimaneutrales Stromsystem’ hat hier wichtige Grundlagenarbeit geleistet, im kommenden Jahr muss es in die Umsetzung gehen. Bei der Frage der Förderung ist es zentral, vermehrt auftretenden Zeiten mit negativen Strompreisen entgegenzuwirken und damit betriebswirtschaftliche Risiken für die Erneuerbaren zu dämpfen. Dafür muss zum einen die zeitliche Förderung auf ein zeitbasiertes Konzept (Mengenförderung) umgestellt werden. Zum anderen braucht es unbedingt mehr Flexibilitäten.
Mit einer Flexibilitäts- statt einer Kraftwerksstrategie kann ein heimisches Back-up-System für Wind und Sonne in Form von dezentralen erneuerbaren Kraftwerken geschaffen werden. Sie stellen Energie volks- und betriebswirtschaftlich günstiger und resilienter bereit als so mancher fossile Import, wie unsere Studie zum Klimaneutralen Stromsystem bereits vor zwei Jahren gezeigt hat. Preissignale müssen auch im künftigen Stromsystem dringend erforderliche Investitionen aus dem Markt heraus anregen. Das ist bei der Debatte um die Einführung von CfDs zu berücksichtigen.“
3. Sektorenkopplung voranbringen
„Der Gesetzgeber hat 2023 im Bereich Wasserstoffwirtschaft erste Grundsteine gelegt, eine ausbaubare Speicherstrategie ist auf den Weg gebracht. 2024 ist der Aufbau einer flexiblen, systemdienlichen Wasserstoff-Strategie maßgeblich, damit der Hochlauf der grünen Wasserstoffwirtschaft und der Ausbau der Erneuerbaren Hand in Hand gehen können. Mit der 37. Bundesimmissionsschutzverordnung, dem Herkunftsnachweisregistergesetz und perspektivisch einer Kraftwerks-/Flexibilitätsstrategie werden wichtige Weichen gestellt.
Heimischer grüner Wasserstoff ist nach einer Studie des Wuppertal Instituts im Auftrag des LEE NRW wettbewerbs- und konkurrenzfähiger als Importe. Die zu erwartenden Produktionskosten für grünen Wasserstoff hierzulande liegen meist unterhalb der Importkosten von Wasserstoff, der per Schiff zu uns kommt, und sind in vielen Fällen auch konkurrenzfähig zum Import von Wasserstoff per Pipeline. Größere Mengen an blauem Wasserstoff werden zudem nicht vor dem Jahr 2030 verfügbar sein und sind nicht CO2-neutral. Anwendungen von grünem Wasserstoff in der Industrie (von Stahl bis Chemie) sind zu priorisieren.“
Zu diesen und weiteren Themen wird der BEE u.a. mit Wirtschaftsminister Robert Habeck am 18. Januar beim ENERGIEDIALOG 2024 sprechen. Hier können Sie sich anmelden.
Umweltministerkonferenz
Auch auf Ebene der Umweltminister in den Ländern werden im neuen Jahr die Prozesse weiter vorangetrieben. Nordrhein-Westfalen wird turnusgemäß Ende des Jahres den Vorsitz der Umweltministerkonferenz der Länder an Rheinland-Pfalz abgeben. Bereits auf ihrer Herbstsitzung in Münster beglückwünschte Nordrhein-Westfalens Umweltminister Oliver Krischer seine Amtskollegin Katrin Eder, Ministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie und Mobilität, und wünschte ihr viel Erfolg bei den anstehenden zwei Ministerkonferenzen in Rheinland-Pfalz.
Gemeinsam mit Ministerin Eder als neuer Vorsitzenden und den weiteren Mitgliedern der UMK möchte sich Krischer weiterhin für ein hohes Tempo beim Umwelt-, Natur- und Klimaschutz einsetzen. „Wir haben in den letzten Jahren zahlreiche Wetterextreme erlebt – auf der einen Seite Hochwasserkatastrophen wie im Sommer 2021 oder Hitzeperioden wie 2018 und 2022. Die Klimakrise und die Biodiversitätskrise werden immer mehr zur Belastung für Mensch, Umwelt und Infrastruktur“, sagte Minister Krischer. „Ohne eine intakte Umwelt und einen ambitionierten Klimaschutz sind unsere Grundlagen gefährdet. Daher darf es keine Abstriche bei den dringend notwendigen Klima- und Naturschutzmaßnahmen geben.“
So konnten auf den beiden Umweltministerkonferenzen unter Leitung von Nordrhein-Westfalen in Königswinter und Münster wichtige Beschlüsse gefasst werden: Mehr Tempo beim Ausbau der Erneuerbaren Energien, Umsetzung des 4 Milliarden Euro umfassenden Aktionsprogramms „Natürlicher Klimaschutz“, Stärkung des Gewässerschutzes durch Minderung der Schadstoffeinträge, Rohstoffsicherung durch Rückgewinnung von Phosphor aus Klärschlämmen, mehr Schutz der Bevölkerung vor Radonbelastungen sowie Luftschadstoffen (Feinstaub) und Lärm durch den Luftverkehr, Sicherung wertvoller Naturlebensräume sowie ein bundesweit einheitlicher Umgang mit verhaltensauffälligen Wölfen.
Für das Jahr 2024 übernimmt Rheinland-Pfalz den Vorsitz der UMK. Die beiden Konferenzen werden im Frühjahr in Bad Dürkheim und im Herbst in Bad Neunahr-Ahrweiler stattfinden – im Ahrtal, also in einer Region, die wie keine andere in Deutschland zeigt, wie dringlich es ist, einerseits das Klima zu schützen und andererseits sich gegen das zu wappnen, was die Erderhitzung mit sich bringt. Die rheinland-pfälzische Umweltministerin Katrin Eder sagt: „Ich danke Oliver Krischer und NRW für die hervorragende Koordinierung der UMK 2023 und die Übergabe des ‚Staffelstabs‘ an Rheinland-Pfalz. Die Klima- und Biodiversitätskrise stellt uns nach wie vor vor große Herausforderungen, die nur mit einer ambitionierten und effektiven Umweltpolitik zu lösen sind. Eine der wichtigsten Aufgaben der nächsten Jahrzehnte wird unser Umgang mit Wasser sein: mit klimabedingtem Wassermangel auf der einen und Starkregenereignissen auf der anderen Seite. Dieser Themenkomplex – der vom Schutz unseres Trinkwassers über Wasserrückhaltung und die Renaturierung unserer Gewässer bis zur Hochwasservorsorge reicht – ist mir ein besonders wichtiges Anliegen.“
Aber auch bei anderen umweltpolitischen Themen müssen, so Eder, dringend Fortschritte gemacht werden. „Wir brauchen eine effiziente Kreislaufwirtschaft, die für weniger Müll und mehr Ressourcenschonung sorgt, mehr erneuerbare Energien, die unsere Luft nicht verschmutzen und die Erderhitzung vermindern, und haben die große Aufgabe vor uns, für gesunde Ökosysteme zu sorgen, um das Artensterben aufzuhalten. Dies macht die Natur anpassungsfähiger und widerstandsfähiger.“
Auf der Umweltministerkonferenz habe man die Chance, die Weichen für eine Zukunft zu stellen, in der wir weiterhin all das schützen, was für ein Überleben und ein gutes Leben wichtig sei: saubere Luft, sauberes und ausreichend Wasser sowie intakte Böden, auf denen wir unsere Nahrungsmittel anbauen. (nw)