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Logistik mit grünem Wasserstoff

Nordsee-H₂ für Brummis

Am Standort Neumünster bereiten Unternehmen aus Logistik, Handel, kommunaler Abfallwirtschaft und der Bauwirtschaft die wirtschaftliche Nutzung von grünem Wasserstoff im Güterverkehr vor. Projektpartner sind das Bauunternehmen Ernst Krebs, das Entsorgungsunternehmen MBA, Reinigungsbranchen-Großhändler Henry Kruse, die schleswig-holsteinischen Logistik-Dienstleister Voigt Logistik, Clean Logistics, Christian Carstensen Spedition und das Netzwerk Logistik Initiative Schleswig-Holstein, die Einzelhandelsketten Edeka AG, Edeka Nord und Netto Marken Discount sowie das Projektierungsunternehmen für Anlagen zur Herstellung grünen Wasserstoffs, Hypion GmbH. Es ist der Startschuss, um Lkw mit grünem Wasserstoff, hergestellt aus erneuerbaren Energien, emissionsfrei auf schleswig-holsteinischen Straßen fahren zu lassen.

Um den vielen Herausforderungen bei der Einführung eines alternativen Antriebes, wie dem Brennstoffzellenantrieb bei Lkw bestmöglich zu begegnen, wurde ein Projektentwickler und Koordinator hinzugezogen. Die Firma Hypion entwickelt Konzepte für ein ganzheitliches Versorgungssystem. Nur durch den Aufbau der gesamten Wertschöpfungskette von der Wasserstoffproduktion über Logistik und Tankstellen-Verteilung bis hin zur Anwendung in Fahrzeugen lässt sich heute ein marktwirtschaftliches Wasserstoff-Vorhaben gestalten. Hypion koordiniert diese Projektbausteine zu einem am Ende funktionierenden Kreislauf.

20 Brennstoffzellen-Lkw zum Start

Das Vorhaben ist im Januar 2020 gestartet und soll nachhaltig die Dekarbonisierung des Güterverkehrs vorantreiben. Die Unternehmen haben sich mit Fahrzeugflotten, Fahrzeuganbietern und Wasserstoffproduzenten zusammengefunden, um in die detaillierte Ausführungsplanung des Projektes einzusteigen. Derzeit ergeben sich für den Start rund 20 Brennstoffzellen-Lkw, bestehend aus 40-Tonnen-Sattelzugmaschinen und kleineren Verteilfahrzeugen der 12- bis 18-Tonnen-Kategorie. Diese Fahrzeuge stehen für etwa 2.000.000 Schwerlast-Kilometer und künftig eine CO2-Reduktion von mehr als 1.500.000 Kilogramm CO2 pro Jahr.

Der Standort Neumünster ist als Transport-Knotenpunkt in Schleswig-Holstein dabei im besonderen Maße geeignet. Die fuhrparkbetreibenden Projektpartner, alle aus der Region, begegnen mit einer ersten Wasserstofftankstelle in Neumünster der eingeschränkten Reichweite von wasserstoffbetriebenen Lkw von maximal 400 Kilometern, bevor sie wieder an die Zapfsäule müssen. Die Eröffnung der Tankstelle ist für das dritte Quartal 2022 geplant. Derzeit werden die Ausschreibungen für die Tankstellenlieferanten vorbereitet und Betreibermodelle evaluiert.

Nach Fertigstellung der Wasserstofftankstelle, deren Standort bereits weitestgehend sicher ist, rechnen wir durch die geografisch gute Lage unweit der Autobahn 7 mit gemäßigt hochlaufenden Absatzmengen durch im Transit fahrende Lkw zum Beispiel aus Hamburg oder Dänemark. Diese Nachfrage wird vom Tempo des Hochlaufs der brennstoffzellengetriebenen Lkw abhängen.

Eine gewichtige Herausforderung ergibt sich aus der Situation, dass die großen und bekannten europäischen Lkw-Hersteller heute noch keine wasserstoffbetriebenen Fahrzeuge liefern können. Dieser Situation begegnen wir mit einer Umrüstlösung. Die Beteiligten stellen der Firma Clean Logistics hierbei bereits im Einsatz befindliche Nutzfahrzeuge zur Verfügung, um daraus den Motor, das Getriebe und die Achskomponenten auszubauen und durch Brennstoffzellen, Wasserstofftanks und entsprechende Antriebsaggregate zu ersetzen. Parallel laufen Gespräche mit Autoherstellern, um deren Entwicklungsstand dieser neuen Antriebsart für uns ständig aktuell zu halten und uns zu einem möglichst frühen Zeitpunkt Lkw beziehen zu lassen. Offizielle Aussagen zu Entwicklungsfortschritt und Markteintritt verweisen auf Lieferjahre in der Zeit von 2024 bis 2029.

Anspruch der Projektteilnehmer ist der ausschließliche Einsatz von grünem Wasserstoff, der aus dem schleswig-holsteinischen Heide bezogen werden soll. Dort wird der Wasserstoff mittels Elektrolyse aus Windkraft hergestellt. Das Reallabor 100 entwickelt gerade entsprechende Produktionskapazitäten. Mit Fertigstellung der Tankstelle in Neumünster werden dann auch entsprechende Mengen grünen Wasserstoffs zur Verfügung stehen.

Nächste Stufe: H2 aus Großflächen-PV

Der Wasserstoff wird dann in Spezialtanks, die für besondere Drücke und Temperaturen geeignet sind und damit für die Eigenarten von Wasserstoff, zur Tankstelle in Neumünster befördert. Das Volumen für die 20 Lkw zur Startphase lässt sich mit einem Lastzug pro Tag transportieren. Es entspricht einer Menge von 1.100 Kilogramm. Weiterhin sind auch dezentrale Produktionsmöglichkeiten in und um Neumünster in der Diskussion. Hierfür kommen zum Beispiel großflächige Photovoltaikanlagen in Frage, die aber noch nicht konkretisiert sind. Die Tankstelle wird für Pkw und Lkw nutzbar ­werden. Der Unterschied liegt in den unterschiedlichen Betankungsdrücken, beim Lkw 350 bar und beim Pkw 700 bar. Der Tankvorgang je Lkw wird bei etwa 20 Minuten liegen und damit nicht wesentlich länger dauern, als bei der Dieselbetankung.

Professionelle Tankstellenbauer gibt es bereits ausreichend am Markt, so dass wir eine für das Projekt optimale Auswahl treffen können. Unser ökologischer Anspruch ist es, dass wir nach Start mit den 20 Lkw schnell weitere Brennstoffzellenfahrzeugen in Betrieb nehmen. Zu diesem Zweck gibt es Ansätze, weitere Gebiete in Schleswig-Holstein nach dem gleichen ganzheitlichen Konzept wasserstofffähig zu machen – also mit Tankinfrastruktur auszurüsten und in ihnen mögliche Nutzer zu mobilisieren.

Keimzelle der Initiative war das Future Fuels Cluster in Neumünster, eine Interessengemeinschaft von Unternehmen, die dem Klimaschutz folgend neue Antriebsarten zu den verschiedenen Einsatzprofilen von Lkw für sich erarbeitet haben. Das entstandene Wasserstoffprojekt ist kein vom Land oder Bund gefördertes Projekt, sondern eine unternehmerische Initiative, die von innen heraus finanziert wird.

Muss: Staatshilfe für Fahrzeuganschaffung

Bei der Fahrzeugbeschaffung beziehungsweise der Umrüstung sind staatliche Förderungen aber Grundvoraussetzung für das Gelingen unseres Vorhabens. Noch im zweiten Quartal 2021 soll die Förderrichtlinie vom Bundesverkehrsministerium herauskommen, die besagt, dass 80 Prozent der Mehrkosten für die Beschaffung von Brennstoffzellen-Lkw gefördert werden. Die für die Unternehmer zusätzlich entstehenden Kosten durch höhere Preise für grünen Wasserstoff im Vergleich zum Diesel müssen durch Maut- und Steuerbefreiung kompensiert werden.

Wir gehen zusätzlich davon aus, dass sich die Dieselkosten durch die CO2-Besteuerung, die bereits bis 2025 festgelegt ist, stark erhöhen wird. Die Politik wird für das Erreichen der Klimaschutzziele bis 2030 zusätzlich Druck über eine weitere Regulatorik bei fossilen Brennstoffen aufbauen. Am Ende wird das Preisdelta zum Wasserstoff also immer kleiner.

Holger Matzen, Geschäftsentwicklung Kontraktlogistik, Voigt Logistik und Vorsitzender, Logistik Initiative Schleswig-Holstein

Herbert Voigt GmbH & Co. KG

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