Es ist eine Gretchenfrage in der Windenergienutzung: Was machen wir mit ausgemusterten Rotorblättern? Die Entsorgung und das Recycling der riesigen Bauteile aus Verbundstoffen stellen noch immer eine problematische Aufgabe dar.
Neues Rückbau-Papier des BWE erschienen
In einem aktualisierten Papier des Bundesverbandes Windenergie (BWE) zu Rückbau und Recycling von Windenergieanlagen räumt der Verband ein, dass die Verwertung von Verbundmaterialien der Rotorblätter weiterhin eine Herausforderung darstelle. Glasfaserverstärkte Kunststoffe aus Rotorblätterkönnten derzeit thermisch verwertet, also verbrannt, werden oder als Silikatsubstitut in der Zementindustrie Verwendung finden. Die Verwertung von karbonfaserverstärkten Kunststoffen ist hingegen problematischer – nur wenige Unternehmen befassen sich damit, weitere Forschung sei nötig, schreibt der BWE.
Rotorblatt als PV-Träger: Erstes Projekt in Graubünden
Eine ganz andere Idee hat ein Unternehmen aus der Schweiz: Turn2sun will die ausgedehnten Riesen als Träger für Photovoltaikanlagen nutzen. „Die einzigartigen Festigkeitseigenschaften, die es ermöglichen, die Luft mit einer Geschwindigkeit von über 300 km/h zu durchschneiden, könnten anders genutzt werden“, ist man dort überzeugt. Eine Pilotanlage des „Blade2sun“ genannten und patentierten Systems hat Turn2sun in Graubünden auf 2.500 Metern Höhe errichtet.
Dabei dient das ausrangierte Rotorblatt als Träger, auf dem eine Metallstruktur befestigt ist, auf der wiederum bifaziale Solarmodule montiert werden. Tests bestätigten die Machbarkeit einer solchen Solaranlage, die auch unter extremen Bedingungen standhalte, schreibt das Unternehmen in einer Presseinformation.
Nützliche Eigenschaften des Rotorblatts
Die Anlage funktioniere unter extremen Bedingungen, so Turn2sun und sieht zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen: Die Verwendung eines gebrauchten Windturbinenblattes, das transportabel, leicht und kippbar sei, senke die Kosten für die PV-Anlage. Gleichzeitig sei eine sinnvolle Upcycling-Verwendung für das Rotorblatt gefunden.
Derzeit baue Turn2sun Partnerschaften auf, um das System auch in anderen Ländern anbieten zu können und größere Rotorblätter zu integrieren, kündigte Lionel Perret, Mitbegründer des Unternehmens, an.
Anwendung als Schattenspender oder als Agri-PV-Lösung
An Ideen für weitere Einsatzmöglichkeiten mangelt es den Schweizern nicht: Auf Parkplätzen als Schattenspender, über einem Wasserspeicher, einem landwirtschaftlichen Feld und sogar über Infrastrukturen wie Eisenbahnschienen oder Straßen könnten so PV-Anlagen errichtet werden. Das Interesse sei groß, betont Raymond Voillat, CEO von Turn2sun. (kw)
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