Woher kommt eigentlich die Energie, welche für die Erzeugung von grünem Wasserstoff benötigt wird? Robert Seehawer von Aqua Ventus erklärt, warum gerade Offshore-Windenergie dafür die Lösung ist.
Warum sollte grüner Wasserstoff aus Offshore-Wind produziert werden?
Robert Seehawer: Wir verfügen über gewaltige Energiemengen in der Nordsee. Diese Mengen an Strom sind relativ konstant aufs Jahr gesehen. Aber nicht über den Tag verteilt, wie zu der Zeit, wo wir die größte Nachfrage haben. Daher brauchen wir ganz eindeutig Speichermedien. Wir müssen diese Energie, die in Form von Elektrizität gewonnen wird, speicherbar machen. Die beste Möglichkeit dazu ist aus unserer Sicht Wasserstoff. Das trifft insbesondere zu, wenn man in großen Mengen denkt. Mit Batterien beispielsweise kann man auch vieles erreichen. Aber die letzte Quintessenz ist es, ein Medium wie das Wasserstoffmolekül zu haben, welches speicherbar ist. Vergleichbar dazu haben wir Erfahrung aus dem Gasbereich und wissen, wie der Prozess mit Erdgas funktioniert, wie man das transportiert und wie man das einlagert und über diesen saisonalen Verlauf wieder abruft.
Welche Rolle nimmt Aqua Ventus ein?
Robert Seehawer: Um dieses Problem der saisonalen Schwankungen und der Nachfrage- und Angebotsschwankungen zu beheben, kam die Idee auf: Lasst uns einfach ein Molekül aus den Elektronen machen, um die Energie speichern zu können. Und hierfür wurde Aqua Ventus als Förderverein gegründet. Das bedeutet, wir setzen uns dafür ein, dass ein gesetzliches regulatorisches Rahmenwerk geschaffen wird und unterstützen zeitgleich die Unternehmen, die schon Überzeugungstäter sind. Denn das ist keine Technologie, die man im Supermarkt findet. Diese muss man entwickeln, erproben und etablieren. Und damit haben wir jetzt über 100 Mitglieder in unserem Konsortium, mit denen wir zusammen schon ordentliche Erfolge gesammelt haben.
Welche Teilprojekte gehören zu Aqua Ventus?
Robert Seehawer: Als Förderverein haben wir ein stufenweises Konzept. Das geht los mit der Pilotanlage Aqua Primus, die beweisen soll, dass das Konzept funktioniert. Und daraus folgend untersucht das Projekt Aqua Sector, dass auch die industrielle Skalierung gelingen kann. Dazu haben wir ein Sonderenergie-Nutzungsfeld, auf dem verschiedene größere Projekte installiert werden, bis zu einer Endausbaustufe von zehn Gigawatt. Die industrielle Skalierung ist hierbei sehr wichtig, da dann die Kostendegression stark einsetzt. Diese Vorgehensweise ist abgeguckt aus allen technologischen Entwicklungsprozessen. Man fängt mit einem Piloten an und sieht dann schon gewisse Lerneffekte. Wenn man dann auf die nächste Stufe geht, können auch viele Lernkurveneffekte mitgenommen werden. Diese ganzen einzelnen Technologien, Windenergie-Erzeugungsanlage, Wasseraufbereitung, Elektrolyse, Kompressionstechnik und Pipeline, gibt es noch nicht in der Reihenfolge aufeinander abgestimmt. Daher müssen wir dieses Zusammenspiel in Aqua Primus erproben und mit Aqua Sector die Kosten verringern. Beide Projekte sind als eine aufeinanderfolgende Einheit zu betrachten. Aber der Bereich entwickelt sich ständig weiter. Sehr erfolgreich entwickelt sich das Projekt Aqua Ductus. Das ist unsere Offshore-Wasserstoff-Pipeline, welches als Teil des Wasserstoff-Kernnetzes einen europäischen Förderstatus (IPCEI und PCI) hat. Wenn wir in zwei Jahren noch mal reden, kann es sein, dass es wiederum andere Projekte gibt.
Welche Ergebnisse haben die Projekte bislang ergeben?
Robert Seehawer: Wir gehen jetzt immer mehr dazu über, dass man sich verschiedene Erkenntnisse aus kleineren Puzzleteilen zusammenstückelt und auch über die deutsche Seegrenze hinausschaut. Ein Beispiel dafür ist das Projekt Sealhyfe von der Firma Lhyfe, die seit Kurzem Mitglied bei uns sind. Sie haben ein Windrad vor der Küste von Frankreich mit einem Ein-Megawatt-Elektrolyseur auf einem Schiff getestet. Und diese Erkenntnisse daraus werden bei uns eingebracht. Das zahlt natürlich auf die Idee von Aqua Primus ein.
Warum ist es für Sie wichtig, Teil des Wasserstoff-Kernnetzes zu sein?
Robert Seehawer: Es ist ganz wichtig, dass wir von Anfang an einen Netzgedanken forcieren. Die wechselseitigen Abhängigkeiten, die damit einhergehen, sind gut für den Start. Wir müssen das Thema aber breiter denken in Richtung Resilienz und Redundanz. Was ist beispielsweise, wenn Leitungen gewartet werden müssen. Es geht also darum, dass es keine stark einseitigen geopolitischen Abhängigkeiten gibt, die einem böse auf die Füße fallen können wie vor zwei Jahren. Ebenso ist die Pipeline auf lange Zeit gesehen ein Kostenargument. Die Pipeline sollte dazu auf Langfristigkeit ausgelegt sein und nicht in fünf Jahren zu klein sein. Mit zehn Prozent mehr Kosten kann ich aber die doppelte Menge transportieren. Das ist ein unschlagbares Argument.
Warum soll sich die PEM-Elektrolyse für Ihren Anwendungsfall besonders eignen?
Robert Seehawer: Das Feedback bekommen wir von unseren Mitgliedern. Die PEM hat den Umweltvorteil, da keine Chlorlauge verwendet wird, wie bei der alkalischen Elektrolyse. Wir verwenden Meerwasser und möchten dieses auch wieder an das Meer zurückgeben. Zudem kann ich die PEM-Elektrolyse von 10 bis 100 Prozent unterschiedlich fahren. Das heißt, ich brauche keinen konstanten Strombedarf. Und wenn ich eine Elektrolyse habe, die mit den variierenden Offshore-Strom-Mengen zurechtkommt, dann ist mein Wasserstoffertrag einfach besser und günstiger. Und das ist auch das Feedback der Industrie.
Welche politische Unterstützung brauchen Sie noch für grünen Wasserstoff aus Offshore-Wind?
Robert Seehawer: Eine Tonne grüner Wasserstoff ersetzt 28 Tonnen fossiles CO₂ in der Stahlproduktion. Für solche Anwendungen macht die Offshore-Elektrolyse einfach unglaublich viel Sinn. Aber um dahin zu kommen, brauchen wir unseren sogenannten „Drei-Sprung“ aus Aqua Primus, Aqua Sector und zehn Gigawatt an Windenergieflächen in den weit entfernten Gebieten entlang der Aqua-Ductus-Pipeline, um die Kostendegressionskurve einzuleiten. Es muss also einfach das Verständnis in der Politik sein, dass die ersten Projekte nicht dazu da sind, großartig Geld zu verdienen. Man kann jedoch dennoch verschiedene Beteiligungskonzepte entwickeln, damit der Staat den Anstoß gibt und damit das Risiko minimiert und man damit wieder breit aufgestellt ist.
Wir haben ein gemeinsames Ziel, aber um dahin zu kommen, müssen wir ein paar technologische und finanzielle Hürden nehmen. Ich würde mir noch wünschen, dass man den Ansatz ein bisschen nachhaltiger angeht, sodass in der Politik eine schwarze Null nicht ganz oben steht bei den Prioritäten. Und dass man dann an Konzepten weiterarbeitet, um eine nachhaltige und kostengünstige Energiewende aus einer Kombination an grünen Elektronen sowie Molekülen langfristig umzusetzen.