In der Welt des Wasserstoffs ist 2024 viel passiert: Die Bundesregierung hat mit Unterstützung der Europäischen Union 23 ausgewählte Großprojekte für die europäische Entwicklung mit einer Summe von 4,6 Milliarden Euro gefördert, die Fernleitungs-Netzbetreiber reichten bei der Bundesnetzagentur den Plan für das bereits genehmigte Wasserstoffkernnetz ein und das Bundeskabinett einigte sich auf eine Wasserstoff-Importstrategie, die eine nachhaltige Versorgung sicherstellen soll. Gerade diese Beschlüsse werfen neue Fragen auf, die die Entwicklung im kommenden Jahr stark beeinflussen könnten. Worauf kommt es daher für Verbände und Unternehmen im Jahr 2025 an, um den Wasserstoff-Hochlauf weiter voranzutreiben?
Marktdynamik in unsicheren Zeiten
Bereits im vergangenen Jahr waren die Marktdynamik und die Fördermechanismen zwei wesentliche Unsicherheitsfaktoren. Diese sind an einigen Stellen zwar kleiner geworden, dennoch trägt besonders die politische Neusortierung der Bundesregierung dazu bei, dass Zweifel aufkommen. „Den Unternehmen muss insbesondere im Wahljahr langfristige Planungssicherheit durch parteiübergreifende Zusicherungen gegeben werden. Mit anderen Worten, die Dekarbonisierung durch grüne Wasserstoffprojekte muss langfristig politisch gesichert werden“, erklärt Jan Rispens, Geschäftsführer des Clusters Erneuerbare Energien Hamburg (EEHH). Darüber sind sich die befragten Verbände und Unternehmen einig. Genauso wie bei der Frage, ob der Hochlauf auch im kommenden Jahr weitere Förderinstrumente benötigt. Trotz der Unsicherheiten durch das Ende der Ampelregierung und Positionsverschiedenheiten von Parteien bei der Bestimmung des Bundeshaushalts müssen nach dem Deutschen Wasserstoff-Verbands (DWV) die Fördersummen der „Important Projects of Common European Interest“ (IPCEI) ausfinanziert werden. Zudem sei es wichtig, entgegen den Unsicherheiten, die gesicherten Förderungskonzepte weiterhin zu nutzen. „Sicherlich gibt es Förderprogramme, deren Zukunft nun fragwürdig ist. Für H2 Global ist das jedoch nicht der Fall – es sind Mittel im Umfang von fast vier Milliarden Euro auf den Weg gebracht worden“, sagt Friederike Lassen, Vorständin des DWV. H2 Global befindet sich aktuell in der Angebotsphase für den Ankauf von grünen Wasserstoffderivaten. Entscheidend sei hier, dass die Ausschreibungsbedingungen nicht zu streng ausgestaltet werden. Als weiteres gesichertes Förderinstrument sehen die Befragten auch die European Hydrogen Bank an. Diese hatte in der ersten Phase sieben Projekte mit insgesamt 720 Millionen Euro gefördert. Die nächste Auktion der European Hydrogen Bank öffnet am 3. Dezember 2024 und unterstützt mit bis zu 1,2 Milliarden Euro Unternehmen im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR).
„Neben der Investitionsförderung sollte es aber auch Instrumente geben wie das EEG, das über die Einmalförderung hinausgeht und den Betrieb der Wasserstoff-Infrastruktur zu Teilen mitfinanziert“, fordert Tobias Moldenhauer, Leiter Wasserstoff beim Energiedienstleister EWE. Um das zu erreichen, könnten verschiedene Instrumente wichtige Impulse geben. Für den Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) ist dafür beispielsweise eine praxisnahe Ausgestaltung des delegierten Rechtsakts zu kohlenstoffarmem Wasserstoff notwendig. Genauso sei die nationale Umsetzung des EU-Gas-/Wasserstoffpakets ein wichtiger Baustein. Das EEHH sieht die Beteiligung am europäischen CO2-Zertifikatehandel und Klimaschutzverträge als entscheidende politische Instrumente an. Nach dem Vermögensverwalter für erneuerbare Energien Luxcara bedarf es einer Anpassung der Strombezugskriterien, welche die Richtlinie RED II vorgibt. Dazu brauche es eine Verschiebung des Zusätzlichkeitskriteriums und eine Lockerung der zeitlichen Korrelation. Der Hersteller für Elektrolyseure Quest sieht die zeitnahe Überführung von europäischen Konzepten wie RED III, Refuel EU Maritime und Refuel EU Aviation als zentral an. Europa sei in der Elektrolysebranche führend, sodass es gelte, diesen Vorsprung zu halten und auszubauen.
Die Menge der Marktinstrumente zeigt: Es mangelt nicht an Stellschrauben, um den Wasserstoff-Hochlauf weiter in Gang zu halten. Was fehlt, ist ein klarer Plan.
Kernnetz unter Zeitdruck
Voraussetzung für die Versorgung in Deutschland ist das Wasserstoff-Kernnetz. Nach der Planung und Genehmigung geht es jetzt um die Umsetzung. Allerdings bleiben auch hier Fragen offen. Nach Einschätzung des DWV sind erst einmal die Finanzierungsbedingungen zu klären und attraktiv für private Investments zu gestalten. Das setze voraus, dass Anwender die Gewissheit haben, wie hoch ihre Netzentgelte werden. Die Bundesnetzagentur solle so schnell wie möglich Klarheit schaffen. Wichtig sei zudem, den Netzentwicklungsplan als laufenden Prozess anzusehen, der sich immer nach den Bedarfen und Potenzialen richte. Dazu gehört für die befragten Unternehmen und Verbände auch der Weg vom Kernnetz zum Kunden. Es brauche also Rahmenbedingungen für die Verteilnetze. „Derzeit sind rund 1,8 Millionen industrielle und gewerbliche Letztverbraucher an das Gasverteilnetz angebunden – Kunden, die potenziell auch an einer klimaneutralen Wasserstoffversorgung interessiert sind“, sagt Kerstin Andreae, Vorsitzende der Hauptgeschäftsführung des BDEW.
Die Synchronisation des Baus mit der Realisierung von Netzanschlüssen und dem Abschluss von Klimaschutzverträgen bleibt nach Ansicht des Clusters Erneuerbare Energien Hamburg auch deshalb ein Fragezeichen für das Kernnetz. Es nütze Unternehmen wenig, wenn sie nächstes Jahr Klimaschutzverträge bekommen, aber erst Anfang der 2030er-Jahre einen Netzanschluss. Begrüßt wird der ambitionierte Plan dagegen vom Elektrolyseur-Hersteller Quest One. „Aktuell sehen wir viel Kritik am anvisierten Zeitplan – und das, obwohl Stimmen aus der Branche der Fernnetzbetreiber sich zuversichtlich zeigen. In der Vergangenheit haben wir erlebt, dass Projekte der Erdgasinfrastruktur in der Regel deutlich schneller umgesetzt wurden als beispielsweise Stromtrassen“, sagt Dominik Heiß, Executive Vice President bei Quest One. Umfangreiche Prüfungen hätten bereits in diesem Jahr stattgefunden und Standards für den sicheren Umbau und Betrieb wurden entwickelt. Wie belastbar der Plan ist, werde sich schon im kommenden Jahr messen lassen, wenn bereits die Umrüstung von mehreren Hundert Kilometern abgeschlossen sei.
H2 von hier und da
Die Infrastruktur dient jedoch nicht nur der Verteilung des in Deutschland produzierten Wasserstoffs, sondern muss sich zudem auf zukünftige Importe vorbereiten. Die Bundesregierung geht in ihrer im August beschlossenen Importstrategie von einem nationalen Bedarf in Höhe von 95 bis 130 Terawattstunden (TWh) im Jahr 2030 aus. Dabei müssen voraussichtlich rund 50 bis 70 Prozent (45 bis 90 TWh) aus dem Ausland importiert werden. Es ist davon auszugehen, dass der Importanteil nach 2030 weiter steigt. Nach ersten Einschätzungen könnte sich der Bedarf bis zum Jahr 2045 auf 360 bis 500 TWh an Wasserstoff sowie etwa 200 TWh an Wasserstoffderivaten erhöhen. Abo Energy plant weltweit Projekte für erneuerbare Energien und sieht ein großes Potenzial für den Import von grünem Wasserstoff nach Deutschland. Auf großen Flächen ohne Nutzungskonzepte könnten Photovoltaik- und Windenergieanlagen errichtet werden, was zu niedrigeren Gestehungskosten bei deutlich höheren Volumina führe. Länder, in denen bereits aktiv gearbeitet werde, seien Tunesien, Finnland, Spanien, Südafrika, Argentinien und Kanada. „Besonders hervorzuheben ist Kanada aufgrund seines guten Investitionsklimas, von Förderanreizen in der Form von Investment Tax Credits sowie der geografischen und politischen Nähe zu Europa“, erklärt Thomas Nietsch, Abteilungsleiter Zukunftsenergien bei Abo Energy. Interessante Regionen liegen für die befragten Unternehmen zudem unter anderem in afrikanischen Ländern und dem Nordseeraum. Die Priorisierung der Importkorridore sollte daher nach Ansicht des BDEW geprüft werden.
Trotz seines hohen Anteils am deutschen Bedarf ist der Import dennoch nur ein Standbein. „Die Importstrategie der Bundesregierung kann als ergänzende Maßnahme angesehen werden, um den steigenden Bedarf an grünem Wasserstoff zu decken, doch sie ist nur eine Säule: Die eigene Produktion und die Erzeugung in Europa sind aus geopolitischen und Effizienzgründen essenziell“, erklärt Romana Hartke, Senior Project Manager bei Luxcara. Auch für EWE gibt es kein Entweder-oder. Der Import wird eine wichtige Rolle spielen, jedoch gibt es genauso Bedarfe für die heimische Erzeugung. Das ist besonders der Fall, wenn signifikante Importmengen, auch aufgrund von noch nicht gebauten Pipelinesystemen, erst spät zu realisieren sind.
Den Unternehmen muss insbesondere im Wahljahr langfristige Planungssicherheit durch parteienübergreifende Zusicherungen gegeben werden.
Sicherlich gibt es Förderprogramme, deren Zukunft nun fragwürdig ist. Für H2 Global ist das jedoch nicht der Fall – es sind Mittel im Umfang von fast vier
Milliarden Euro auf den Weg gebracht worden.
Neben der Investitionsförderung sollte es auch Instrumente geben wie das EEG, das über die Einmalförderung hinausgeht und den Betrieb der Wasserstoff-Infrastruktur zu Teilen mitfinanziert.
Derzeit sind rund 1,8 Millionen industrielle und gewerbliche Letztverbraucher an das Gasverteilnetz angebunden – Kunden, die potenziell an einer klimaneutralen Wasserstoffversorgung interessiert sind.
Aktuell sehen wir viel Kritik am anvisierten Zeitplan – und das, obwohl Stimmen aus der Branche der Fernnetzbetreiber sich zuversichtlich zeigen.
Besonders hervorzuheben ist Kanada aufgrund seines guten Investitionsklimas, von Förderanreizen in der Form von Investment Tax Credits sowie der geografischen und politischen Nähe zu Europa.
Die Importstrategie der Bundesregierung kann als ergänzende Maßnahme angesehen werden, um den steigenden Bedarf an grünem Wasserstoff zu decken, doch sie ist nur eine Säule.