Immer wieder tauchen Studien auf, die besagen, dass ein Batterieauto eine schlechte Klimabilanz hat – wegen des Rohstoffeinsatzes, Transportkosten für die Herstellung etc. Was ist da eigentlich dran, wollten wir von Volker Quaschning wissen, Professor für erneuerbare Energien an der HTW Berlin. Übrigens: Dieses und viele andere Themen werden in dem neuen Buch von Caroline und Volker Quaschning erklärt.
Sind E-Autos mit fetten Batterien wie Tesla sie verkauft der richtige Weg in eine CO2-freie Gesellschaft?
Volker Quaschning: Das beste Auto ist immer kein Auto. Wir bauchen eigentlich einen Weg in unserer Gesellschaft, wie wir die Anzahl der Autos zumindest mal halbieren. Egal was für ein Auto ich herstelle, Diesel, Wasserstoff… in dem Moment, wo ich mit dem Auto vom Hof fahre, habe ich mit der Produktion des Autos mehr CO2 verursacht, als ein Einwohner eines armen afrikanischen Landes, wie etwa der Volksrepublik Kongo, in seinem kompletten Leben – nur durch den Autokauf. Der ökologische Fußabdruck eines Autos ist immer extrem hoch. Die erste Frage ist immer: Brauche ich überhaupt ein Auto? Die Zahl der Autos, die wir in Deutschland pro Einwohner haben, können wir nicht auf den Rest des Planeten übertragen.
Hier könnte es eine Veränderung geben. Regierungsseitig haben wir jahrelang große Unterstützung für das Auto erlebt….
Quaschning: Das macht die jetzige Regierung doch auch. (Lesen Sie dazu am Ende des Interviews eine aktuelle Kritik zur Regierungspolitik)
Mercedes zahlt von allen Konzernen die höchsten Summen in Deutschland, wenn es um Lobbying geht. Ist ein regierungsseitiges Umdenken vorstellbar?
Volker Quaschning: In anderen Ländern haben wir das bereits teilweise. London möchte 30 Prozent seines Autoverkehrs reduzieren. Berlins Rot-Rot-Grün-Regierung malt nur ein paar Radwege auf die Straße. Man muss den Innenstadtbereich für Autos sperren. In Paris kommt man zumindest ab 2024 mit dem Diesel nicht mehr in die Innenstadt. Man muss das Autofahren unbequem machen. Dazu ist man in Deutschland nicht bereit.
Wenn man sich unabhängig davon entscheidet, ein Auto zu haben, dann ist ein Elektroauto das kleinere Übel. Natürlich habe ich einen etwas größeren Footprint bei der Herstellung. Aber beim Betrieb sieht es ganz anders aus. Der Diesel haut jedes Jahr seine ein bis zwei Tonnen CO2 raus, weil ich immer Kraftstoff verbrenne. Das Lithium in der Elektroautobatterie ist besonders in der Kritik. Verbrennerautos sind aber im Hinblick auf die Rohstoffe nicht besser. Warum das Lithium besonders schlimm sein soll, aber die seltenen Erden im Katalysator nicht, weiß ich nicht. Man arbeitet sich am Elektroauto ab, nach dem Motto der Diesel ist gut. Aber wenn ich problematische Inhaltsstoffe habe, ist das die Wahl zwischen Pest und Cholera. Und beim Diesel wird in der Diskussion der Erdölverbrauch komplett ausgeblendet. Über die Autolebensdauer von 20 Jahren, werden ja wirklich gigantische Mengen an Sprit verbrannt. Und auch die Gewinnung von Erdöl ist extrem schädlich: Die Ölleckagen im Meer. Das alles hat einen extrem großen Fußabdruck.
Die Studien, die dem Diesel eine gute Bilanz bescheinigen, basieren allesamt auf fragwürdigen Zahlen. Und sie unterstellen, dass das E-Auto entweder komplett mit Kohlestrom geladen wird oder mit einem ungünstigen Strommix, der auch in den nächsten 20 Jahren schlecht bleiben wird. Das entspricht nicht der Realität.
Derzeit ist die Biokraftstoffbranche für alle CO2-Einsparungen auf den Straßen verantwortlich. In Ihrem Buch sagen Sie, dass wir beim Biosprit bereits die Spitze der Fahnenstange erreicht haben. Von dort werden wir also keine wachsenden Beiträge erwarten können?
Volker Quaschning: Was haben wir? Fünf oder sechs Prozent CO2-Einsparung im Verkehrsbereich durch Biosprit. Es ist schön, wenn fünf Prozent aus der Bioenergie kommen. Für viel mehr reichen aber die Anbauflächen nicht. Für den Klimaschutz nützt uns das also wenig.
Könnten öffentliche Verkehrsmittel einen größeren Beitrag leisten?
Volker Quaschning: Da ist Deutschland sehr schlecht und sehr langsam. In München wurde beispielsweise vor einigen Jahren die Planungsabteilung für U-Bahn-Neubauten abgewickelt. Wenn man dann wieder an neue Stecken denkt, kommt es zwangsweise zu großen Verzögerungen. In Berlin hatte man die Wartung bei S-Bahnen eingestellt, um Geld zu sparen. Die Folgen spürt die Stadt noch heute. In vielen Bereichen sehen wir den typisch deutschen Weg: Niemand übernimmt Verantwortung und geht voran. Seit dem ICE-Unglück in Eschede ist die Haftungsfrage bei Zugunglücken sehr komplex. Alle Verantwortlichen haben nun Sorge, dass sie einen Fehler machen könnten. Das bedeutet aber nicht, dass das System dadurch besser oder sicherer wird. Es wird stattdessen langsam und oft auch dysfunktional. Natürlich brauchen wir viel mehr öffentlichen Verkehr. Damit das funktioniert, brauchen wir aber einen Systemwechsel, sodass wir Tempo machen können.
Kritik an Regierungspolitik
Die neue Bundesregierung aus SPD, Grünen und FDP ist am 17. März 100 Tage im Amt. Die Einleitung einer glaubwürdigen Umwelt- und Klimaschutzpolitik ist die Ampelregierung bislang jedoch schuldig geblieben, so die Auffassung der Deutschen Umwelthilfe (DUH). DUH-Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch: „Die ersten Beschlüsse der neuen Ampel-Regierung zeigen den fortbestehenden Einfluss der Autokonzerne und bedeuten eine Fortsetzung der klimaschädlichen Verkehrspolitik der Vorgängerregierung. Das wurde bereits im Koalitionsvertrag mit der Ablehnung eines generellen Tempolimits deutlich und hat sich kurz nach der Vereidigung bestätigt, als die absurde finanzielle Förderung von Plug-in-Hybriden sowie Diesel- und Benzin-SUV im Eilverfahren verlängert wurde. Im Januar folgte die Absage an ein Verbrenner-Aus ab 2035 und im Februar die Verhinderung verschärfter CO2-Flottengrenzwerte für Pkw-Neuwagen in der EU. Dabei braucht es gerade hier ambitionierte Ziele – sonst bleibt in den nächsten zehn Jahren alles beim Alten und das Ziel von 15 Millionen rein elektrisch betriebenen Pkw rückt in weite Ferne“. (nw)