Auf den nachhaltigen Wandel legt der zuletzt 2022 verabschiedete Aktionsplan zwischen dem deutschen und dänischen Außenministerium angesichts der hohen klimapolitischen Ambitionen beider Länder einen besonderen Schwerpunkt. Die Energiewende und hier insbesondere die Wärmewende ist in Dänemark aber deutlich weiter vorangeschritten.
Natürlich sind die Voraussetzungen unterschiedlich. Dänemark hat 6 Millionen Einwohner, Deutschland 83 Millionen. Auch ist Deutschland großstädtischer. Doch die unterschiedliche Tendenz ist klar: Dänemark deckt den Wärmebedarf aktuell zu rund 40 Prozent aus erneuerbaren Quellen. In Deutschland sind es nur 18 Prozent. Haushalte heizen in Dänemark bereits zu etwa 65 Prozent mittels Fernwärme, die wiederum zu rund 75 Prozent erneuerbar ist (inklusive Abwärme). In Deutschland beträgt der Anteil der Fernwärme in Haushalten etwa 15 Prozent, die zu 23 Prozent erneuerbar ist.
Der dänische Weg
Die Ölkrise von 1973 traf die Wirtschaft des Landes stark. Dies war der Startpunkt für die strategische Ausrichtung Dänemarks, unabhängiger von Importen zu werden, was das Land kontinuierlich – unabhängig von der Regierung und von äußeren Umständen wie teils wieder gesunkenen Energiepreisen – verfolgte.
Das erste Wärmeplanungsgesetz verpflichtete 1979 Kommunen erstmals, eine flächendeckende Wärmeplanung durchzuführen. Die politischen Rahmenbedingungen werden national vorgegeben. Dadurch ist die Stoßrichtung landesweit klar und konsistent. Das führte nach und nach zum Ersatz fossiler Brennstoffe durch erneuerbare Energien (teils auch Erdgas) und Ausbau der Fernwärme. Kommunen sollen Projekte mit dem größten sozioökonomischen Nutzen umsetzen. Ab 2013 kamen sukzessive Verbote zum Einbau von Öl- und Gaskesseln hinzu und ein Fokus auf die Elektrifizierung des Landes.
Neue Gesetze und Förderungen sollen nun in Deutschland die Wärmewende vorantreiben, insbesondere diese:
• Novelle zum Gebäudeenergiegesetz, auch um die Reduktion fossiler Heizungstechnologien bis zur Klimaneutralität im Jahr 2045 zu regulieren
• Wärmeplanungsgesetz, verpflichtet die Kommunen zu flächendeckender Wärmeplanung bis 2028
• Energieeffizienzgesetz, um weniger Primärenergie und mehr unvermeidbare Abwärme zu nutzen
• Bundesförderung effiziente Wärmenetze fürs Planen und das Umsetzen der Dekarbonisierung von Wärmenetzen
Übertragbarkeit auf Deutschland?
Inwieweit wären aber Ansätze aus Dänemark auf Deutschland übertragbar? Die Zeit bis zur gesetzlich in Deutschland festgelegten Klimaneutralität im Jahr 2045 ist knapp, wir müssen schnell handeln. Erfolgsmodelle anderer Länder wie Dänemarks sollten für Deutschland geprüft werden. Denn wieso sollten wir Methodiken und Konzepte neu entwickeln, wenn sie schon erfolgreich erprobt wurden? Die kommunale Wärmeplanung ist hierbei zentral. Wenn auch die Bearbeitungsmethodik teils voneinander abweicht, so wird sie doch in beiden Ländern als strategisches Planungsinstrument angewendet.
Beispiele aus diesen Bereichen sollen dänische Lösungen zum deutschen Fernwärmemarkt beleuchten:
• Fernwärmeerzeugung
• Fernwärmenetz
• Fernwärmeübergabe in Gebäuden
• Tarifmodelle der Fernwärme
Um die Fernwärmeerzeugung Dänemarks sukzessive hin zur Klimaneutralität zu transformieren, spielen insbesondere im ländlichen Raum solarthermische Freiflächenanlagen und Biomasse wie Holz und Stroh eine Rolle. Immer mehr Großwärmepumpen sollen installiert werden. Aber auch Abwärme wird in das Fernwärmesystem eingekoppelt. Diese stammt beispielsweise aus Müllverbrennungsanlagen, die auch Deutschland nutzt. Doch sollten hierzulande Stadtwerke noch ungenutztes Potenzial individuell prüfen und in die Transformationsplanung der Fernwärme einfließen lassen. Die Abwärmeauskopplung ließe sich außerdem über eine saisonale Speicherung besser ausnutzen.
Abwärme in Industriebetrieben und Rechenzentren birgt weiteres Potenzial. In der Stadt Odense wird zum Beispiel seit 2019 Abwärme aus der Rückkühlanlage eines Rechenzentrums über Großwärmepumpen ins Fernwärmesystem des lokalen Versorgers eingespeist. Das deutsche Energieeffizienzgesetz regelt nun, dass unvermeidbare Abwärme genutzt werden soll. Idealerweise gehen Planung der Wärmeauskopplung und Standortsuche sowie Planung des Rechenzentrums Hand in Hand.
Vorzüge dänischer Wärmenetze
Wärmenetze in Dänemark zeichnen sich durch hohe Anschlussquoten aus. In Kopenhagen und Esbjerg sind es jeweils 98 Prozent. Dies ist einer kontinuierlichen strategischen Planung zu verdanken sowie der Ausweisung von Fernwärmegebieten, die teils durch einen Anschluss- und Benutzungszwang manifestiert wurden. Die kommunale Wärmeplanung wird in Deutschland zum Schlüsselfaktor. Doch kommt dabei nicht nur den Stadtwerken eine wichtige Rolle zu, sondern auch den Bürgern und Wärmeverbrauchern. Ihre Beteiligung etwa in Genossenschaften erhöht die Verbundenheit zur Fernwärme.
Auch technisch enthalten die dänischen Fernwärmenetze eine Lehre: Der Großteil hat selbst im Winter Vorlauftemperaturen unterhalb von 80 Grad Celsius und Rücklauftemperaturen unterhalb von 50 Grad Celsius. Diese niedrigen Wärmenetztemperaturen ermöglichen die Einbindung lokal verfügbarer erneuerbarer Wärmequellen wie Großwärmepumpen, Solarthermie und Geothermie in effizienter Weise. Ein Erfolgsfaktor der dänischen Wärmenetzbetreiber zur Erreichung niedriger Temperaturen ist der enge Kontakt zu ihren Kundinnen und Kunden. Ziel ist hierbei die Optimierung der Fernwärmeübergabe in den Gebäuden.
Indem er beispielsweise digitale Schnittstellen einrichtet, kann der Versorger die an den Übergabestationen zu den Gebäuden gemessenen Daten nutzen, um Potenziale zur Betriebsoptimierung zu identifizieren. Erstens sollten sich die Menschen ihres Wärmeverbrauchs und der Betriebsparameter des Fernwärmenetzes sowie ihrer Einsparpotenziale bewusst sein. Der Einbau von intelligenten Zählern und der Einsatz einer App macht den individuellen Wärmeverbrauch transparent für die Kunden. Zweitens können Störfälle und Optimierungspotenziale auch von den Verbrauchern selbst identifiziert werden. Die App oder ein anderer Kommunikationskanal kann als Schnittstelle zum Anbieter fungieren, um kontaktiert zu werden und das Problem zu beschreiben oder etwa per Video zu zeigen. Beispiele wie Esbjerg oder die Stadt Viborg zeigen, dass dieser enge Kontakt Erfolg hat: Die Netztemperaturen ließen sich sukzessive weiter senken.
In diesen und weiteren Städten waren auch individuelle Tarifmodelle ein Baustein. Diese sollen die Verbraucher zu einer effizienten Abnahme der Fernwärme und Verteilung im Gebäude anreizen, um die Rücklauftemperatur zu reduzieren. Auch hierbei sind intelligente Zähler erforderlich, mit deren Daten sich eben optimierungsbedürftige Verbraucheranlagen wie die Fernwärmeübergabestation im Keller oder Heizkörper identifizieren lassen.
Eine tatsächliche Optimierung der Rücklauftemperatur lässt sich aber nur mit technischer und teils finanzieller Unterstützung für die Verbraucherinnen und Verbraucher durchsetzen. Die technische Beratung und Umsetzung kann für die Versorger ein wachsendes Geschäftsfeld werden.