In einer im Internet neu zusammengestellten Argumentationshilfe erklärte das von der Grünenpolitikerin Steffi Lembke geführte Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV) am Freitag: „In der Abwägung von Vor- und Nachteilen ist daher das Ergebnis eindeutig: Eine Laufzeitverlängerung kann nicht empfohlen werden.“ Das BMUV sieht demnach den Nutzen des Atomstroms als gering an. Die Rechnung nimmt das Ministerium im Hinblick auf die geplante Bedeutung der Gasnutzung für die direkte Wärmeversorgung von Wohnungen und Häusern vor, oder auch im Hinblick auf die Bedeutung moderner Gas- und Dampfkraftwerke für die Fernwärmeversorgung oder auf die vorgesehene besonders flexible Gasverstromungstechnik, mit der sich die wetterabhängige unregelmäßige Einspeisung von Sonnen- und Windstrom ausgleichen lässt. Die Weiternutzung der letzten drei am Stromnetz verbliebenen Atomkraftwerke würden zudem verfassungsrechtliche Schwierigkeiten und Sicherheitsprobleme verursachen.
Auch die jüngste Verminderung der Gaslieferungen aus Russland nach Deutschland um 40 Prozent ändert nach Ansicht des BMUV nichts an dieser Berechnung: Schon durch eine Überprüfung im Frühjahr analysierte das Ministerium zusammen mit dem Bundeswirtschaftsressort den möglichen Beitrag durch den Weiterbetrieb der letzten drei deutschen Atomkraftwerke im Falle einer deutschen Gasunterversorgung. Die Analyse habe die gestellten Fragen aber nicht positiv beantworten können: Wenn aufgrund von Maßnahmen auch Deutschlands gegen das in der Ukraine weiterhin Krieg führende Russland das wichtigste Rohstoffexportland die Lieferungen reduzieren oder einstellen sollte, gelänge es dadurch „besser über den Winter 2022/23 zu kommen“? Oder wäre denkbar, dass eine über den Winter gestreckte Laufzeit „zumindest perspektivisch zu einer deutlichen Entspannung der Situation führen kann“?
Während das Umweltministerium auch die rechtzeitige Beschaffung neuer Brennstäbe für die Kernkraftwerke als ungewiss einkalkuliert, hält es die 2019 zwar fälligen, aber infolge des Atomkraftausstiegs den Betreibern erlassenen Periodischen Sicherheitsüberprüfungen (PSÜ) nicht bei einem Weiterbetrieb für nicht mehr aufschiebbar. Die aufwendigen PSÜ finden alle zehn Jahre statt und führen möglicherweise auch zum zwischenzeitlichen Herunterfahren der Anlagen. Nach nun 13 Jahren seit der letzten PSÜ müssten bei einem Weiterbetrieb die Prüfungen unbedingt stattfinden. Außerdem sei möglicherweise die Berechtigung zum Leistungsbetrieb nicht so schnell und ohne weitere Nachrüstungen der Kernkraftwerke mit neuer Technologie zu bekommen. Diese aber dürften sich für die Kernkraftwerksbetreiber nicht lohnen – ohne langfristige Genehmigungen.
Ende 2022 sollen die letzten drei noch im Betrieb befindlichen Atomkraftwerke Isar 2, Emsland und Neckarwestheim 2 vom Netz. Dies bestimmt das Atomausstiegsgesetz von 2011.
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