Während bei uns in Deutschland aus Sicherheitsgründen der Atomausstieg beschlossen wurde, geht die polnische Regierung den umgekehrten Weg. Bisher gibt es in Polen – außer zwei Forschungsreaktoren und einer Ruine eines AKW bei Danzig, dessen Bau in den 90er Jahren abgebrochen wurde – noch keine Atomkraftwerke. Nach großen Protesten der Bevölkerung sind zwei mögliche Standorte (Choczewo und Gaski) zurzeit nicht mehr im Gespräch.
Die Anzeichen mehren sich, dass jetzt der Standort Lubiatowo-Kopalino, der direkt an der Ostseeküste liegt, in den Fokus der Planungen des polnischen Atomkonzerns rückt. In der sogenannten „sehr kritischen 100-km-Zone“ um dieses Atomkraftwerk leben 1,85 Millionen Menschen. Das geplante AKW soll mindestens 60 Jahre in Betrieb sein. Für die dann anfallenden 35.000 Kubikmeter ausgebrannte Brennstäbe und radioaktive Abfälle gibt es noch kein Endlager.
Das geplante Atomkraftwerk würde in mitten einer idyllischen Urlaubsregion liegen und nahe dem Dorf Slajszewo. Die rund 130 Bewohner des Bauerndorfes haben erst vor einigen Monaten von den Planungen erfahren und sind entsetzt. Besonders die Frauen, viele von ihnen organisiert im Tourismusverein, gehen hier aktiv gegen die Atomkraftpläne vor und versuchen, der Pro-Atom-Informationskampagne der polnischen Regierung eigene Aktivitäten und Proteste entgegen zu setzen. Im April informierte man sich in Mecklenburg-Vorpommern im Bioenergiedorf Bollewick über die Alternative: Die Nutzung der erneuerbaren Energien.
Aneta Szafoni, 49 Jahre, betreibt eine Übernachtungspension und einen landwirtschaftlichen Hof, hat zwei Kinder und zwei Enkelkinder:
„Wir haben hier den wunderschönen Strand und die schöne Landschaft. Auch unsere Gäste sagen, dass ein Atomkraftwerk hier keine gute Idee ist. Ein Windkraftrad kann, wenn es nötig ist, schnell wieder abgebaut werden. Ein Atomkraftwerk nicht! Meiner Meinung nach ist die Zukunft Bioenergie, Windkraft, Solaranlagen und Wasserkraft.“
Sylwia Kropidlowska, 38 Jahre, Verkäuferin, Mutter von zwei Kindern:
„Durch das AKW verlieren wir hier alles, was wir über viele Jahre aufgebaut haben. Viele von uns leben vom Tourismus und der hört sofort auf, wenn es auch nur zu einem kleinen Störfall im AKW kommt. Ich möchte nicht, dass meine Kinder und Enkelkinder mich eines Tage fragen: Warum hast du nichts dagegen unternommen? Und ich denke, wir sollten mehr und richtig in erneuerbare Energiequellen investieren.“
Halina Luc, 60 Jahre, leitet gemeinsam mit ihrem Mann einen landwirtschaftlichen Betrieb und eine Pension, hat zwei Kinder und vier Enkelkinder:
„Mein Mann hat beim Bau des nicht beendeten AKW bei Danzig mitgearbeitet. Dadurch wissen wir, wie es dabei zugeht. Das wollen wir hier nicht haben.“
Elisabeth Lulek, 57 Jahre, Altenpflegerin, hat zwei Kinder und drei Enkelkinder. Sie wohnt in einem Haus, das nur einen Kilometer vom geplanten AKW-Standort entfernt liegt:
„Hier gibt es schon jetzt viele Menschen, die an Krebs erkrankt sind. Bestimmt hat auch der Vorfall in Tschernobyl daran seinen Anteil. Ein neues AKW vermindert sicher nicht das Krebsrisiko. Probleme bei einem AKW können ständig auftreten, schon bei einfachen Testläufen. Wir haben hier an unserem Ort doch alle Möglichkeiten auf Energiequellen wie Bioenergie, Wind und Sonne zurückzugreifen. Darin sehe ich die Zukunft!“
Dies ist ein Auszug aus dem Magazin Energieland MV, das am 21. August in Mecklenburg-Vorpommern erscheint.