Im Solargeschäft ist es wie im Fußball: persönlicher Einsatz zahlt sich aus. Als Bundesumweltminister Norbert Röttgen zu Jahresbeginn seine Pläne für die Novelle des EEG auf den Tisch legte, schrillten bei Investoren und Planern die Alarmglocken. Mit der Streichung des Einspeisetarifs für Solaranlagen auf landwirtschaftlichen Nutzflächen drohte etlichen Projekten das Aus. Denn ab Juli sollten alle Solarparks, die noch nicht am Netz waren, aus der Vergütung fallen. Monatelange Vorarbeiten und Investitionen: alles für die Katz. In etliche Projekte waren bereits Hunderttausende Euro in die Erschließung der Grundstücke und in die Planungen geflossen. Die Installation und der Netzanschluss der Anlagen waren für das zweite Halbjahr geplant. „Deshalb haben wir damals sofort ein Schreiben an die Kanzlerin verfasst, um sie auf diese Probleme hinzuweisen“, sagt Bernd Bodmer, CDU-Mitglied und Chef der Solarfirma Relatio in Balingen im äußersten Südwesten der Republik. Schon wenige Tage später erfolgte die Reaktion: Der Abgeordnete Thomas Bareiß, der für den Landkreis Zollernalb-Sigmaringen im Bundestag sitzt, meldete sich zum Besuch an. Nach dem dreistündigen Gespräch fuhr Bareiß nach Berlin zurück. Einen Monat danach tauchte Bodmers Vorschlag im Gesetzentwurf auf: Alle Solaranlagen auf Freiflächen, die bis zum 25. März einen Satzungsbeschluss vorweisen konnten, erhalten die ursprünglichen Vergütungssätze bis Ende 2010.
Bodmer ist kein grüner Heiliger, sondern Unternehmer. Denn dieser kleine, unscheinbare Passus hat „seinen“ Tauberlandpark gerettet. In Ernsthof Ost in der Nähe von Wertheim werden dort 70 Megawatt Solarleistung installiert, mehr als in jedem anderen Solarpark Europas. Relatio hat dieses Riesenprojekt entwickelt und geplant. Seit dem Frühsommer rollen die LKW, nimmt das Kraftwerk langsam Formen an. Relatio hat auch die Installation übernommen: „Tutti completti“, wie Bodmer sagt, „mit Aufständerung, Zentralwechselrichtern und Verkabelung.“ Im August beginnt Relatio zudem mit der Montage des Dreenelandparks bei Kiel, der 53 Megawatt leisten soll. Er wird auf einem alten Militärflugplatz errichtet, also einer Konversionsfläche.
Zum Baubeginn im Tauberlandpark war Bodmer zwar seine Sorgen um die Saltos in den Bundesministerien los, wohl drückte ihn ein anderer Schuh: Es waren kaum Module zu haben. Relatio ist ein großes Unternehmen, es hat 2009 rund 120 Megawatt installiert. Langfristige Beziehungen zu den Herstellern helfen, manchen Engpass zu überbrücken. Dennoch gab auch in Wertheim der Mangel an Modulen den Takt vor, denn alle deutschen Produzenten sind bis weit ins dritte Quartal ausverkauft. „Das Problem zog sich bis zum Cash-Flow-Plan durch“, berichtet Bodmer. „Da mussten die Kunden mitspielen. Wir mussten die Bauzeitenpläne und die Logistik mehrfach anpassen. Ein Block im Tauberlandpark hat 32.000 Module. Insgesamt wurden 320.000 Module verbaut. Wenn die auf einen Schlag kommen, stehen die LKW bis zur Autobahn.“ Im Dreenelandpark wird es einfacher, denn die Baustopps in Wertheim nutzte Bodmer aus, um seine Installateure nach Kiel zu schicken. Dort bauten sie die Gestelle auf. Wenn im August die Module kommen, hat Bodmer zugleich einen Puffer für das Dachgeschäft, „das im Juli sicher abflauen wird“.
Ein Markt auf der Kippe?
Ob es solche Projekte wie den Tauberlandpark künftig in Deutschland noch geben wird, ist völlig offen. Tatsache ist, dass die großen Solarkraftwerke mittlerweile die technischen und ökonomischen Trends der PV-Branche bestimmen. 2009 stellten Solarparks mit mehr als einem Megawatt rund 16,7 Prozent des Zubaus in Deutschland, gegenüber 11,5 Prozent im Vorjahr. Das Marktforschungsunternehmen EuPD Research hat prognostiziert, dass ihr Marktanteil 2010 auf mehr als 21 Prozent steigen könnte. Darin ist der massive Einbruch, der ihnen auf landwirtschaftlichen Flächen seit Jahresmitte droht, eingerechnet. „Es gibt genug freie Flächen in Deutschland“, kommentierte EuPD-Research-Chef Markus Hoehner im Juni auf der Intersolar. Vor allem Industriebrachen oder ehemalige Übungsplätze der Armee sind weiterhin im Geschäft.
Weil die Dachanlagen 16 Prozent weniger erhalten und viele Kunden verunsichert sind, könnte es im Herbst ein Überangebot an Modulen geben. Ob sich diese Schwemme tatsächlich einstellt und ob sie sich durch sinkende Preise in Deutschland bemerkbar macht, sind andere Fragen. Ende Juni 2010 wurden Module für größere Anlagen mit 1,60 Euro je Watt (First Solar) bis 1,80 Euro (kristalline Module chinesischer Hersteller) gehandelt. Mit der neuen Einspeisevergütung ab Juli brauchen die Investoren aber 1,30 Euro je Watt, damit die Rendite auch künftig stimmt.
Qualität entscheidet
Niedrige Modulpreise allein garantieren nicht, dass sich die Investition in ein Solarkraftwerk tatsächlich rechnet. Auch die Zuverlässigkeit und Qualität der Module sind von zentraler Bedeutung. Derzeit „bankable“ sind Cadmiumtellurid und monokristallines Silizium von Premiumherstellern sowohl aus Deutschland als auch aus dem Fernen Osten. Nach Berechnungen des Branchendienstes pvresources.com hält kristallines Silizium bei den Solarparks (größer ein Megawatt) derzeit einen Marktanteil von 65 Prozent. Cadmiumtellurid, sprich First Solar, hält 30 Prozent. Polykristalline Module sind aus diesem Marktsegment fast vollständig verschwunden. Auch lassen die Banker ihre Finger von Siliziumdünnschicht oder CIGS-Modulen, bei denen Langzeiterfahrungen fehlen. Für Solarparks sind sie schlichtweg „not bankable“.
Unbekannte: China und USA
First Solar ist so dick im Geschäft, weil die Module konkurrenzlos preiswert sind. Ihr Einsatz ist in zahlreichen Großanlagen erprobt. Aber: Trotz der Steigerung des Wirkungsgrades in allen PV-Technologien können die kristallinen Module ihren Vorsprung halten. Kommerzielle Siliziummodule erreichen einen Wirkungsgrad von mehr als 16 Prozent. Gegenüber elf Prozent bei First Solar ergibt sich ein um 30 Prozent geringerer Flächenbedarf sowie geringere Kosten für die Unterkonstruktion. Dagegen liefern die Dünnschichtmodule bessere Erträge bei niedrigen Sonnenständen und hohen Temperaturen im Sommer. Ein wesentlicher Punkt: Teilweise Verschattung wirkt sich nicht so dramatisch aus wie bei monokristallinem Silizium, so dass man die Modulreihen dichter stellen kann. Das wiederum senkt den Flächenbedarf, den Aufwand für die Verkabelung, den Blitzschutz und die Wartung. Insbesondere bei Anlagen ab einem Investment von mehr als einer Million Euro (ab ca. 350 Kilowatt) entscheidet die exakte Analyse der technischen, finanziellen, steuerlichen und juristischen Details (Due Diligence) über den Erfolg eines Projekts.
Die Reduktion des Einspeisetarifs erhöht den Druck auf die Wirtschaftlichkeit großer Solaranlagen. Andernfalls gibt es kein Geld von der Bank. Dahinter scheint bereits auf, wo die Zukunft dieses Marktsegments liegt: „Outside EEG“ – in der Direktvermarktung des Stroms unabhängig vom Einspeisetarif, der ohnehin nur in Deutschland und einigen anderen Ländern gilt. In den USA beispielsweise werden derzeit etliche Solarparks geplant, die sich durch den Verkauf des Stroms zu einem Festpreis an den Versorger finanzieren. Grundlage sind bilaterale Verträge, so genannte Power Purchase Agreements (PPA), der Staat bleibt außen vor. Und der US-amerikanische Markt hat ein gewichtiges Wörtchen mitzureden, ob sich die erwartete Modulschwemme in Deutschland wirklich durch sinkende Preise ausdrückt. 2008 wurden in den USA rund 350 Megawatt neu aufgebaut, davon ein Drittel in so genannten „Utility Scale Power Plants“ im sonnenreichen Südwesten, einer Region aus Wüsten und Halbwüsten. In Kalifornien, Nevada und Arizona laufen zurzeit massive Landkäufe, um zahlreiche Solarkraftwerke mit mehr als zehn Megawatt zu errichten. Die zweite Unbekannte ist China. Im Herbst wird die Zentralregierung in Peking den nächsten Fünf-Jahres-Plan beschließen. Von gewaltigen Investitionen in Photovoltaik ist die Rede: Bis 2012 wollen die Chinesen rund zwölf Gigawatt allein auf Freiflächen installieren. First Solar ist dabei als Partner im Boot, zumal die Amerikaner ihre Module aus der Fabrik in Malaysia liefern, die 800 Megawatt im Jahr schafft. Kristalline Zellen werden die Chinesen todsicher nicht in Deutschland kaufen, von den schweren Modulen ganz zu schweigen. Der staatliche Entwicklungsplan für erneuerbare Energien sieht bis 2020 sogar 20 Gigawatt vor. Das kann bedeuten, dass die chinesischen Hersteller schon 2011 nicht mehr auf den europäischen Markt angewiesen sind. Ihr Rückzug auf einen starken Heimatmarkt würde erheblichen Preisdruck von den deutschen Modulherstellern nehmen – für Investoren eher eine schlechte Nachricht. Zugleich könnten die Preise für kristalline Solarzellen nicht wie erwartet sinken, wenn die USA und China den Markt leerfegen. In Europa werden die Italiener im kommenden Jahr erstmals die Grenze von einem Gigawatt knacken. Wenn auch in Deutschland der Absatz der Module möglicherweise einbricht: In Europa und Übersee dominiert bis auf weiteres ein Käufermarkt. Der Traum von sinkenden Modulpreisen könnte sich als Wunschtraum erweisen.
Systemkosten entscheiden
Allein auf sinkende Modulpreise zu hoffen, ist für Investoren ohnehin der falsche Ansatz. Anders als bei Dachanlagen spielen die Modulpreise in ihrem Geschäft eine untergeordnete Rolle. Aufgrund der Größe dieser Kraftwerke treten die Kosten für die Montage und den Betrieb (After Sales) in den Vordergrund. Logistik auf der Baustelle, Einspeisepunkte, Wartung und Reparaturen – diese Kosten machen rund 40 Prozent der Investitionskosten aus, davon allein drei Viertel für Verkabelung und Montage. Rechnet man die Kosten für die Technik und ihre Montage zusammen, erhält man die so genannten Systemkosten, auch BOS genannt. Anfang 2010 kostete das Watt aus monokristallinen Modulen rund 2,50 Euro. Cadmiumtellurid war unter 2,40 Euro zu haben. Bis 2013 könnte Cadmiumtellurid auf 1,80 Euro je Watt sinken, kristallines Silizium etwa auf zwei Euro.
Heiko Schwarzburger