„Unsere Nebenkosten werden wir um rund zwei Drittel reduzieren können“, freut sich der 49-jährige Lars Stemme, frisch gebackener Eigentümer eines soeben fertiggestellten Reihenhauses mit Solaranlage auf dem Dach und speziell wärmegedämmten Wänden. Das Haus gehört mit 16 weiteren Reihenhäusern im Passivhaus-Standard zu einer von der Firma Meravis entworfenen ungewöhnlichen Neubausiedlung in Hannover-Wettbergen. Hier entsteht auf 25,5 Hektar der Zero-e-Park, die flächenmäßig größte Nullenergie-Siedlung Europas. Die Idee dazu kam vor circa 15 Jahren beim Rat der Stadt Hannover auf. Es waren anschließend fünf Jahre Vorarbeiten notwendig, bis 2003 schließlich der Beschluss zur Entstehung der Siedlung gefasst werden konnte. Daraufhin wurde zunächst von insgesamt sieben privaten Eigentümern geeignetes Bauland gekauft und ein Bebauungsplan in Auftrag gegeben. Dieser wurde 2010 fertiggestellt und sieht für die Nettobaufläche eine Größe von 13,5 Hektar vor. Hier sollen in drei Bauabschnitten 300 Einfamilienhäuser mit einer Grundstücksgröße von jeweils 500 bis 650 Quadratmetern entstehen.
Frühe Vision der Stadtväter
Heute ist aus der frühen Vision der Stadtväter Realität geworden. Familie Stemme musste allerdings für ihr Passivhaus deutliche Mehrkosten gegenüber einem konventionellen Bau einrechnen. Sie hofft aber, in einigen Jahren durch die erheblich geringeren Energiekosten die zusätzlichen Ausgaben wieder einzuspielen. So musste die Familie am früheren Wohnsitz noch rund 400 Euro für Heizung und Strom einkalkulieren, während sie im Passivhaus mit 150 Euro auskommt. Hier produzieren zwei solarthermische Kollektoren Warmwasser und Wärme; falls die Heizung zu Spitzenzeiten eine Raumtemperatur von 21 Grad Celsius nicht halten kann, schaltet sich eine zentrale Holzpelletheizung zu. Diese versorgt alle 17 Reihenhäuser parallel und wird von Meravis und einer weiteren Firma betrieben. Durch die bis zu 36 Zentimeter starke Dämmung der Außenwände verbleibt die Wärme weitgehend im Haus. „Es ist Oktober, wir brauchen nicht zu heizen und das T-Shirt reicht aus“, erzählt begeistert Bianca Hartung, die bereits seit Mai 2013 in der Passivhaus-Siedlung lebt. Ihre Energiebilanz liegt zwar noch nicht schwarz auf weiß vor. Auch sie rechnet sich aber einen erheblichen Vorteil gegenüber ihrer früheren Wohnung aus.
Isolierung durch Spezialverglasung
An ihrem Reihenendhaus schätzt Familie Stemme neben der freien Sicht nach Osten besonders die Stille, die in den Räumen herrscht. Diese wird vor allem durch die Dreifach-Verglasung erreicht, die das Haus weitgehend von den Verkehrsgeräuschen der angrenzenden Hauptverkehrsstraße abschirmt. „Hier verkehren 9.000 Fahrzeuge pro Tag“, so Eva Ehrenberg-John, Bezirksplanerin vom Baureferat Stadtplanung Hannover. Primär dient die starke Verglasung der Fenster jedoch der zusätzlichen Wärmedämmung. Unterstützt wird dieses System durch eine automatische Be- und Entlüftungsanlage, die einen Luftaustausch gewährleistet und gleichzeitig die Wärme der Luft im Haus hält. Statt eines Dachbodens sind die Häuser mit einem ausgebauten Dachstudio ausgestattet und nicht unterkellert. Trotz aller ökologisch verträglichen Maßnahmen, die den Nullenergie-Standard ermöglichen sollen, verbleibt ein CO2-Ausstoß der Siedlung von jährlich 900 Tonnen. Um diesen zu kompensieren, ist die Reaktivierung einer Wasserkraftanlage in Hannover-Döhren geplant, deren Finanzierung bereits in den Grundstückspreisen enthalten ist.
Wie Familie Stemme sind viele Eigentümer daran interessiert, ihre Energiekosten zu senken und das Klima zu entlasten. Entsprechend groß ist das Interesse an der Klimasiedlung. Vollständig abgeschlossen ist mittlerweile der erste Bauabschnitt mit 62 Wohneinheiten, davon über 60 Prozent in freistehender Bauweise. Dazu gehört auch ein Verbrauchermarkt in Passivbauweise mit etwa 1.400 Quadratmetern Verkaufsfläche. Der zweite Bauabschnitt entsteht seit Dezember 2012. Hier sind derzeit einige Häuser im Bau. Errichtet werden letztlich 63 freistehende und 42 Reihenhäuser. Die Vermarktung des dritten Bauabschnitts läuft bereits seit Juni 2013. Seine Erschließung wird Ende 2013 beginnen, sodass ab Mitte 2014 gebaut wird. Bauträger der Grundstücke des dritten Bauabschnitts sind jeweils zu einem Drittel die Firma Meravis, die Stadt Hannover sowie die Niedersächsische Landesgesellschaft. Bauträger der Gebäude der ersten beiden Bauabschnitte ist hingegen ausschließlich die Firma Meravis.
Passivhäuser sind zertifiziert
Die Wohnhäuser, die auf den nicht bebauten Grundstücken entstehen, müssen – wie auch die fertigen Reihenhäuser – Zertifizierungskriterien erfüllen, die vom Passivhaus-Institut in Darmstadt erarbeitet wurden. Diese und andere Vorschriften werden in städtebaulichen Verträgen umgesetzt, nach denen eine Vertragsstrafe von bis zu 15.000 Euro droht, wenn der Nachweis zur Erreichung des Passivhausstandards nicht geführt werden kann. Daher haben die drei Bauträger ein Bauherrenhandbuch für den Zero-e-Park herausgegeben, das die hier anwendbaren Richtlinien zusammenfasst. So dürfen die Gebäude etwa über keinerlei Gas- oder Ölversorgung verfügen; für den Restenergiebedarf ist eine Obergrenze von 15 Kilowattstunden pro Quadratmeter und Jahr veranschlagt.
Mehrkosten amortisieren sich
Die Finanzierung sowohl der Reihenhäuser als auch der freien Grundstücke erfolgt überwiegend durch Eigenkapital. „Die Käuferschicht verdient gut und hat bis zu zwei Kinder“, erklärt Melanie Römermann, zuständig für Marketing, Presse und Sozialmanagement bei Meravis. Der Preis für ein freistehendes Haus liege bei mindestens 450.000 Euro inklusive Grundstück, für ein Reihenhaus bei mindestens 317.000 Euro. „Die Reihenhäuser sind in der Anschaffung zwar teurer als vergleichbare konventionelle Objekte. Da bei diesen Passivhäusern auch aufgrund der zusätzlichen Solaranlage nahezu keine Heizkosten anfallen, werden die Mehrkosten sich relativ schnell amortisieren“, hebt Ulrich Bauer, Leiter für Vertrieb und kaufmännisches Vertragswesen bei der Firma Meravis, hervor. Er erklärt weiter: „Die Mehrkosten der Reihenhäuser amortisieren sich in der Regel schneller als die der freistehenden Gebäude.“
Entscheidend sei für viele Eigentümer neben dem innovativen Energiekonzept die Lage des Zero-e-Parks: „Nirgendwo kann man näher an der Stadt bauen“, führt Melanie Römermann aus. Die Siedlung bietet somit Eigentümern wie Lars Stemme eine nahezu einmalige Möglichkeit, das Wohnen in Stadtnähe und eine dichte Infrastruktur mit ökologischem Bewusstsein und niedrigen Energiekosten zu verbinden. ( Christoph Bayer)