Raffinerie HeideRaffinerie Heide: Wasserstoffproduktion für den Flugverkehr aus überschüssigem schleswig-holsteinischen Windstrom in einer Pilotanlage der Raffinerie Heide. Im Projekt KEROSyN100 kooperieren Hochschulen, das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt und private Unternehmen.Raffinerie Heide
An der Erdölraffinerie Heide erfolgt nun – ziemlich genau zehn Jahre nach dem Start der ersten Forschungen von Chemieanlagenbau Chemnitz (CAC) in Zusammenarbeit mit der TU Bergakademie Freiberg – der Aufbau der Pilotanlage. Sie soll die nun schon so lange erforschte Produktion von Wasserstoff für den Flugverkehr aus überschüssigem Windstrom umsetzen. Der Strom wird nach den Plänen der Beteiligten aus den zahlreichen Windparks an der Nordsee kommen. Die speziell entwickelte Wasserstoffanlage wird demnach mit einem windstrombetriebenen Elektrolyseur aus Kohlendioxid und Wasser den Grundstoff dazu produzieren. Die maßgeschneiderte Demonstrationsanlage beim Projektpartner, der Erdölraffinierie Heide, wird die gesamte Prozesskette übernehmen, an deren Ende ein Kerosinersatz auf Wasserstoffbasis herauskommt. Die Produktion basiert auf einer Umwandlung von Methanol, also einer Alkoholform, zu Kerosin.
Das Projekt trägt den Namen „KEROSyN100“. Weitere Partner der Entwicklung sind das Hannoversche Ingenieurbüro SKL, das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Braunschweig, und das Institut für Klimaschutz, Energie und Mobilität (Ikem) in Berlin und Greifswald. Auch die Universität Bremen beteiligt sich.
CAC-Geschäftsführer Jörg Engelmann lobte die Zielsetzung des Projekts: „Anstatt die überschüssige Windenergie abzuregeln, wird sie genutzt, um mittels innovativer chemischer Verfahren die Grundlage für synthetischen Kraftstoff zu schaffen“, sagte er zur Bekanntgabe der Pilotanlagenpläne. „Mit diesem strombasierten Kerosin aus erneuerbarer Windenergie und der Nutzung von Kohlendioxid aus der Atmosphäre erreichen wir im Idealfall einen geschlossenen CO2-Kreislauf.“
Kerosin als Flugzeugtreibstoff gilt als zu rund drei Prozent mitverantwortlich für den weltweiten Treibhauseffekt. Aber auch mit weiteren Schadstoffen wie Stickoxide oder Rußpartikel-Feinstaub tragen Kerosin-betriebene Flugzeuge zur Erdklimaerwärmung und zur Luftverschmutzung bei. Ebenso sollen sie Einfluss auf eine Veränderung der Verteilung von Ozon haben: Ozon ist beispielsweise für den Schutz vor der Ultraviolett-Einstrahlung der Sonne wichtig, kann aber auch in zu erdnahen Luftschichten schädlich für die Atmung sein. Wasserstoff hingegen soll als Treibstoff in sogenannten Wasserstoff-Brennstoffzellen nahezu schadstofffrei bleiben. Der aus Windenergie gewonnene Wasserstoff soll laut den Projektpartnern von „KEROSyN100“ hauptsächlich dann den Windstrom verwerten, wenn dieser aufgrund überfüllter Leitungen und anhaltend guten Windströmungen sich sonst nicht verwerten ließen. In diesen Fällen regeln Netzbetreiber die Windparks als Notlösung ab und stellen sie aus dem Wind.
Etwas weiter fortgeschritten sind die Entwickler von Raketentreibstoff im Windpark Harthäuser Wald. Dort kooperieren ebenfalls das DLR sowie das Heilbronner Energieversorgungsunternehmen Zeag, das mehrheitlich Stromkonzern EnBW gehört. Das im Juni durch die beteiligten Unternehmen in einem Fachaufsatz in unserem Fachmagazin ERNEUERBARE ENERGIEN vorgestellte Projekt nennt sich H2orizon: Im größten Windpark Baden-Württembergs mit knapp 85 Megawatt (MW) Erzeugungsleistung nutzt hierbei seit wenigen Monaten ein Elektrolyseur den Windstrom zur Herstellung von laut den Kalkulationen 20 bis 40 Tonnen Wasserstoff jährlich. Mit dem Wasserstoff wollen die Projektpartner auch die Testanlage für die Prüfung und Erprobung von Raketenantrieben betreiben: Die dort getesteten Raketentriebwerke erhalten als Treibstoff auch den Wasserstoff aus dem Strom des Windparks bei Heilbronn. Allerdings wird beim DLR auch wohl weiterhin eher herkömmlicher Treibstoff benötigt, weil das DLR jährlich für die Tests von Raketentriebwerken rund 200 Tonnen verbraucht.
(Tilman Weber)