Steht der Biomethanmarkt wirklich vor dem Zusammenbruch? Dramatisch klangen die Einschätzungen von Experten auf einer Veranstaltung des Biogasrates in Berlin. Der Hintergrund: Zu Biomethan aufbereitetes Biogas ist teurer als Erdgas und daher nicht konkurrenzfähig. Zugleich drückt derzeit ein großes Angebot an Erdgas dessen Preis weiter nach unten.
Es erscheint daher sehr fraglich, ob die Bundesregierung ihre ambitionierten Ziele in puncto Biomethan überhaupt erreichen kann. Vorgesehen ist, bis zum Jahr 2020 sechs Milliarden Kubikmeter Biomethan in das deutsche Erdgasnetz einzuspeisen. „Von den gesetzten Zielen sind wir weit entfernt“, sagte Kunibert Ruhe, Vorstandsvorsitzender des Biogasanlagen-Herstellers EnviTec und Vorsitzender des Biogasrates. Die Organisation vertritt neben einigen Planern und Anlagenherstellern vor allem industrielle Biogaserzeuger wie die großen Energiekonzerne. „Dem klaren Bekenntnis der Politik zu Biomethan müssen Taten folgen“, forderte Ruhe. Der Biogasrat verlangt eine Öffnung des Wärmemarktes für Biomethan. Statt Erdgas sollte der erneuerbare Energieträger in konventionellen Brennwertheizungen verbrannt werden dürfen. Das ist in der Branche umstritten. So tritt der Fachverband Biogas e.V. seit langem für ein eigenes Gaseinspeisegesetz (EGE) ein, um die dezentrale Gaseinspeisung zu erleichtern. Nach der geltenden Gesetzeslage darf Biomethan in der gekoppelten Strom- und Wärmeproduktion (KWK) in Blockheizkraftwerken eingesetzt werden, wenn eine Vergütung nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz gezahlt werden soll.
Verunsicherung in der Branche
Nun sind die Akteure der Branche verunsichert und halten sich mit den notwendigen Investitionen erst einmal zurück. Ruhe verdeutlichte in Berlin, um welche Summe es hier geht. Es müssten hierzulande jährlich 1,5 Mrd. Euro in Anlagen zur Biogasaufbereitung investiert werden. Doch das passiert nicht, wie Ruhe bemängelt: „Die Nachfrage nach Biomethan ist derzeit zu gering, um die politisch gewollten Projekte realisieren zu können.“ Jochen Hohmann, Parlamentarischer Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium bestätigt, dass sein Haus an einer neuen Gasnetz-Zugangsverorordnung arbeitet. Sie regelt den Anschluss an das Gasnetz und schreibt in der gültigen Fassung die hälftige Aufteilung der Anschlusskosten zwischen Netzbetreiber und Einspeiser vor. Nun könnte es auf eine Aufteilung der Kosten im Verhältnis 75 zu 25 hinauslaufen, deutet Biogasrat-Geschäftsführer Reinhard Schultz an. Außerdem solle auf „schikanöse Sicherheiten“ verzichtet und das Anschlussverfahren verkürzt werden.
Um einen Kollaps des Biomethan-Marktes zu verhindern, sei eine schnelle Öffnung des Wärmemarktes für Biomethan erforderlich, so Schultz. In der Tat steht der Wärmesektor beim Anteil erneuerbarer Energien weit hinter dem Strombereich zurück. Während beim Strom bereits mehr als 16 Prozent aus erneuerbaren Quellen stammen, waren es bei der Wärmebereitstellung in 2009 nur 8,4 Prozent. Mit einer „Drei-Wege-Strategie“ soll nach Ansicht des Biogasrates das Potenzial von Biogas besser genutzt werden:
1. Gesetzliche Vorgaben sollen dafür sorgen, dass jedes Jahr mindestens zwei Prozent des Gebäudebestandes energetisch saniert werden.
2. Bei der Biomethan-Nutzung in KWK-Anlagen sollte die bisherige Größenbegrenzung auf 500 Kilowatt (kW) entfallen und Biomethan in Anlagen mit einer installierten Leistung von bis zu zehn Megawatt (MW) verstromt werden dürfen.
3. Das Erneuerbare-Wärme-Gesetz sollte schnell novelliert werden und die Beimischung von Biomethan zum Erdgas sollte als CO2-mindernde Maßnahme anerkannt werden.
Vorbild Baden-Württemberg
Vorbild dieser letzten Forderung ist ein entsprechendes Landesgesetz in Baden-Württemberg, das am 1. Januar 2010 in Kraft getreten ist. Demzufolge müssen bei größeren Umbaumaßnahmen wie dem Austausch der Heizung zehn Prozent des Energiebedarfs mit erneuerbaren Energien gedeckt werden. „Die kostengünstigste Möglichkeit, diese Nutzungspflicht zu erfüllen, ist der Einsatz von Bioerdgas“, sagt Martin Eggstein, zuständiger Referent im Stuttgarter Umweltministerium, zu dem Vorteil einer solchen Quotenregelung. Für ein Einfamilienhaus beziffert Eggstein die jährlichen Mehrkosten durch das Bioerdgas auf 150 bis 200 Euro. Verlässliche Zahlen darüber, wie sich diese Regelung auf den Markt ausgewirkt hat, gibt es allerdings noch nicht.
In der Biogas-Branche ist diese Regelung zudem umstritten. Denn der Haken ist, dass der Hausbesitzer theoretisch auf die Wärmedämmung seines Hauses verzichten kann, wenn er den entsprechenden Anteil Biomethan in seiner Gastherme verbrennt. Energie wird letztlich so kaum eingespart, und auch dem Klimaschutz ist wenig gedient, wenn das Biomethan Erdgas als vergleichsweise umweltfreundlichen Energieträger verdrängt. „Mit dem Einsatz von Biomethan in der Heizung sollte sich der Verbraucher nicht von Energiesparmaßnahmen freikaufen dürfen“, sagt Bastian Olzem, Referatsleiter Politik beim Fachverband Biogas.
Hinzu kommt, dass eine andere Branche der erneuerbaren Energien bereits schlechte Erfahrungen mit einer vergleichbaren Quotenregelung gemacht hat. So wurden im Bereich der Biokraftstoffe gerade kleine und mittlere Betriebe aus dem Markt gedrängt. Etwas Ähnliches befürchtet der Fachverband Biogas auch für seine rund 4 000 Mitglieder. So könnten die landwirtschaftlichen Biogaserzeuger bei einer Quote außen vor bleiben, während die Energiekonzerne das wichtige Thema Biomethaneinspeisung für sich besetzen. Gerade sie lockt jedoch das Potenzial, dass sich mit dem Einsatz von Biomethan in der Brennwerttechnik erschließen ließe: So wurden nach Angaben der Deutschen Energie-Agentur (Dena) allein in 2008 rund 300 000 neue Anlagen in Haushalten installiert. Innerhalb von zwölf Jahren konnte der Anteil der Brennwerttechnik an den Heizungen um 30 Prozent gesteigert werden. Die Brennwerttechnik wäre allerdings Voraussetzung für den Biomethaneinsatz, um einen möglichst hohen Wirkungsgrad mit dem kostbaren Biogas zu erreichen.
KWK besser als nur Wärme
Mehr als die Hälfte des Biomethans wird derzeit in Blockheizkraftwerken (BHKW) eingesetzt – eine Tatsache, die unter dem Aspekt des Klimaschutzes zu begrüßen ist, wie Uwe Holzhammer vom Bundesumweltministerium in Berlin sagt: „Biogas in KWK eingesetzt kann dreimal so viel CO2 einsparen wie die Verwendung im Wärmebereich.“ Doch die Klimabilanz stimmt nur, wenn das Biogas auch umweltfreundlich erzeugt wird. Dass hier noch einiges im Argen liegt, räumt auch Helmut Döhler vom Kuratorium für Technik und Bauwesen in der Landwirtschaft (KTBL) ein. „Biogasanlagen sind nicht ganz dicht“, formuliert der Experte für Klimagasbilanzierung treffend. Methanverluste von einem Prozent treten durch Leckagen auf, am BHKW selbst kommt es zu Methanschlupf von 0,5 Prozent. Die Emissionen aus der Landwirtschaft, die insgesamt 13,3 Prozent der gesamten CO2- Emissionen Deutschlands betragen, lassen sich nach Ansicht Döhlers nicht in großem Umfang verringern. Mit einem Minderungspotenzial von 2,8 Prozent könne die Landwirtschaft nicht mehr beitragen. Die CO2-Minderungskosten einer Biogasanlage beziffert er auf rund 100 Euro je Tonne. „Die Biogasbranche hat keinen ökologischen Freibrief“, warnt Döhler: „Die Biogaserzeugung um jeden Preis kann nicht der Weg der Zukunft sein.“
Wie umweltfreundlich die Anlagen tatsächlich sind, hängt auch weniger von der Verwendung des erzeugten Biogases als vielmehr von den eingesetzten Substraten ab. Hier zeigt sich, dass große Mengen des klimarelevanten Methans vermieden werden können, wenn Gülle aus vorhandenen Tierhaltungen zur Biogaserzeugung genutzt wird. Dieser Pfad lässt sich eher in kleinen, landwirtschaftlichen Anlagen realisieren. Ohnehin lassen sich Landwirte ungern in die Rolle des Substratlieferanten für große Einspeiseanlagen drängen. Sie reklamieren einen möglichst großen Anteil an der Wertschöpfungskette für sich. Udo Hemmerling, Referent für Bioenergie beim deutschen Bauernverband, plädiert daher auch für die dezentrale Biogaserzeugung: „Wir haben ein starkes Interesse daran, dass die Anlagen standortangepasst sind.“
Klein ist nicht wirtschaftlich
Wolfgang Urban vom Fraunhofer Institut UMSICHT in Oberhausen verlangt dagegen: „Die Einspeiseanlagen müssen so groß wie möglich gebaut werden.“ Volkswirtschaftlich seien Kleinanlagen nicht zu vertreten. Urban begründet das mit den Kosten der Biomethanproduktion, die mit 2 bis 1,8 Cent je Kubikmeter (ct/kWh) bei kleineren Anlagen beginnen und mit der Größe der Anlage relativ schnell auf 1,5 bis 1,4 Cent je Kubikmeter zurückgingen.
Doch dass überhaupt Anlagen in großem Stil entstehen – wie es vor dem Hintergrund des politisch anvisierten Ziels erforderlich wäre – stellt Andreas Seebach in Frage. Der Geschäftsführer der Biomethan-Handelsplattform „bmp Greengas“ führt den brachliegenden Markt vor allem auf die Industrie zurück, die ihre KWK-Anlagen derzeit mit kostengünstigem Erdgas betreibt: „Diesen Wettbewerb können wir nicht gewinnen.“ Dena-Geschäftsführer Andreas Jung kann das nur bestätigen: So könne die Industrie Erdgas für 2 bis 3 ct/kWh beziehen, während Biomethan 6 bis 8 ct/kWh koste. Ginge der Erdgaspreis um 1,5 ct/kWh zurück, entspricht das laut Seebach einer fehlenden EEG-Vergütung von 4,2 ct/kWh. Für die Industrie kommt hinzu, dass für den mit Biogas erzeugten selbst verbrauchten Strom kein KWK-Bonus gewährt wird. Die Eigenstromproduktion mit Biomethan sei für Industriebetriebe daher nicht wirtschaftlich.
Eine Biogas-Einspeiseanlage benötige vier bis sechs Abnehmer, erläutert Seebach. Seien die nicht vorhanden, werde die Anlage eben nicht gebaut. Wenn die Biomethanmengen nicht am Markt platziert werden können, sieht Seebach einen Absturz des Biomethanmarktes voraus. Das Volumen an der Tankstelle, um Erdgasfahrzeuge mit Biogas zu betreiben, sei derzeit zu gering. „Die Potenziale von Erdgas und Biogas im Kraftstoffsektor müssen wir besser ausnutzen“, räumt auch Staatssekretär Jochen Hohmann ein. Seebach forderte als Ausweg eine schnelle Reaktion, etwa durch eine Anhebung der vermiedenen Netznutzungsentgelte von 0,7 auf 1,5 ct/kWh. Die auf 2012 vorgezogene EEG-Novelle werde das Problem nicht lösen, so Seebach.
Der Fachverband Biogas ist weiterhin davon überzeugt, dass ein eigenes Gas-Einspeisegesetz das richtige Instrument ist, um den Biogasproduzenten den diskriminierungsfreien Zugang zum Gasnetz zu gewähren und mit festen Vergütungen für das eingespeiste Gas auch den finanzierenden Banken Sicherheit zu gewähren. Dagegen setzt der Biogasrat auf ein Einspeiseregister und einen Biomethanhandel, der über eine Börse – vergleichbar der Strombörse EEX in Leipzig – und eine Clearingstelle abgewickelt wird. „Der Handel verträgt sich nicht mit der Idee eines Gas-Einspeisegesetzes“, sagt dagegen Biogasrat-Geschäftsführer Schultz. Würden diese Punkte bei einer Novelle der Gasnetz-Zugangsverordnung berücksichtigt, könnten nach seiner Einschätzung bis 2020 zwischen 700 und 1.000 Biomethan-Einspeiseanlagen in Betrieb gehen.
Thomas Gaul