Große Solarkraftwerke sind für den Umstieg auf erneuerbare Energien in der Stromversorgung unerlässlich. „Alle Technologien, die unregelmäßig einspeisen, belasten das Netz“, sagt Bernhard Beck, Geschäftsführer von Belectric aus Kolitzheim in Franken. Das Unternehmen ist einer der weltweit größten Anbieter von schlüsselfertigen Solarkraftwerken. „Mit neuartigen Zentralwechselrichtern können Kraftwerke mit einer Leistung von vier bis acht Megawatt das Netz regional durchaus stabil halten. Seit einem Jahr setzen wir Wechselrichter ein, die sogar nachts Blindleistung einspeisen. Dadurch ergeben sich völlig neue Ansätze zur Netzsteuerung.“
Vier Ebenen im Stromnetz
Bisher ist das Stromnetz in Deutschland in vier Ebenen gegliedert: die Höchstspannungstrassen mit mehr als 380 Kilovolt Spannung, die Hochspannungsleitungen mit mehr als 110 Kilovolt, die Mittelspannung zur regionalen Verteilung (20 Kilovolt) und die örtlichen Verteilnetze zum Endverbraucher mit 400 Volt auf drei Phasen. Wird zu viel Energie ins Netz eingespeist, steigt die Spannung auf einen überhöhten Wert an, auch die Frequenz erhöht sich. Es droht die thermische Überlastung der Leiterseile. Reserven nutzen die Netzbetreiber aus, in dem sie aus den Großkraftwerken zusätzliche Blindleistung einspeisen. Durch die Abschaltung der Atomkraftwerke im Süden Deutschlands fehlt dort die Blindleistung, um Überlastungen vorzubeugen.
Mehr Blindleistung als ein AKW
„Das können nun die Solarkraftwerke übernehmen“, sagt Bernhard Beck. „Ein Solarpark mit einigen hundert Megawatt Leistung kann so viel Blindleistung erzeugen, dass er die netzregelnde Wirkung eines Atomkraftwerkes ersetzt.“ Würde man überall in der Republik kleine Solargeneratoren mit wenigen Megawatt errichten, könnten sie zu jedem Zeitpunkt Blindleistung zur Verfügung stellen, auch wenn die Sonne nicht scheint. Die neue Wechselrichterfunktion, die von den Ingenieuren der SMA mit Software umgesetzt wird, lässt sich auch für Windkraftanlagen mit Wechselrichtern nutzen. Die kleinen Wechselrichter für Dachanlagen erfüllen eine solche Aufgabe bislang nicht, das wäre zu teuer. Auch direkt einspeisende Asynchron- oder Synchrongeneratoren leisten das nicht.
Blindleistung wird zum Engpass
Mit dem Ausbau der erneuerbaren Energien wächst die täglich eingespeiste Leistung aus Sonne, Wind und Biomasse. Nun erweist sich die Wirkleistung – die real nutzbare Energie – als Nadelöhr, sondern die zur Netzsteuerung notwendige Blindleistung als Engpass. „Speist ein größeres Solarkraftwerk in Bayern vor Ort Blindleistung ein, kann man unter Umständen sogar die Höchstspannungstrassen zur Nordsee viel besser ausnutzen“, analysiert Beck. „nach unseren Schätzungen wäre damit der Ausbau der Netze um mindestens die Hälfte billiger zu haben.“ Denn durch lokale Bereitstellung von Blindleistung und höher belastbare Leiterseile (so genannte Hochtemperaturkabel) könnte man die Energiemenge im Netz verdreifachen, ohne eine einzigen neuen Mast zu bauen.
Ein solarer Phasenschieber auch in der Nacht
Durch verschiedene Verbraucher des sinusförmigen Wechselstroms werden die Phasen der Wechselspannung und des Wechselstroms gegeneinander verschoben. Elektriker bezeichnen dies als Phasenverschiebung. Da sich die Netzbelastung aus dem Momentanwert von Strom und Spannung ergibt, kann man durch eine gezielte Verschiebung der Schwingungen gegeneinander erhebliche Netzreserven frei machen. „Im Grunde genommen benutzen wir die Solarkraftwerke als Phasenschieber“, erläutert Bernhard Beck. „Aber nicht nur am Tag, sondern auch in der Nacht. Tagsüber steuert das Kraftwerk die Phasenverschiebung über die Energie, das es einspeist. Nachts oder bei bedecktem Himmel entnimmt es dem Netz etwas Wirkleistung und speist sie mit sehr geringen Verlusten, aber einer wesentlich größeren Phasenverschiebung wieder zurück. Dadurch ergibt sich eine Netzentlastung, um beispielsweise viel mehr Strom aus den Offshore-Windanlagen vor der Küste bis nach Bayern zu leiten.“
Dezentrale Netzsteuerung vergüten
Das bedeutet, die Netzsteuerung von oben auf dezentrale Solarkraftwerke oder Windparks im Niederspannungsnetz oder in der Mittelspannungsebene zu verlagern. Die Transformatoren in den Umspannwerken können in beide Richtungen agieren, das wäre kein Problem. „Gegenwärtig wird wieder einmal über die künftige Förderung großer Solarkraftwerke debattiert“, sagt Bernhard Beck. „Ohne sie ist die Energiewende unmöglich, weil wir nur auf diesem Weg die enormen Kosten für den Netzausbau deutlich senken können.“ Statt die Solarkraftwerke aus der Förderung zu nehmen, sollte man die Betreiber zur Netzsteuerung verpflichten. „Freiflächenanlagen mit mehr als 30 Megawatt müssen Blindleistung unabhängig ihrer aktuellen Einspeiseleistung bereitstellen können“, fordert er. „Nur dann sollten sie den vollen Vergütungssatz für Freiflächen bekommen.“ Andernfalls könnte man die Vergütung um einen halben Cent je Kilowattstunde kürzen. Auch wäre es sinnvoll, die Restriktionen für bestimmte Flächen zu überdenken. „Man sollte es den Kommunen und Regionen selbst überlassen, ob sie einen solchen Solarpuffer nicht beispielsweise auf den alten Acker hinterm Sportplatz bauen wollen.“ (Heiko Schwarzburger)