Fernkälte ist neben Fernwärme einer der Hebel, um schnell und nachhaltig Gebäude regenerativ zu versorgen und dabei die Städte bei der Reaktion auf die Klimakrise zu unterstützen. Deshalb haben die Stadtwerke München (SWM) beschlossen, das eigene Fernkältenetz auszubauen. Schon jetzt betreibt der Versorger ein 22 Kilometer langes Fernkältenetz. Ab Ende 2023 soll Kälte vom Energiestandort Süd in München-Sendling durch die Isarvorstadt und Ludwigsvorstadt bis in die Innenstadt strömen. Die Energie zur Produktion der Kälte kommt aus verschiedenen Geothermie- und KWK-Anlagen. Die dafür notwendigen acht Kilometer Rohrleitungen wird der Industriedienstleister Bilfinger verlegen und die Stadtwerke München auch bei der Inbetriebnahme der Erweiterung unterstützen.
100 Bürogebäude versorgen
Insgesamt werden die SWM dann am Energiestandort Süd in München-Sendling Kühlenergie mit einer thermischen Leistung von 36 Megawatt erzeugt. Dies entspricht etwa dem Kühlbedarf von 100 Bürogebäuden. Dies mache die neue Münchner Fernkältezentrale zur größten in Europa. Mit der Verlängerung des Fernkältenetzes können die SWM in Zukunft mehr gewerbliche Abnehmer wie Hotels, Bürogebäude oder Einzelhandelsimmobilien klimatisieren.
Kreislauf wie im Fernwärmenetz
Grundsätzlich funktioniert die Fernkälte nach dem umgekehrten Prinzip der Fernwärme. Am Energiestandort Sendling wird Wasser mittels Strom auf sechs bis zehn Grad Celsius abgekühlt. Dieses wird über ein Rohrleitungssystem an die Gebäude geschickt, die versorgt werden müssen. Dort nimmt ein Wärmetauscher die Wärme in den Räumen auf und gibt sie an das kalte Wasser im Fernkältenetz ab. Dieses erwärmt sich und fließt zurück zum Energiestandort Süd in München-Sendling. Dort wird das erwärmte Wasser abgekühlt und wieder zu den Gebäuden zurückgeschickt.
Stadtbach dient als Kühlmittel
Diese Vorgehensweise hat mehrere Vorteile. „Neben der Fernwärme ist auch die Fernkälte ein wichtiger Faktor für die CO2-neutrale Energieversorgung unserer Stadt“, betont Helge-Uve Braun, Technischer Geschäftsführer der SWM. „Der Umweltnutzen dieses innovativen Kühlsystems ist hoch: Weil die Kälte zentral erzeugt wird und obendrein der Stadtbach als Kühlmittel aushilft, werden wertvolle Ressourcen geschont.“
70 Prozent weniger Stromverbrauch
Zudem kann die vorhandene Wärme aus der Geothermie und der Kraft-Wärme-Kopplung auch zur Fernkälteerzeugung mit genutzt werden. Außerdem spare die Fernkälteversorgung im Vergleich zur dezentralen konventionellen Hausklimaanlage bis zu 70 Prozent des Stromverbrauchs, was zu einer entsprechenden Reduzierung des CO2-Emissionen führt. Noch ökologischer wird die Fernkälte, wenn die natürliche Kälte von Grundwasser und Flüssen genutzt werden kann, weil dann der Energieeinsatz zum Abkühlen geringer ausfällt. So nutzt die neue Kältezentrale in Sendling unter anderem das kühle Wasser des Isarwerkkanals zur Kälteerzeugung. „Da es sich um ein geschlossenes System handelt, gibt es keinen unmittelbaren Eingriff in die Wasserökologie“, betonen die SWM.
Wärme aus der Stadt abtransportieren
Dazu kommen noch die Vorteile für das Stadtklima. Abgesehen davon, dass bei der Fernkälteversorgung nicht auf jedem Dach ein Kühlaggregat stehen muss, wird auch die Abwärme bei der Klimatisierung aus der Stadt heraustransportiert. Dadurch entstehen keine weiteren innerstädtischen Hitzeinseln, die den Bedarf an Klimatisierung weiter nach oben treiben würde. (su)
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