Nicole Weinhold
Es ist so weit, Datteln 4 geht ans Netz. Die Bundesregierung mache mit Datteln 4 deutlich, dass sie von Energiepolitik und Klimaschutz einfach keine Ahnung hat, erklärte jetzt Oliver Krischer, Stellvertretender Fraktionsvorsitzender von Bündnis90/Die Grünen. "Die Inbetriebnahme eines neuen Kohlekraftwerks steht für die Vergangenheit, für die Abhängigkeit von fossilen Rohstoffen, die unsere Luft verpesten und für ein gebrochenes Versprechen, endlich aus der Kohle in Deutschland auszusteigen."
Kohleausstieg eine Farce
Die mühsamen Ergebnisse aus dem Kohlekompromiss würden von der GroKo eiskalt über Bord geworfen, sagte seine Parteikollegin Lisa Badum, Sprecherin für Klimapolitik. "Datteln 4 zeigt, wie sehr sich diese Bundesregierung an die Vergangenheit klammert, während die Realität am Strommarkt ganz andere Zahlen und Worte spricht." Über die Hälfte des deutschen Stroms werde durch erneuerbare Energien hergestellt, zum Großteil aus der Windkraft. Die Kohle werde schon lange aus dem Markt verdrängt und sei um 33 Prozent eingebrochen. "Diese Zahlen aus der Energiewirtschaft sprechen eine eindeutige Sprache. Es ist unbegreiflich, warum der Wirtschaftsminister sich weigert, darauf zu hören."
"Der deutsche Kohleausstieg droht zu einer Farce zu werden", so Krischer. "Nicht nur Datteln 4, auch die unsäglichen Verträge zwischen Bund und Betreibern und horrenden Entschädigungen für die Braunkohle machen aus dem Kohleausstieg langsam ein Kohleverlängerungsgesetz. Wir appelieren an die Bundesregierung, mit den Betreibern eine Verhandlungslösung zu suchen, damit Datteln 4 nicht ans Netz geht.“
CO2-Reduktion muss schneller erfolgen
Die Regierung hat es nicht eilig mit dem Kohleausstieg. Dabei hat sich Dank des Merit-Order-Effekts an der Strombörse während Corona gezeigt, dass es auch heute schon mit deutlich weniger Kohle im Netz geht. Wie sehr die Zeit drängt aus der Kohle auszusteigen, zeigt eine neue Kurzstudie des deutschen New Climate Institute. Die Autoren Niklas Höhne, Markus Hagemann und Hanna Fekete kommen darin zu dem Schluss, dass Deutschland nicht erst 2050, wie bisher angestrebt, CO2-neutral werden muss, sondern schon deutlich früher.
Veraltete Ziele
"Die Klimaziele, die sich Deutschland vor zehn Jahren gesetzt hat, sind veraltet", heißt es in der Studie. Insbesondere das Ziel, Treibhausgasemissionen bis 2030 um 55% unter das Niveau von 1990 zu reduzieren, sei auf einer Grundlage bestimmt worden, die heute nicht mehr zutrifft. Zum einen sei bei Setzung des Ziels angenommen worden, dass die globalen Emissionen stagnieren, aber sie sind seitdem deutlich gestiegen. Zum anderen wisse die Weltgemeinschaft heute mehr über die Risiken des Klimawandels, und hat mit dem Pariser Klimaschutzabkommen die Maximalgrenze des akzeptablen Temperaturanstiegs von 2°C auf „weit unter 2°C und in Richtung 1.5°C“ verschärft. "Unter den heutigen Bedingungen ist das CO2-Budget, das Deutschland nach Gerechtigkeitskriterien zusteht, um ein Vielfaches kleiner als das, welches durch die aktuellen Ziele beansprucht würde. Selbst wenn Deutschland seine Emissionen so schnell reduzieren würde, wie es im globalen Durchschnitt nötig ist, wären die jetzigen Ziele nicht ausreichend. Deutschland hat sein CO2 Budget also schon fast überzogen und müsste seine Emissionen innerhalb eines Jahrzehnts auf null senken, um einen gerechten Beitrag zu leisten", heißt es weiter. Allerdings seien null Emissionen bis 2030 politisch schwer vorstellbar. Als Konsequenz sollte sich Deutschland zwei Ziele setzen, die, zusammengenommen, der deutschen Verantwortung von null Emissionen bis 2030 entsprächen:
•Ein Ziel zur Reduzierung der Treibhausgasemissionen im Inland, um „Netto-Null“ (Ausgleich von Emissionen und Senken) weit vor 2050 (zum Beispiel bis 2040) zu erreichen.
•Ein zweites Ziel, das beschreibt, wie Deutschland anderen Ländern hilft, Emissionen zu reduzieren, z.B. durch finanzielle Unterstützung, Innovation oder die Entfernung von Treibhausgasen aus der Atmosphäre.