Geschäftsführer Vera Schürmann und Helmut Kern nahmen in Berlin den Preis entgegen. Das Modell, wofür die Unnaer ausgezeichnet wurden, ist eigentlich eine Art Basismodell einer neuen Stadt-Land-Beziehung: Im so genannten Biogas Pool 1 schlossen sich fünf Stadtwerke zusammen, die darüber in die Biomethanproduktion eingestiegen sind. Sie selbst wiederum betreiben nur die beiden Aufbereitungsanlagen zu den beiden Biogasanlagen, die den Pool mit Rohbiogas beliefern. Die Biogasanlagen wiederum sind in den Händen zweier landwirtschaftlicher Gesellschaften, der H.A.N.S. Energie GmbH mit Sitz in Engeln und der Agrogas amp; Wärme GmbH amp; Co. KG in Deinstedt.
Stadtwerke investieren in Aufbereitungsanlagen
Die Stadtwerke investierten in zwei Aufbereitungsanlagen – nach gängier Lehrmeinung wird die Aufbereitung von Biogas zu Biomethan erst ab 500 Normkubikmeter pro Stunde wirtschaftlich. Der Biogas Pool lehrt eines Besseren. Denn die Landwirte liefern jeweils Gas 'nur' für 350 Normkubikmeter Biomethan pro Stunde. Die kommunalen Versorger wollen das Biomethan in Blockheizkraftwerken (BHKW) verstromen und ihren Kunden Gasprodukte mit einer Beimischung von Biomethan anbieten. Arcanum agiert als Projektinitiator und führt den Betrieb der Anlagen im Auftrag der Stadtwerke. Teilnehmer im Pool 1 sind die Stadwerke Bad Salzuflen, Herne, Rotenburg/Wümme, Verden/Aller und Witten. Die Biogasanlagen stehen in Niedersachsen in den Gemeinden Malstedt und Bruchhausen. Es scheint zu funktionieren.
Denn das Modell macht Schule: Durch die Hinzunahme einer dritten Biogasanlage soll die Produktion des Pools 1 im nächsten Jahr auf 120 Million Kilowattstunden Biomethan verdoppelt werden. Ein zweiter Biogas Pool mit neun Stadtwerken soll noch in diesem Jahr ans Netz gehen. Ein dritter Pool befindet sich bei Arcanum in Vorbereitung.
Kooperation der Kleinen
Interessant an dem Konzept ist damit, dass auch kleinen Biogasanlagen der Einstieg in die Biomethanproduktion über eine Kooperation möglich wird. Außerdem kleinen Stadtwerken dann ebenfalls über eben jene Kooperation im Umkehrschluss der Einstieg in die Biomethanproduktion möglich wird. In allem werden die Aufgaben gemäß den vorhandenen Expertisen geteilt: Die Landwirte sind Rohstoff- und Rohbiogaserzeuger. Aufbereitung und Vertrieb liegen in Händen von Arcanum beziehungsweise der Stadtwerke.
Beimischung ist lukrativ
Für Gasanbieter wird es zunehmend interessant, Kunden auf dem Wärmemarkt Produkte mit Beimischungen von Biomethan im Erdgas anzubieten. Der Markt beweist, dass sich mit diesen Produkten sehr schnell sehr viele Kunden gewinnen lassen. Der Hamburger Gasanbieter Lichtblick AG und die Sauber Energie GmbH amp; Co. KG aus Siegburg in NRW sind die prominentesten Beispiele. Lichtblick war das erste Unternehmen in Deutschland, das ein Erdgasprodukt mit einem Anteil Biomethan anbot, fünf Prozent. Zunächst wurde es regional, seit 1. Januar 2009 wird es bundesweit angeboten. Mitte Juli 2009 konnte Prokurist Gero Lücking Auskunft geben, dass das Unternehmen schon 50.000 Gaskunden habe. Die Zahl 70.000 auf der Homepage im Juli war schon antiquiert. Man versorgte da schon 84.000 Kunden. Bis Ende 2015 wollen die Hamburger mindestens 200.000 Kunden beliefern.
Newcomer Sauber Energie, die Nummer zwei hinter Lichtblick am Markt, ist wie Lichtblick ein Direktanbieter und wurde eigens zu dem Zweck geschaffen, am Markt Beimischungsprodukte für unterschiedliche Zielgruppen anzubieten. Sauber ist eine Vertriebsgesellschaft, die von sechs Regionalversorgern aus Nordrhein-Westfalen und Hessen gegründet wurde. Binnen 15 Monaten konnten die Siegburger 15.000 Kunden akquirieren. Das war Stand Juni 2011. Im Juli lag man schon bei 18.000 Kunden. Das Ziel 20.000 bis Ende 2011 wird Sauber laut eigener Prognose aller Voraussicht übersteigen. Das nächste Beimischungsziel bei Sauber und Lichtblick sind zehn Prozent Biomethan.
Ausbau hinkt
Das Netzwerk „Biogaspartner“, die Plattform der Biomethan-Akteure in Deutschland, listet alle Biomethananlagen in Deutschland auf. Koordinatorin ist die Dena. Es müssten laut einer Dena-Studie pro Jahr bis 2020 120 Biomethananlagen gebaut werden, um die Ziele der Bundesregierung zu erreichen. Ende 2011 werden es wohl um die 50 Anlagen sein, die aufbereiten und einspeisen. Die Zuwachsraten pro Jahr liegen im Augenblick bei um die 20 Anlagen pro Jahr.
Stadtwerke und Gasanbieter entdecken aber Biomethan für ihr Produktportfolio. Doch um die Produktion richtig in Gang zu bringen, bedarf es laut Branchenverband Biogasrat mehr Anreize bei der Nachfrage. Zum Beispiel über die Ausdehnung des Erneuerbare-Energien-Wärmegesetzes (EEWärmeG) auf den privaten Gebäudebestand. Wenn sich hierüber Pflichten zur Nutzung Erneuerbarer Energien darstellen ließen, die sich auch über Biomethan erfüllen lassen zu vernünftigen Bedingungen, könnte es vermutlich zu ganz anderen Größenordnungen bei der Nachfrage von Biomethan kommen. (Dittmar Koop)